Dominanzkultur bei der Polizei: Den Dicken markiert
Eine mangelnde Fehlerkultur und Dominanzgebaren haben bei der Polizei Tradition. Das ist traurig und gefährlich.
A us der Reihe der Skandale der Polizei sticht die Verfolgungsjagd eines Jugendlichen im Jenischpark nicht besonders hervor. Zwar erinnern die Szenen auf dem Video, auf dem ein Polizeiauto einem Heranwachsenden hinterher rast, weil dieser Abstandsregeln nicht eingehalten hatte, an einen schlechten Actionfilm.
Die Beamt*innen haben mit ihrem Übereifer wohl Kolleg*innen und Unbeteiligte gefährdet. Allerdings ist man von der Polizei einiges gewöhnt. Auch dass sie mit dem Hubschrauber das Einhalten der Coronaregeln überwacht, überrascht nicht, solange sie es nicht mit dem Panzer tut.
Problematisch ist aber die Kultur, die dahinter steckt. Der Drang, den Dicken zu markieren und in jeder Situation überlegen zu sein, lässt wenig Spielraum für situative Abwägungen und genaues Differenzieren. Es bedeutet, tendenziell immer erst mal draufzuhauen, erst mal aufs Gas zu treten, erst mal jemanden wegzuschubsen, bevor der Eindruck entstehen könnte, ein*e Polizist*in zögere. Zögern passt nicht zur hypermännlich geprägten Cop Culture.
Für Bürger*innen gefährlich
Dazu gehört leider auch eine extrem schwache Fehlerkultur, die sich in dem Polizeistatement zur Verfolgungsjagd manifestiert. Anstatt Fehler einzugestehen, ist es das Höchste der Gefühle, zuzugeben, dass „der Einsatz des Fahrzeugs auf den Videobildern (…) den Eindruck erwecke, dass eine Gefahr für außenstehende Personen bestanden haben könnte“. Geht’s noch umständlicher?
Die fehlende Fehlerkultur und die umso stärker ausgeprägte Dominanzkultur, zu der auch gehört, bei jeder Gelegenheit Wasserwerfer, Reiterstaffel und Räumpanzer zu präsentieren, hat eine lange Tradition und ist in Hamburg besonders ausgeprägt. Für die, die nicht anders wissen, wie sie sich Respekt verschaffen sollen, ist das traurig, für Menschen, die der Polizei in dynamischen Situationen gegenüber stehen, gefährlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos