piwik no script img

Diskussion über BodenspekulationsabgabeWalter-Borjans sorgt für Erregung

Die SPD schlägt eine Abgabe vor, die Bodenspekulation unattraktiv machen soll. Neu ist die Idee nicht. Aber Union, FDP und AfD empören sich kräftig.

Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken machen sich in der Immobilienbranche keine Freunde Foto: reuters

Berlin taz | Will die SPD schon wieder den Arbeitern ihre Villen im Tessin wegnehmen? Eine Interviewäußerung von Nobert Walter-Borjans sorgt für heftige Reaktionen. „Neben einem Ausbau des kommunalen Wohnungsbaus sollten wir auch den extremen Wertzuwachs von Grund und Boden in Deutschland ein Stück weit abschöpfen – etwa mit einer Bodenwertzuwachssteuer“, hatte der neue SPD-Vorsitzende gesagt. Nun ist die Empörung groß.

„Mit diesem Unwort will die SPD bei Grundbesitzern kassieren“, titelte die Bild-Zeitung. „SPD: Funktionäre gegen Arbeiterklasse“, twitterte der rechtsgestrickte Ex-Wirtschaftswoche-Chefredakteur Roland Tichy. Auf Twitter brannten auch zahlreiche Politiker von FDP bis AfD geradezu ein Erregungsfeuerwerk ab. Um nur zwei Beispiele aufzuführen: „Das ist Politik gegen die Mitte und gegen Chance auf Eigentum“, echauffierte sich FDP-Chef Christian Lindner. „Die Sozialisten sind ganz verrückt danach, das bisschen Wohlstand, welches sich fleißige Menschen erarbeitet haben, zu stehlen“, ereiferte sich der Berliner AfDler Harald Laatsch.

Auch der Koalitionspartner zeigte sich verstimmt. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Sebastian Steineke zitierte Adenauer: „Das Einzige, was Sozialdemokraten von Geld verstehen, ist, dass sie es von anderen Leuten haben wollen.“ Sein Fraktionskollege Matthias Hauer giftete: „Was Sozis am besten können: neue Steuern erfinden.“ Wer sich auch aus der CDU oder der CSU äußerte, die Botschaft war stets dieselbe: Mit der Union werde es so etwas nicht geben.

Als „geradezu absurd“ bezeichnet SPD-Parteivorstandsmitglied Gustav Adolf Horn die Aufregung. „Da werden einfach Klischees gepflegt“, sagte der Wirtschaftswissenschaftler, der bis zum vergangenen Jahr das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) geleitet hat, der taz.

Der Vorschlag von Walter-Borjans entspreche dem Beschluss zur Wohnungspolitik, den die SPD auf ihrem Parteitag im Dezember gefasst habe, so Horn. Von einer Besteuerung von Hausbesitzern über die Grundsteuer hinaus sei dabei nie die Rede gewesen. „Es geht um eine Planungswertabgabe, die einmalig erhoben wird, wenn sich der Grundstückspreis durch Ausweis als Bauland vervielfacht“, erläutert Horn.

Der Gedanke einer Steuer gegen Bodenspekulation stammt aus der Kaiserzeit

Betroffen wären also nur Grundstücksbesitzer, deren zuvor brachliegendes Grundstücksfläche ohne eigenes Zutun durch kommunale Planung massiv an Wert gewonnen hätte. Und fällig würde die Abgabe auch nur bei einem Verkauf. Damit soll Kommunen ermöglicht werden, den leistungslosen Wertzuwachs von Grundstücken abzuschöpfen. „Preiswertes Wohnen geht nur, wenn die Grundstücksspekulation eingedämmt wird“, ist Horn überzeugt. Und er fügt hinzu: „Der Gedanke ist beileibe nicht neu.“

Tatsächlich ist der Gedanke sogar uralt. Ein eigenes Gesetz gab es dafür auch bereits einmal: das „Zuwachssteuergesetz“, verordnet von Kaiser Wilhelm II. im Jahr 1911. Danach wurde beim Übergang des Eigentums an inländischen Grundstücken „von dem Wertzuwachse, der ohne Zutun des Eigentümers entstanden ist, (…) eine Abgabe (Zuwachssteuer) erhoben“. Diese Bodenwertzuwachssteuer bestand es auch zu Zeiten der Weimarer Republik. Abgeschafft wurde sie erst in der Nazi-Zeit. Auch nach Gründung der Bundesrepublik wurde sie nicht wieder reaktiviert.

Auf Initiative des damaligen Münchner Oberbürgermeisters Hans-Jochen Vogel machte die SPD vor der Bundestagswahl 1972 die Problematik der Bodenspekulation wieder zu einem Wahlkampfthema. Zu ihren Forderungen gehörten unter anderem, dass Grundstückseigentümer, deren Land „schon durch die bloße Aussicht auf eine zukünftige bessere Ausnutzbarkeit ohne Leistung der Eigentümer oft um ein Mehrfaches der Ausgangswerte“ teurer wird, diesen Vermögenszuwachs als „Planungswertausgleich“ an das Finanzamt abführen sollten. Auch jede außergewöhnliche sonstige „leistungslose Wertsteigerung“ sollte durch eine Bodenwertzuwachssteuer laufend abgeschöpft werden.

Die Pläne scheiterten letztlich jedoch am Koalitionspartner FDP und dem Widerstand der Union im Bundesrat. Danach verlor die SPD für lange Zeit das Interesse an dem Thema.

Etwas abgeschwächt greift die SPD nun ihre alten Forderungen wieder auf. Spritus Rector ist dabei erneut Hans-Jochen Vogel. Unter dem Titel „Mehr Gerechtigkeit!“ hat der mittlerweile 93-jährige frühere SPD-Vorsitzende im Herbst vergangenen Jahres ein flammendes Manifest für eine neue Bodenordnung vorgelegt.

Darin beklagt Vogel die „unheilvolle Entwicklung“ stetig steigender Baulandpreise, die er als „ganz wesentliche Ursache der Mietpreissteigerungen“ identifiziert hat. Denn dadurch habe sich der Wohnungsbau dramatisch verteuert. Als Beispiel führt er seine Heimatstadt München an, wo die Baulandpreise seit 1950 um 39.390 Prozent gestiegen sind und heutzutage beim Wohnungsbau 79 Prozent der Kosten auf den Grundstückskauf und nur noch 21 Prozent auf die Baukosten entfallen.

„Die Tatsache, dass der Grund und Boden bis heute den Marktregeln und eben nicht den Vorgaben des Allgemeinwohls entspricht, hat zu schweren Fehlentwicklungen geführt: einem dauernden Anstieg der in Wohnungsnot geratenen sozial Schwächeren und einem ebenso andauernden Anstieg der leistungslosen Bodengewinne“, konstatiert der sozialdemokratische Altvordere.

Als Gegenmaßnahmen schlägt Vogel unter anderem eine Streichung der Spekulationsfrist von zehn Jahren und einen „Planungswertausgleich“ vor, mit der die „leistungslosen Gewinne“ der Grundeigentümer zugunsten der Gemeinden abgeschöpft werden können. Auch sollten Kommunen sich darum bemühen, Grund und Boden zuzukaufen und grundsätzlich auf den Verkauf von Grundstücken verzichten.

All das findet sich auch in dem vierzehnseitigen Beschluss des SPD-Parteitags vom Dezember wieder – neben zahlreichen anderen Forderungen wie der nach einem fünfjährigen Mietenmoratorium in Städten mit angespanntem Wohnungsmarkt. Eine Realisierungschance haben solche Vorschläge allerdings unter den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen weiterhin nicht. Das räumt auch SPD-Vorständler Horn ein. „Aber es stehen ja in knapp zwei Jahren Wahlen an.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Auch ich habe mich zunächst über den Vorschlag, wie dieser in den meisten Medien (wie im 1.Absatz des Artikels) sinnentstellend kommuniziert wurde, höllisch aufgeregt. Nur bei SPON, wie auch hier im 6.Absatz, wird die tatsächliche Forderung wahrheitsgemäß kolportiert.



    Ich kann mich dehalb dem Eindruck einer gezielten Medienkampagne gegen die Beiden nicht erwehren (und ich bin kein SPD Wähler).



    Es ist richtig, wenn sich der Wert für Ackerland von 2 bis 10 Euro durch einen Bebauungsplan auf 100 bis 2400 Euro für Bauland erhöht, diesen (Millionen-) Gewinn beim Verkauf der Grundstücke dann auch als Einkommen zu versteuern.

  • Der Fiskus besteuert schon umfänglich denn Wert bzw. Wertzuwachs von Grund und Boden, sowohl in der Substanz (Grundsteuer) als auch beim Verkauf (Grunderwerbsteuer, in Einzelfällen auch über die Umsatzsteuer), darüber hinaus deren Ertragswert (Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) und den Wertzuwachs bei einer Veräußerung innerhalb von 10 Jahren (§ 23 EStG). Man könnte darüber nachdenken, die Spekulationsfrist von 10 Jahren für unbebaute Grundstücke (nicht für bebaute Grundstücke) auf zum Beispiel 25 Jahre anzuheben. Alles andere ist Nonsens.

  • Danke SPD mal wieder am Ziel vorbei.



    Ich bin eue Zielgruppe, untere Mitelschicht, Familie mit bald drei Kindern, Arbeiter, Nicht genug Kapital für ein eigenes Haus, werden wohl Lebenslang Mieter bleiben.



    Aber ich habe investiert, ein Stück Garten/Ackerland gekauft für 20k. Genau zwischen zwei Orten, die langsam aber sicher zusammen wachsen werden. In der Hoffnung irgendwann Bauland zu haben. Vielleicht nicht mehr für mich, aber zumindest für die Kinder.



    Ich bin kein Spekulant, kein Investor, niemand der sich bereichern will. Zahlen werde ich wohl müssen. Andere werden wieder Schlupflöcher finden.

  • Warum sollen Wohnungen bzw. Mieten günstiger werden, wenn das Finanzamt eine Steuer erhebt? Da fehlt doch ein Stück Denkweg.



    Außerdem wäre ggf. interessant ob bekannt ist, dass Gemeinden ein Geschäft daraus machen mit ausgewiesenen Wohngebieten per Umlage den Wert der eigenen Flächen zu verteuern? Steuerpflicht dann auch hier?



    Ist zudem bekannt, dass in Sanierungsgebieten der berechnete Mehrwert der FLäche auch an die Anwohner umgelegt wird? Und zwar ohne Widerspruchsmöglichkeit, und der dann, zumindest mein Wissensstand, steuerlich nicht geltend gemacht werden kann, letztlich eine Umlage die sich in höhere Mieten wandeln wird.



    Ich kann mich nur wundern wie oft der Ruf nach dem Staat ein Probleme lösen soll. Die SPD und auch die TAZ wären gut beraten erst mal zu prüfen welche Beiträge Grundbesitzer seit der Kaiserzeit ggf. neu umgelegt bekommen hatten bevor isoliert historisch argumentiert wird. Und überhaupt: Was soll eine Rückkehr zur Logik von Gesetzen von vor 120 Jahren? Stellen Sie sich vor derlei Argument würde zu anderen aktuellen Themen wie Arbeitszeit, Frauenrechte etc. bemüht. Wäre doch dann ziemlich absurd. “Früher war alles schlechter“ gilt bitte nach wie vor. Also weg damit, zumindest von dem ARgument, über alles andere kann man reden.

  • Für Empörung ist es eindeutig zu früh, WB hat keine Details geliefert. Weder wie das mit der aktuellen Steuerreform zum Grundbesitz zusammenpasst noch wie zwischen privater Anlage/Altersvorsoge und Spekulation differenziert werden soll.



    Über leere Worthülsen muss man sich nicht empören...über den misslungenen Start des SPD Duos schon eher, aber das kommt dann auch nicht überraschend.

    • @alterego:

      tja - so eine Forderung ohne Details und ohne Plan ist schon sehr ungeschickt.

  • Daß sich diese Abschöpfungssteuerpläne bereits in einem Beschluß des SPD Parteitages vom Dezember wiederfinden, macht die Sache nicht besser.

  • Die beiden Parteivorsitzend*innen bringen ja im Stundentakt neue (und dabei zum Teil ganz interessante) Ideen. Was man sich so den Tag über so zusammendenkt. Vermutlich werden wir den nächsten Monate noch mehr Unausgegorenes von den beiden hören.

    Den beiden sollte mal jemand sagen, dass sie als Verantwortungsträger (Vorsitzende einer Regierungspartei) etwas mehr abwägen müssen. Sonst kommt noch jemand auf die Idee, dass die SPD nicht mehr erst zu nehmen ist.

    • Pascal Beucker , Autor des Artikels, Inlandsredakteur
      @TazTiz:

      Haben Sie den Artikel, den Sie hier kommentieren, auch gelesen?

      • @Pascal Beucker:

        Falls wir in 4 Wochen noch etwas von diesem Vorschlag hören, werde ich - nach wiederholter Lektüre Ihres Artikels - reuevoll in mich gehen und meine hämische Kritik zurücknehmen. Vermutlich wird aber bis dahin noch ähnlich revolutionäres und schon oft vorgebrachtes von diesem Duo ventiliert werden. Am Ende soll doch nur der Eindruck entstehen, dass da jemand endlich was bewegen will. Futter für die Presse, mehr nicht.