Bret Easton Ellis' neuer Roman: Neues vom König der Kälte
Bret Easton Ellis ist der Fachmann für die Installation des Grauens hinter glitzernder Fassade. Nun erscheint sein siebter Roman "Imperial Bedrooms".
Und wie verkommen sind Sie? Auf der Website, mit der ein amerikanischer Verlag den neuen Roman von Bret Easton Ellis bewirbt, kann man das testen. Angelehnt an eine Szene aus "Imperial Bedrooms" sieht man auf www.thedevilinyou.com eine Sequenz von einem Casting mit einer jungen blonden Schauspielerin.
Per Mausklick kann man entscheiden, was die Schauspielerin als Nächstes machen soll. "Make her dance" oder "Give her booze" heißen die Optionen oder auch "Make her strip". Danach wird bewertet. "Your conscience won in the end" ist so ziemlich das positivste Ergebnis, was man erreichen kann, ab 95 Prozent heißt es: "You are dead inside".
Schwer zu sagen, ob dieses Spielchen bei einem anderen Autor mehr wäre als eine nette Idee. Bei Ellis bekommt es unweigerlich etwas Unheimliches. Zum einen mag es sich dabei um das grundsätzliche Unbehagen handeln, das einen bei Ellis überkommt. Schließlich hat er mit Patrick Bateman, dem bestialisch mordenden Börsenmakler aus "American Psycho", das Grauen hinter den blanken und glitzernden Fassaden in die Welt gesetzt.
Vor allem aber rührt es daher, dass Ellis die Korrespondenzen zwischen seinen Büchern, mehr noch aber die Korrespondenzen zwischen seinen Romanen und seinem eigenen Leben in den letzten Jahren immer undurchschaubarer hat werden lassen und geradezu unentwirrbar verstrickt hat. Und das so, dass der Verdacht aufkommen lassen könnte, auch für ihn selbst sei die Grenzziehung zwischen sich und seinen Figuren zunehmend durchlässiger geworden. Deshalb bekommt auch die Marketing-Idee in ihrer Snuff-Film-Ästhetik diesen düsteren Hauch von Echtheit.
Selbst in der dritten Runde hat einen das Gefühl noch nicht verlassen, dass man mit dem nächsten Klick doch etwas Unkontrollierbares in Gang setzen könnte. Vermutlich ist gerade diese Suggestion das Geheimnis des Erfolgs von Bret Easton Ellis.
"Imperial Bedrooms" ist eine Fortsetzung seines Debüts "Unter Null", dem Coming-of-Age-Roman über den reichen, gefühlskalten Studenten Clay, den Ellis angeblich innerhalb kürzester Zeit im Drogenrausch geschrieben hat - als Abschlussarbeit eines Creative-Writing-Kurses übrigens - und der den damals erst 21-Jährigen schlagartig berühmt machte.
Wiederum, wie bei "Less than Zero", ist auch in Ellis neuem Roman Elvis Costello Namenspatron für den Titel. Clay und seine, nun ja, Freunde aus der Filmschickeria Hollywoods sind inzwischen erwachsen geworden, glücklicher geworden sind sie nicht. Sie fahren immer noch mit teuren Autos durch die Gegend, stehen immer noch auf langweiligen Partys um den Pool herum, ziehen eine Line durch und schenken sich einen Drink nach dem anderen ein. Nur dass man ihnen jetzt hin und wieder ins leere oder geliftete Gesicht blicken kann, wenn das vom Display ihres Handys in bläuliches Licht getaucht wird.
Fast erscheint "Imperial Bedrooms" wie eine Versuchsanordnung, in der Ellis seinen Ich-Erzähler Clay äußerlich noch einmal ein ganz ähnliches Szenario durchspielen lässt wie vordem.
"Unter Null" erzählt von den vier Wochen, in denen Clay während der Weihnachtsferien vom College aus wieder nach L. A. kam. Auch "Imperial Bedrooms", das in der deutschen Übersetzung unter dem Originaltitel erscheint, beginnt mit einer Ankunft, und wieder ist es um Weihnachten herum - diese Tage, in denen mehr denn je die Sehnsucht nach ein wenig menschlicher Empathie umgeht.
Mehrere Jahre hat Clay, der inzwischen Drehbuchautor ist, in New York gelebt, nun kehrt er zurück nach L. A. und in seine alten Kreise. Aber während er als Collegestudent wenigstens noch in ein wenngleich deprimierendes Zuhause kam, versetzt Ellis ihn und mit ihm den Leser ein Vierteljahrhundert später sogleich in ein veritables David-Lynch-Setting. Clay steht in seinem sterilen Luxus-Apartment und bekommt SMS von einer unterdrückten Nummer, die ihn unterschwellig bedrohen.
Schon vom Flughafen scheint ihm ein Wagen gefolgt zu sein. Nun gibt es jedes Mal, wenn er sein Apartment verlassen hat, Hinweise darauf, dass jemand in seiner Abwesenheit da gewesen ist: Sachen sind verrückt oder der Computer ist angeschaltet. Die Wohnungstür aber ist verschlossen, und der Portier, an dem alle Besucher und Bewohner vorbei müssen, will niemanden bemerkt haben.
