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Dorothee Bär geht Datenschutz anKlotz am Bein

Die Bundesbeauftragte für Digitales findet Datenschutz hinderlich für das Gesundheitswesen. Das zuständige Ressort ist anderer Ansicht.

Dorothee Bär (links) auf dem Weg zum Jour fixe mit Datenschützern Foto: dpa

Berlin taz | Es sind diese Interviews, bei denen der oder die Interviewte mal eben eine steile These bringt und eine Forderung raushaut, ohne konkreter zu werden. „Wir haben in Deutschland mit die strengsten Datenschutzgesetze weltweit […]. Das blockiert viele Entwicklungen im Gesundheitswesen, deshalb müssen wir da auch an der einen oder anderen Stelle abrüsten, einige Regeln streichen und andere lockern“, sagte die Digitalisierungsbeauftragte der Bundesregierung, Dorothee Bär, der Welt am Sonntag.

Leider fragten die Interviewer nicht nach, warum aus Sicht der Staatsministerin – so heißen die Parlamentarischen Staatssekretäre im Kanzleramt, weil das prestigeträchtiger klingt – der Schutz der Privatsphäre den Fortschritt im Gesundheitswesen „blockiert“.

Im Bundesgesundheitsministerium wollte man sich am Sonntag nicht zu Dorothee Bärs Vorwurf äußern. Nur so viel: Begeisterungsstürme hat das Interview im Ministerium nicht ausgelöst. Die elektronische Gesundheitsakte (eGA), die bereits seit 15 Jahren in Planung ist, wird kommen. In dieser Akte sollen relevante Patienten- und Krankheitsdaten gespeichert werden, damit ein Fach- oder weiterbehandelnder Arzt Zugriff auf die Krankheitsgeschichte hat.

Derzeit läuft das neue „Terminservice- und Versorgungsgesetz“ durch das parlamentarische Verfahren. Darin wird stehen, dass die Krankenkassen den Patienten bis 2021 eine solche elektronische Akte anbieten müssen – der Patient ist nicht verpflichtet, das Angebot anzunehmen.

Unter Ärzten umstritten

Fraglich ist, ob der Datenschutz das größte Hemmnis in puncto Digitalisierung ist. Immerhin werden in einer elektronischen Akte sensibelste persönliche Daten stehen. Nach derzeitiger Rechtslage können Daten nur gespeichert und weitergegeben werden, wenn der Patient zustimmt. Anbieter wie IBM betonen, dass sie selbst keinen Zugriff hätten, weil die Daten verschlüsselt gespeichert würden. Das lange Gezerre um die eGA lag in der Vergangenheit eher an Uneinigkeiten zwischen Krankenkassen, Kliniken und den Ärzteverbänden. Auch unter den Ärzten selbst ist die eGA umstritten.

In der Bundesregierung sind mehrere Fachministerien mit der Digitalisierung beschäftigt. Dazu gibt es den neuen Digitalrat. Bär, die keine Koordinierungskompetenz besitzt, dürfte mit ihrem Vorstoß auch die Absicht gehabt haben, ein sichtbares Zeichen zu setzen.

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23 Kommentare

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  • Kompetenz hat mit der Besetzung derartiger Posten ja nicht bis gar nichts zu tun (Beispiel ein Herr Merz, der sich für alles kompetent hält).

    Beim Umgang mit derart sensiblen Daten kann das Thema IT-Sicherheit gar nicht intensiv genug beachtet werden. Die Missbrauchsmöglichkeiten dieser Daten gehen über Erpressung von Bundestagsabgeordneten und Richtern noch weit hinaus.

    Vielleicht erkennt Frau Bär am Feedback auf Ihr Statement ja Ihren Nachhilfebedarf. Datenschutz in Deutschland wird schon oft genug nicht beachtet (z.B. bei der Übermittlung aller Daten an den Beitragsservice).

    • @Gostav:

      Nachtrag: Frau Bär hat Politologie studiert. Damit hat Sie zum Thema IT-Sicherheit ungefähr soviel Bezug wie ein Soziologe oder Psychologe.

  • Die Politik und Verwaltung flüchten sich im Zweifel immer in die Dummheit und Unfähigkeit. Das ist dann nicht strafbar und scheinbar auch nicht ehrenrührig.



    Frau Bär ist kompetent. Einige bezeichnen den Vorwurf der Inkompetenz an Frau Bär als Sexismus. Allerdings hat sie das selbst provoziert. Ähnlich wie Frau Merkel mit "Neuland" ihr Agieren im Geheimdiensskandal mit scheinbarem Unwissen kaschieren wollte, spielt Frau Bär selbst mit dem Gender-Klischee. Frau Bär betreibt gezielt Anti-Datenschutz-Populismus. Sie nimmt dabei in Kauf, dass sie von denjenigen, die sich da ebenfalls auskennen, als inkompetent angesehen wird, denn das ist nur eine kleine Minderheit. Daher hat sie diese Aussage auch in möglichst vielen Medien zu bester Zeit platziert. Es ging ihr um die Breitenwirkung - und da ist die Message nun angekommen: Der Datenschutz ist schuld, es ist ein Krieg und weniger Datenschutz bedeutet Abrüsten und Frieden.

  • Erst lassen sich die Politiker für die DSGVO der EU krönen und feiern und hinterher merken sie, was sie verabschiedet haben. Solche Politiker braucht kein Mensch.

  • Die vision mit den Flugtaxis war wenigstens noch schön selbstironisch.



    Das hier geht doch zu weit.



    Mit Datenschutz Spasst man nicht

    • @Demokrat:

      Wenn das mit den Flugtaxis selbstironisch gewesen sein soll, waren Stoibers Transrapidträume dann auch pure Selbstironie? Erkennt man Selbstironie etwa schon daran, dass sie immer weniger als 10 Minuten vom Hauptbahnhof in München startet?

      • @Rainer B.:

        Nun, das mit sto7ber war wohl eher keine Ironie.



        Der Transrapid ist in China erfolgreich verwirklicht.



        War also keine vision, sondern nur die unentschlossenheit.

        • @Demokrat:

          „Der Transrapid ist in China erfolgreich verwirklicht.“

          Da wissen Sie mehr als ich.

          „Im Dezember 2008 erklärte Siemens den Plan der Verbindung der beiden Flughäfen in Shanghai zur Expo 2010 durch den Transrapid für gescheitert.

          Nach Medienberichten von Januar 2011 wurde auch der Plan zum Weiterbau der Strecke nach Hangzhou aufgegeben, da die Kosten für einen Zeitgewinn von lediglich 10 Minuten gegenüber der seit Herbst 2010 fertiggestellten modernisierten Bahnstrecke zu hoch seien.“ (Wikipedia)

          Dass der Transrapid im Prinzip funktionsfähig ist, wurde nie bestritten und ja auch hier auf Teststrecken schon demonstriert - nur bietet er insgesamt kaum nennenswerte Vorteile gegenüber bestehenden Verkehrssystemen. Selbst den Chinesen machte das Ding immer noch zuviel Krach, sodass es Proteste gab - und das will schon was heißen in China.

          • @Rainer B.:

            Sie waren wohl die letzte Zeit nicht in China.

            • @Demokrat:

              Nein, war auch nicht nötig. 'Wo wir sind, wird Mist gemacht, aber wir können nicht überall sein.'



              (Der frühere Lehrherr mal zu einem Kunden)

  • Neuland, Neuland über alles,



    über alles in der Welt.

    Die elektronische Gesundheitsakte (eGA) kommt nicht, sie ist längst da. Sie befindet sich allerdings nicht auf der „Gesundheitskarte“, sondern auf zentralen Servern.



    Die „Gesundheitskarte“ selbst ist da nur die Eintrittskarte zu diesen Servern. Zur Qualität, Sinnhaftigkeit und Nutzen der gespeicherten Daten für den/die Patienten/in kann man derzeit nur soviel sagen: Auch die schon bestehenden Fehldiagnosen und Falschmedikationen werden selbstverständlich ungeprüft dort ihren Platz für die Ewigkeit finden.

  • Im Forum von heise.de fand jemand eine wirklich schöne Formulierung:



    So viel Inkompetenz auf so wenig Raum

  • Flugtaxis eben...



    Wer hat nur diese Null zur Beauftragten für Digitales gemacht?

    • @Achtsamer:

      Die römisch-katholische Kirche in Zusammenarbeit mit dem Bundeskanzleramt.

  • Populistischer Unfug von Frau Bär. Entweder ist sie sich über die Tragweite nicht bewusst, was schon schlimm genug wäre), oder sie kennt nicht due EU-DSGVO, was mindestens genauso schlimm ist.



    Jedenfalls hat sie sich hinreichend disqualifiziert für ihre Aufgabe, um noch irgendwie ernst genommen zu werden.

  • #neuland hat jetzt was begriffen. Nämlich, dass auch sie und ihre Amigos, nicht immer nur die Amis, mit Datenhandel richtig viel Profit machen können, leistungslos, und sich eine marktbeherrschende Position verschaffen können. Merkel und Altmaier haben kürzlich schon Andeutungen in die Richtung gemacht. Brave Marktsoldaten.

    Es geht nicht um Datenschutz, sondern um Menschenschutz, darum, nicht mit persönlichen Daten über Menschen zu handeln, diese Daten sind keine Nudeln und Eier, sondern der Schlüssel zur Haustür, Zugang zum Geldbeutel und zur Psyche und die Kameras in Bad und Schlafzimmer. Und nichts davon wird vergessen.

    Der Westen und China gleichen sich immer mehr an, was die Totalerfassung und -überwachung angeht. Neue Autos, die intern eine Kombi aus GPS-Tracker, Kameras, Amazon-Echo-Multiwanze und dutzendfach weitere Sensorik am Start haben, die alle eifrig nach Hause funken, was man so treibt. Hersteller und Versicherer kloppen sich ja schon, wem die Dossiers gehören, die sie da über uns erstellen. Hauptsache, nicht uns. Demnächst kommt als weiterer Betrug, um den Sack zuzumachen, die Einordnung von Daten als Eigentum, aber das ist ein anderes Thema.

    Ich will nicht in einem totalitären Land leben, in dem mich Wirtschaft und Staat nach Belieben überwachen, lenken, ausbremsen und blockieren können, ohne dass ich es erkennen oder nachweisen kann. Und ich will auch nicht, dass das Ausspionieren meines Alltags, meiner Gewohnheiten, meines Freundeskreises oder meiner Gesundheit windigen Typen die Kassen füllt. Das sind die gleichen, die sich sonst gern als Leistungsträger der Gesellschaft bezeichnen. Was für ein Hohn. Ach so, die Leistung war, dem Konsumentenvolk verwanzte Honigtöpfchen hinzustellen und erfolgreich für die eGK und gegen Datenschutz zu lobbyieren? Das ist ne Leistung, muss ich anerkennen. Danke auch an Frau Bär und Frau Voßhoff.

    Wenn sogar #neuland es schafft - wann haben wir endlich begriffen, wohin das führt?

  • Der Rechtsvorgänger der Bundesrepublik hat einmal "unwertes Leben" ermordet - Menschen, die nicht dem gängigen Ideal entsprachen, Verlierer, die selbst schuld waren. Organisatorische Grundlage für den Massenmord waren Listen über den Gesundheitszustand von Bürgern.

  • Ob Bär sich überhaupt schon einmal überlegt hat was ihr Job ist? Was er sein könnte? Hat sie überhaupt Interesse an dem Thema? Man hat nicht den Eindruck. Eine der wichtigsten Zukunftsfragen wird eindeutig nicht gesteuert und gestaltet, geschweige denn von zentraler Stelle mit entsprechenden Befugnissen. In der Gestalt Bär manifestiert sich das völlige Desinteresse der Regierung Merkel am Thema, in der Gestalt Altmaier dazu noch der Aberglaube, dass die Wirtschaft es schon richten werde. Womit wir dann auch schon wieder bei diesem blöden Datenschutz wären, den eine Bär ja so schrecklich fortschrittsfeindlich findet. Gesundheit ist ja auch so wichtig, da muss sich auch mal eine Digitalisierungsbeauftragte engagieren dürfen und sage ihr nur niemand nach, das habe irgendetwas mit ihrer Tätigkeit im Beirat der Rhön AG zu tun.

  • 6G
    64938 (Profil gelöscht)

    Wir kennen ja Inkompetenz gepaart mit Unverschämtheit von ihren männlichen Kollegen zur Genüge.



    Womit haben wir diese Partei verdient ...

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...Deutschland braucht nicht weniger, sondern mehr Datenschutz, das zeigt der Fall der Juristin Seda Basay-Yildiz.

  • So kommt es wenn man fachlich Nichtkompetenten ein ueberfluessiges Ministeramt



    verschaft. Frau Baer muesste sich schaemen.Tut sie aber sicher nicht, solang



    die Kohle stimmt.

    • @carl mumm von hopfensack:

      Wenn man ehrgeizig ist und es mit der Selbstermächtigung nicht so recht klappen will, muss man sich halt protegieren lassen. Von Leuten, die selbst nicht in Erscheinung treten wollen aber trotzdem sicherstellen möchten, dass ihre Interessen nicht unter den Tisch fallen. So viel zum Fortschritt, den Frauen in Führungspositionen bedeuten. Ich meine: generell und unabhängig von ihren individuellen (In-)Kompetenzen.

  • So kommt es wenn man fachlich Nichtkompetenten ein ueberfluessiges Ministeramt



    verschaft. Frau Baer muesste sich schaemen.Tut sie aber sicher nicht, solang



    die Kohle stimmt.