Diskussion um Wandbild in Hannover: Heikle Kurven
Künstler*innen haben den Aktienkurs des Wohnungskonzerns Vonovia auf eine Hauswand gemalt. Der will das nicht so stehen lassen.
„Stresstest für kapitalistische Botschaften“
Ein sechs Meter breites, 34 Meter hohes Wandbild, darauf eine Bergkulisse, aus deren Konturen dann im rechten Drittel eine zackige Kurve wird; der Aktienkurs des Wohnungskonzerns Vonovia, dessen Name auch ganz oben an der Hauswand zu lesen ist, genauer: So viel vom Wort „Vonovia“, wie auf zwei Drittel der Wand passen.
Entstanden ist das Bild im Rahmen des „sozial und ökologisch motivierten“ Street-Art-Festivals „Hola Utopia!“, das Ende August zum zweiten Mal stattfand. Bemalt hat die Hochhauswand das Berliner Kollektiv Cuadro Frezca: Man wolle „eine Brandwand, die wie jede andere als latente und omnipräsente Oberfläche für kapitalistische Botschaften fungiert, einem Stresstest unterziehen“, erklären die vier dahinterstehenden Künstler-Aktivisten; „ein mehrdeutiges Statement“, das Fragen wie den „Hyperindividualismus“, das Privateigentum und die soziale Teilhabe berühre.
Der Hannoverschen Allgemeinen gegenüber erklärten zwei der vier, der Dramaturg Aljoscha Begrich und der Künstler Jo Preußer, sie hätten „einen kritischen Beitrag“ beisteuern wollen zu dem Festival mit all seinen „netten, bunten Motiven“. Im Gespräch mit der taz sagt Begrich: „Es geht uns nicht um Kunst und Kunstfreiheit, sondern um den Mietenwahnsinn und wie mit dem Wohnen Profit gemacht wird.“ Hat der Wohnungsriese eben daran Anstoß genommen? Vonovia wolle das Wandbild „zensieren“, teilte Cuadro Frezca jedenfalls in dieser Woche mit: Es habe ein Gespräch gegeben, so Begrich zur taz, „und diese anderthalb Stunden endeten mit der Botschaft: Das Bild werde nicht so bleiben.“
Vonovia betont Dialogbereitschaft
Dass der Konzern entschieden hätte, das Bild zu übermalen, bestätigt Sprecher Matthias Wulff gegenüber der taz nicht: „Wir wollen den Dialog. Wir haben deshalb Gespräche gesucht – mit den Künstlern, mit den Organisatoren und auch mit den Menschen im Quartier, und wollen das fortsetzen. Alles Weitere entscheiden wir nach diesen Gesprächen.“ Das Street-Art-Festival habe habe man gerne unterstützt, „weil uns an Vielfalt und einem guten Zusammenleben im Quartier vor Ort im Roderbruch gelegen ist“.
Begrich wiederum sagt, er könne sich nur eine einzige Veränderung des Bildes vorstellen: „Wenn sich das damit illustrierte Geschäftsgebaren ändert.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid