Dokumentarfilm „Generation Wealth“: Geld und was es anzustellen vermag
Lauren Greenfields Dokumentarfilm „Generation Wealth“ zeigt Wohlstandsschicksale und wagt zugleich den Blick auf ihre eigene Arbeitssucht.
Ziemlich spät in Lauren Greenfields Dokumentation „Generation Wealth“ stellt jemand die Frage: „What’s my purpose?“ Da hat man schon eine Menge Beispiele dafür gesehen, womit sich Menschen diesen potenziell Sinn einleitenden Moment vom Leib zu halten versuchen. Einige Zigarren wurden angesteckt. Körper aufgeschnitten. Tränen sind geflossen. Lauren Greenfield präsentiert schales Glück und ganze Lebensabschnitte, die Individuen auf dem Holzweg verbracht haben.
Das aktiviert einen recht starken Voyeurismus. Denn irgendwie ist es doch spannend, dieses sauteure Elend zu sehen. Einen Multimillionär etwa, dem das Wasser in die Augen schießt, wenn er von einem Abendessen mit seiner Frau berichtet, die, nachdem er ihr ein ganzes Arsenal an Yachten unterbreitet hatte, nur darum bat, einen ungestörten Abend ohne Telefon mit ihm verbringen zu dürfen. Kaum zu fassen. Alles auf der Welt könnte er ihr kaufen. Und dann will sie doch nur ihn.
Der sehr, sehr reiche Mann heißt Florian Homm. Und er sagt von sich, die Figur des Börsenspekulanten Gordon Gekko in Oliver Stones „Wall Street“ (1987), das sei er gewesen. Neben dem Geldhimmel teilen beide auch die Erfahrung, im Gefängnis gewesen zu sein. Heute scheint es Homm weitestgehend gut zu gehen. Tatsächlich hat er es vergleichsweise prächtig erwischt.
Anders als eine Mutter im Film, die sich auf Pump Geld lieh, um in Brasilien ihren Körper verschönern zu lassen. Die hat jetzt zwar größere Brüste, eine kleinere Nase und einen strafferen Bauch – lebt aber seit geraumer Zeit komplett überschuldet in ihrem Auto. Abenteuer Kapitalismus.
Das Ende der Menschheit naht
Fällt eines auf in Greenfields Menschen- und Wohlstandsporträt, dann ist es vielleicht die Beobachtung, dass die meisten am Ende doch wieder genau dort landen, von wo sie einmal gestartet waren. Mit einem aufregenden Schlenker dazwischen sind die, die vorher reich waren, auch reich geblieben. Und die, die zuvor nichts hatten, stehen letztlich mit noch weniger da.
„Generation Wealth“. Kinostart: 31. Januar 2019. Regie: Lauren Greenfield. USA 2018, 106 Min.
Den einzig einigermaßen steten Karriereweg des Films hat Lauren Greenfield selbst genommen. Denn „Generation Wealth“ handelt auch von ihr. Im Grunde vielleicht sogar mehr, als Greenfield sich das eingestehen würde. Alle, denen man zwischen Moskau und Schanghai, East und West Coast begegnen kann, sind gewissermaßen alte Bekannte der Fotografin. Seit den frühen Neunzigern ist Geld und was es anzustellen vermag das große Sujet der US-Amerikanerin.
„Generation Wealth“ lautet folglich auch der Titel des Bildbandes, der für um die fünfzig Euro zu erstehen ist und dessen frische Seiten Greenfield im Film in einer asiatischen Druckerei begutachtet. Darin: Überprivilegierte Teenager in L. A., die einem Roman von Bret Easton Ellis entsprungen sein könnten (tatsächlich taucht Ellis im Film auf), oder Familie Siegel, der Greenfield bereits 2012 den Film „The Queen of Versailles“ widmete.
Eigentlich ist „Generation Wealth“ ein großes Zusammenziehen der Maschen. Denn auch auf „Thin“ (2006) referiert der Film, und in ihm ging es Greenfield nicht um das Zeigen von Geld, sondern von Essgestörten. „Generation Wealth“ wiederum wagt neben der Schau auf allerhand Schicksale den Blick auf die eigene Arbeitssucht der Regisseurin, die ihr die eigenen Kinder auch umgehend bestätigen.
Und dann ist sie plötzlich da, die große Erkenntnis: Könnte denn all dies miteinander zusammenhängen? Ist die entfesselte Kapitalkraft lediglich der Multiplikator (und bedauerlicherweise auch Hoffnungsträger) einer viel tiefer gehenden Trübnis? Das macht einen schlüssigen Anschein, spektakuläre Bilder produziert es obendrein. Getoppt wird die Dramatik eigentlich nur noch von einer Prophezeiung, der sich „Generation Wealth“ mit musikalisch düsterer Untermalung hingibt: Das Ende der Menschheit, des Planeten naht.
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