Aber das Unheimliche bei Ellis erschöpft sich nicht in der einfachen Suspense, auch wenn das Buch zusehends zum Thriller wird. "Sie hatten einen Film über uns gemacht", lautet der erste Satz von "Imperial Bedrooms".
"Der Film basierte auf einem Buch, das jemand geschrieben hatte, den wir kannten." Bereits auf der darauffolgenden Seite beginnt sich das, was zunächst wie ein simpler Hinweis auf "Unter Null" ausgesehen hat, eigenartig zu verdrehen, wenn es über die Beziehung zwischen Blair, Clays Freundin, Autor und Erzähler heißt: "Weil der Autor ihre Liebe nie so richtig erwidern konnte, weil er zu sehr in seiner Passivität gefangen war, um die Beziehung zu ihr aufzubauen, die sie brauchte, hatte sie sich auf mich eingelassen, aber da war es bereits zu spät, und weil der Autor nicht damit klar kam, dass sie sich auf mich eingelassen hatte, wurde ich zu dem gut aussehenden, verwirrten Erzähler, der unfähig ist, Liebe oder auch nur Zuneigung zu empfinden."
Das geht schon ein Stück hinaus über einen einfachen intertextuellen Dreh. Und die Korrespondenzen und Überblendungen gehen immer noch weiter und reichen auf irritierende Weise in die Realität herein. Auch Ellis selbst ist vor einigen Jahren von New York nach L. A. gezogen, eine Stadt, über die er sagt, dass man in ihr nur einsam sein kann. Das Apartment, in dem er Clay leben lässt, ist originalgetreu seinem eigenen nachempfunden. Dass Clay in dem Film lebe, den er schreibt, sagt Ellis in einem Interview über seinen Ich-Erzähler, das sei sein Problem. Die Frage ist, ob das nur das Problem der Figur ist.
Neu ist diese Verschneidung von Realität und Romanwelt nicht. Ellis letzter Roman "Lunar Park" von 2006 ist voll authentischer Bezüge. Hauptfigur ist kein anderer als ein Autor namens Bret Easton Ellis, der von einem Mann namens Patrick Bateman verfolgt wird. Wie um dieses Spiel mit Authentizität und Fiktion zu ihrem Höhepunkt zu treiben, erzählte Ellis in den letzten Monaten in Interviews wiederholt, er habe angesichts der Skandale, die es um die Gewaltexzesse in "American Psycho" gab, lange Zeit ungenau über die Entstehungsbedingungen des Buches gesprochen, die ihn zum Kult- und zugleich zu einem der umstrittensten und meistgehassten Autoren unserer Tage gemacht haben.
Immerzu habe er auf das Fiktionale hingewiesen, auf die Film- und Modezeitschriften, durch die er sich habe inspirieren lassen. Tatsächlich sei es anders gewesen. "It starts on me", sagt Ellis nun und dass er mit vielen Ansichten und Gefühlen Batemans übereinstimme.
Solcherart Bekenntnisse, wenn es sich denn nicht nur um eine bewusst arrangierte Neujustierung des Autor-Images handelt, haben etwas Irritierendes. Gerade deshalb, weil Ellis Kultstatus nicht zuletzt in seiner Anpassung an die Kälte des Milieus bestanden hat, über das er schrieb. Auch wenn er ihre Abgründe zeigte, war Ellis doch immer selbst der idealtypische Vertreter dieser nihilistischen High Society.
Auch in Clay scheint mehr Bateman zu stecken als noch vor 25 Jahren, als er kaum je anders war als unbeteiligt, gegen Zuwendung genauso wie gegen Gewalt. Apathisch, gelangweilt.
Nun, ein Vierteljahrhundert später, ist Clay zum Leben erwacht, was allenfalls wie ein Fluch klingen kann in diesem Kontext. Als gewalttätiger und paranoider Drehbuchschreiber vollzieht er rücksichtslos und zugleich voller Hilflosigkeit das ewige Gesetz Hollywoods: die Ausbeutung.
Sein Objekt ist Rain, eine junge Schauspielerin, die er bei einem Casting für einen seiner Filme kennenlernt und die er mit Versprechungen auf eine Rolle an sich binden will. Vermutlich gerade wegen ihrer vollständigen Gesichts- und Charakterlosigkeit ist die blonde, vollkommen untalentierte Frau genau der Mensch, mit dem Clay meint es aushalten zu können. Und nicht nur er.
Genau dieses personifizierte Nichts wird zum Zentrum, um das die verstörende Gewalt kreist, die auch beim siebten Ellis-Roman nicht leichter zu ertragen ist. Symptomatisch ist der Satz, mit dem "Imperial Bedrooms" endet. Vor allem aber ist er derart schmerzvoll und grausam, dass man nur wünschen kann, dass er so wenig wie möglich mit der Realität zu tun hat, weder mit der des Autors noch mit der des Erzählers: "Ich habe nie jemanden gemocht und ich habe Angst vor allen."
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