Dossiers über Demonstranten: Er nervt, seit jeher
In Sachsen-Anhalt hat die Polizei offenbar den Grünen Sebastian Striegel im Visier. Eigentlich müsste er als Abgeordneter besonders geschützt sein.
Das jedenfalls soll am Donnerstag Thema im Innenausschuss des Landtags sein. Striegel sagt: „Ich vermute, dass die Polizei in Sachsen-Anhalt begonnen hat, politische Polizeiarbeit zu betreiben –auch auf meine Kosten.“
Hintergrund ist ein Verdacht, der noch für Aufsehen sorgen könnte, wenn er sich denn bewahrheitet. Am Wochenende berichtete die Mitteldeutsche Zeitung von mutmaßlich rechtswidrigen Personendossiers über Demonstranten, mit der Polizisten sich auf Einsätze vorbereitet haben sollen. In diesem Akten sollen sich auch Details zum Abgeordneten Striegel befunden haben.
Konkreter Anlass ist ein Zufallsfund in einer juristischen Auseinandersetzung um eine Demonstration am 7. Januar 2013 in Dessau. Das war der Todestag des unter dubiosen Umständen in Dessauer Polizeigewahrsam ums Leben gekommenen Oury Jalloh. In einem Prozess gegen Demonstrationsteilnehmer soll nun ein Polizist ausgesagt haben, er könne Beschuldigte wieder erkennen, weil er sie zuvor bereits aus Polizeiakten kannte. In den Akten sollen sich neben Fotos auch persönliche Details der Personen befunden haben, darunter auch von Striegel.
Was sammelt die Polizei? Und warum?
Wenn das stimmt, ist es beachtlich. Polizeiliche Datensammlungen über einzelne Personen sind nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. In den konkreten Fällen soll es sich jedoch um Demonstrationsteilnehmer gehandelt haben, die nicht vorbestraft gewesen seien. Plus: Besondere Hürden müssten für Abgeordnete gelten, die aufgrund ihres Mandats einen entsprechenden Schutz genießen.
Für Striegel fügt sich nun ein Bild zusammen, das er zuvor nicht deuten konnte. Schon seit Jahren kämpft der Politiker in Sachsen-Anhalt entschieden gegen Polizeigewalt und für eine Kennzeichnungspflicht von Polizisten. Es war just im Januar 2013, als Striegel sich mal wieder mit Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) anlegte und mitteilte, er werde einen anstehenden Großeinsatz der Polizei besonders beobachten. Die Retourkutsche folgte prompt: Striegel erhielt zahlreiche Strafanzeigen aus Reihen der Polizei.
Alle Verfahren wurden eingestellt, doch im Rahmen der Vorermittlungen tauchte laut Striegel auch rund 40-minütiges polizeiliches Videomaterial über ihn selbst auf. Schon damals wunderte er sich, wieso die Polizei so viel Material über ihn hatte. Nun will er wissen: Was sammelt die Polizei über ihn? Und warum?
Das Innenministerium von Sachsen-Anhalt wollte den Fall am Mittwoch nicht kommentieren. Es sei angeblich noch nicht hinreichend informiert. Ein Sprecher sagte lediglich, bis auf Weiteres sei davon auszugehen, dass die Vorwürfe keine Substanz hätten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies