Dorothee Bär gegen Rechtspopulist Tichy: Die Antisexistin von der CSU
Wegen eines sexistischen Textes in „Tichys Einblick“ zeigt Bär sich solidarisch mit Sawsan Chebli. Ein weiterer Grund, sie nicht zu unterschätzen.
Es ist in Empörungswellen oft nicht leicht, wirklich Relevantes vom rhetorischen Restmüll zu trennen. Erst recht in dieser Woche, in der sich mit FDP-Frühstücksdirektor Christian Lindner, CDU-Schwulenschreck Fritze Merz und RBB-Nachtwächter Serdar Somuncu gefühlt die halbe deutsche Männerschaft in die emanzipatorische Steinzeit zurückbeamte. Alles erbärmlich, aber eher zum Vergessen.
Umso bemerkenswerter, wie wirkungsvoll die CSU-Politikerin Dorothee Bär auf einen weiteren, besonders krassen Fall von Sexismus reagierte. „Das ist widerlicher Dreck! Wo steht denn so ein Müll?“, twitterte Bär, als sie einen Artikel über die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD) las. Darin stand: „Was spricht für Sawsan?“ Und weiter: „Befreundete Journalistinnen haben bislang nur den G-Punkt als Pluspunkt feststellen können.“
Als Bär erfuhr, wer da so respektlos und gleichzeitig unverhohlen lüstern schrieb, nämlich das Rechtsaußen-Magazin „Tichys Einblick“, trat Bär umgehend aus der Ludwig-Erhard-Stiftung aus, die von „Einblick“-Chef Roland Tichy geleitet wird. Und siehe da: Nach weiteren Protesten kündigte Tichy seinen Rückzug vom Vorsitz der wirtschaftsliberalen Stiftung an.
Eine kleine Revolution im Reich der Rechten und Reichen. Ausgelöst von Bär. Ja, richtig, die viel belächelte Flugtaxifahrerin aus Franken, die Staatsministerin im Kanzleramt für Digitalisierung ist, aber von vielen immer noch nicht ernst genommen und „Doro“ genannt wird. Dabei war Bär schon immer schneller, schlagfertiger und moderner als die meisten CSU-Traditionalisten.
Natürlich hätte es schon früher viele Gründe gegeben, auf Distanz zu Islamhass-Prediger Tichy zu gehen, doch Bär wählte einen guten: Solidarität mit Sawsan Chebli, die täglich abwechselnd sexistisch oder rassistisch beleidigt wird – und die sich dagegen bewundernswert stoisch zur Wehr setzt.
Bär und Chebli – ihre politische Herkunft könnte unterschiedlicher kaum sein. Aber beide Frauen eint, dass sie so stil- und selbstbewusst auftreten, wie sie wollen. Dass sie wohl gerade deshalb oft auf ihre Weiblichkeit reduziert und diffamiert werden. Und dass sie sich das nicht gefallen lassen. Eine feministische Koalition, die hoffentlich länger hält als die von Union und SPD.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles