Rechte Fußballer in Sachsen-Anhalt: Narrenfreiheit für Schläger
Der Landesverband schafft es nicht, gegen ein rechtsextremes Fußballteam vorzugehen. Es ist eine Mannschaft, die Angst verbreitet.
Ein wenig Druck hat es durchaus gegeben. Anfang Mai musste sich der Fußballverband vorm Landtagsausschuss in Sachsen-Anhalt erklären, wie man dem Klima der Angst begegnet, das der rechtsextreme Verein FC Ostelbien Dornburg in der Kreisliga Süd im Jerichower Land verbreitet.
Die Berichterstattung der taz über die Partie des FC Dornburg beim SG Blau Weiß Niegripp am 21. März sei der Anlass gewesen, sagt Sebastian Striegel, Landtagsabgeordneter von den Grünen, eine weitere Initiative zu starten. „Doch ich habe auch nach der Sitzung den Eindruck, dass sich der Fußballverband Sachsen-Anhalt (FSA) und der Landessportbund dem Problem nicht ernsthaft stellen.“
Zehn Personen des FC Dornburg werden vom Innenministerium Sachsen-Anhalt der rechtsextremistischen Szene zugeordnet. In Niegripp trieb vor allem wieder einmal Dennis Wesemann sein Unwesen. Gegen ihn wurden schon etliche Strafverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung, Landfriedensbruch und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen angestrengt. Er ist aktuell auch sportrechtlich gesperrt. Wesemann brummt noch eine fünfmonatige Sperre ab wegen einer Tätlichkeit bei einem Hallenturnier im Januar.
In Niegripp trat er trotz der Sperre an und spuckte dem einzigen ausländischen Spieler des gastgebenden Vereins, Fitim Cimili, ins Gesicht. Diese wie diverse andere platzverweiswürdige Unsportlichkeiten wurden vom Schiedsrichter geflissentlich übersehen. Angst vor den Dornburgern haben nämlich nicht nur deren Gegenspieler, sondern auch die Unparteiischen, wie ein Mitglied des Schiedrichterausschusses der taz bestätigte.
Die Niegripper nutzten den Umstand, dass die Ereignisse öffentlich wurden, dazu, Anfang April über Facebook einen Aufruf gegen Rechtsextremismus zu posten. „Wir haben es einfach nur satt, dass man sich während der Freizeit Sorgen um die eigene Gesundheit machen muss und letztlich zur eigenen Sicherheit klein beigibt“, erklärte der Verein. Zwei Klubs in der Liga, einer davon allerdings nur anonym, unterstützten den Aufruf, mit dem die Niegripper, wie sie schrieben, einen Stein ins Rollen bringen wollten.
Keine Reaktion
Fast drei Monate später muss man konstatieren: Es hat sich wenig bewegt. Ein Spieler von Niegripp, der aus Sorge um seine Familie lieber anonym bleiben möchte, erklärt: „Leider ist vom Verband gar nichts gekommen. Ich finde das enttäuschend und auch ein bisschen erschreckend.“ Der FSA habe leider den Aufruf öffentlich nicht unterstützt.
Auch nachdem die erbosten Dornburger in voller Mannschaftsstärke bei einem Auswärtsspiel der Niegripper auftauchten und nur ein größeres Polizeiaufgebot die Lage beruhigen konnte, habe der Verband auf diese Provokation nicht reagiert. Auch die regionalen Medien hätten kaum über die Geschichte berichtet. Andere Vereine könnten das nun als Signal verstehen, lieber nicht zu viel Zivilcourage zu zeigen.
Erwin Bugar, der Präsident des Fußballverbands, weist indes den Vorwurf der Untätigkeit zurück. Natürlich habe man die Berichte aus Niegripp Anfang April ernstgenommen. „Wir sind aktuell dabei, ein detailliertes Lagebild zu erheben.“ Man habe sich auch in einer persönlichen Mail für das Engagement der Niegripper bedankt. Die Frage, warum der Verband nicht öffentlich in dieser Angelegenheit Position bezogen hat, erwidert Bugar mit dem Verweis auf grundsätzliche Initiativen des FSA im sozialgesellschaftlichen Bereich.
Kann ein Verbot helfen?
Insbesondere hebt er die Unterstützung des Projekts „Menschlichkeit und Toleranz (MuT)“ hervor, das sich zum Ziel gesetzt habe, (rechts-)extremistischen Tendenzen entgegenzuwirken. Deren Mitarbeiter seien nun auch mit der Aufarbeitung der Geschehnisse von Niegripp betraut.
Was Bugar aber nicht erzählt, ist dies: Der Verband hat seine Unterschrift zu Kofinanzierung des Projekts über vier Monate hinausgezögert. „Wir waren in der Zeit leider nur eingeschränkt arbeitsfähig“, sagt der MuT-Koordinationsleiter Helge Tiede. Kurz bevor der FSA zum Rapport in den Sächsischen Landtag bestellt wurde, unterschrieb man die Vereinbarung. Sebastian Striegel sagt, dies sei nur dem Druck von außen zu verdanken. Der Verband müsse sich zu einer langfristigeren Finanzierung des Projekts bekennen. „Bislang wirkt es auf mich, als nutzen der Landessportbund und der Fußballverband das Projekt vor allem als Feigenblatt. Es braucht aber auch eine Verantwortungsübernahme von Herrn Bugar selbst.“
Man wird genau hinsehen müssen, was in der Causa Dornburg nun passiert. MuT-Mitarbeiter Stephan Matecki bestätigt den Ernst der Lage. Das von den Niegrippern beschriebene Klima der Angst hat sich auch bei anderen Vereinen, die mit Dornburg zu tun haben, ausgebreitet. Doch was tun? Matecki denkt auch über ein Verbot des FC Ostelbien nach. Vor vier Jahren scheiterte der Landessportbund mit diesem Ansinnen vor Gericht und ließ es auf keinen zweiten Versuch ankommen.
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