Dokumentarfilm „Planet of the Humans“: Kapitalismuskritik mit Fake-Facts

Michael Moores neuer Film behauptet, erneuerbare Energie sei kein Ausweg und die Ökos hätten sich mit den Reichen gemeingemacht. Stimmt das?

Der Filmmacher bei einer Wahlveranstaltung der Demokraten.

Hatte auch schon in der taz-Redaktion einen Auftritt: Filmemacher Michael Moore Foto: Carlo Allegri/reuters

Die zentrale Aussage des Films spricht der Regisseur nach einer Stunde und 23 Minuten aus dem Off: „Die Übernahme der Umweltbewegung durch den Kapitalismus ist nun komplett“, sagt Jeff Gibbs mit monotoner Stimme. Der Film zeigt eine Luxusvilla, Jachten, lachende Superreiche. Dann geht es weiter mit Bildern von Umweltschützern, die lächelnd Schecks von Firmen annehmen und ihre Sponsoren preisen. Davor und danach: Sequenzen von qualmenden Bioenergie-Fabriken, Naturzerstörung für Rohstoffe in Solaranlagen, sterbenden Orang-Utans und Umweltschützern, die ahnungslos sind oder kritischen Fragen ausweichen.

Der Film „Planet of the Humans“ sorgt in der Umweltbewegung der USA für Aufregung und bei ihren Gegnern für Freude. Regisseur Jeff Gibbs und Produzent Michael Moore nehmen sich darin die „grüne Energie“ vor. Ihr Fazit: Auch mit Ökostrom werden wir nicht die Welt retten. Denn die Umweltschützer von einst hätten sich mit den Reichen gemeingemacht und propagierten ein grün angestrichenes „Weiter so“, das die Ökosysteme kollabieren lasse. Das Kapital habe „die Kontrolle über die Umweltbewegung übernommen“, heißt es. „Es ist nicht das CO2, das den Planeten zerstört – es sind wir Menschen.“

Gibbs und Moore haben den 100-Minuten-Film angelegt wie andere Streifen des Oscar-Preisträgers wie „Bowling for Columbine“, „Roger and Me“ oder „Fahrenheit 9/11“: Beeindruckende Bilder von Umweltzerstörungen, kurze Interviews, die Verantwortliche schlecht aussehen lassen, AktivistInnen, die sich beschweren, Fakten und Daten, die kaum zu überprüfen sind. Der Streifen wurde am 21. April, dem in den USA groß gefeierten Umwelttag „Earth Day“, für 30 Tage kostenlos auf Youtube gestellt. Bisherige Aufrufe: 5,6 Millionen.

Der Erzähler Gibbs begibt sich in dem Werk auf eine Reise zu den Standorten von Ökoenergien – und staunt als selbst erklärter Umweltschützer darüber, wie dreckig diese sind: Große Minen zerstören für Grundstoffe die Landschaft, Solarparks müssen mit Gas angefeuert werden, Elektromobile fahren mit Kohlestrom, große Waldflächen werden für Biomasse gerodet, die Verbrennung von Holz verdreckt die Luft, fossile und nukleare Kraftwerke sichern die Grundlast für Erneuerbare.

Und: „Ökoenergien“ sind ein großes Geschäft, an dem auch Konzerne wie General Electric, Holzfirmen, Ölkonzerne und Banken verdienen, oft als Sponsoren der US-Umweltverbände wie des Sierra Club, des Environmental Defense Fund oder Nature Conservancy. „Erneuerbare ersetzen die fossilen Brennstoffe nicht“, sagt ein Experte. „Es wäre besser, sie direkt zu verbrennen. Wir werden hier mit einer Lüge gefüttert.“

Rockkonzerte ohne Solarpanels

Diesem Vorwurf setzen sich aber auch die Filmemacher aus. Denn das Werk hantiert häufig mit Halbwahrheiten, die die Fakten verkürzen und verdrehen oder Skandale sehen, wo keine sind. Er erwähnt nicht, dass die Umweltbilanz von E-Autos über ihren Lebenszyklus und mit immer mehr Ökostrom besser wird als die der Verbrenner. Er regt sich darüber auf, dass eine Tesla-Fabrik (Ziel: 100 Prozent Erneuerbare) doch noch einen Stromanschluss ans Netz bekommt oder dass Rockkonzerte der Ökobewegung nicht mit Solarpanels betrieben werden.

Er stellt Solarparks vor, die deutlich weniger Ertrag und deutlich höhere Kosten haben als üblich. Er polemisiert, seit 2010 sei „der Einsatz fossiler Energie in den USA gestiegen“ – und verschweigt, dass die CO2-Emissionen trotzdem sinken, weil Gas Kohle ersetzt. Er führt Deutschland als Beispiel an, dass auch hier die Erneuerbaren kaum zum Energiemix beitrügen und sich dann vor allem auf die Verbrennung von Holz konzentrierten – und operiert dabei mit alten und falschen Daten. Und er präsentiert einen Autor und Dozenten als Hauptzeugen, Ozzie Zehner, der sich im Abspann als Koproduzent zu erkennen gibt.

KlimawissenschaftlerInnen, unabhängige ForscherInnen oder die angegriffenen Vertreter der Ökoverbände, allen voran Bill McKibben von 350.org, kommen zu den Vorwürfen dagegen nicht zu Wort. Die Machart erinnert damit an die Polemik der „Klimawandelleugner“, die Gegenargumente ausblendet und Fakten nur anführt, wenn sie die eigene These stützen. Aus diesen Kreisen kommt auch schon Lob für den Film, den „die Umweltbewegung fürchtet“, wie es heißt.

Umweltszene debattiert lange vor dem Film

Dabei sind viele der Fragen, die „Planet of the Humans“ anspricht, in der Umweltszene der Vereinigten Staaten durchaus umstritten: Wie grün „Bioenergie“ wirklich ist, wie sehr das Ökoengagement der Industrie im „Greenwashing“ endet, ob sich die Verbände ihren Sponsoren von der Wall Street zu sehr an den Hals werfen, wurde auch schon vor dem Film mit Leidenschaft in der Umweltszene debattiert.

Trotzdem regt sich Kritik, die als kostenlose Werbung für den kostenlosen Film wirkt: Die linke Webseite „Films For Action“, die ihn ursprünglich bewarb, veröffentlichte einen kritischen Faktencheck der Filmemacher Josh Fox („Gasland“). Und Klimawissenschaftler wie Michael Mann fordern in einem offenen Brief von den Machern, den Film zurückzuziehen und sich zu entschuldigen, weil er „auf Fehlinformationen und nicht auf Wahrheit“ beruhe.

Für Regisseur Gibbs geht die Rechnung auf: „Wir wollten diese Diskussionen lostreten“, rechtfertigt sich in einem Interview mit dem US-Fernsehsender Hill TV. „Wir haben auch nicht alle Antworten.“ Sein Kollege Michael Moore meint im gleichen Interview, die Arbeit sei eine „Warnsirene“, sie seien schließlich selbst Teil der Ökobewegung. „Aber wenn die Umweltbewegung mit den Großkonzernen im Bett liegt, dann müssen gerade ihre Freunde ihr sagen: Ihr verbockt es gerade.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.