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Digitale KlassengesellschaftMit der rosa Datenbrille am Pool

Das Netz sollte mal ein herrschaftsfreier Raum werden. Heute gibt es Grundbesitz, Pro­le­ta­rie­r:in­nen und Ausbeutung wie überall sonst.

Schon in dem Online-Game „Second Life“ aus den 2000ern konnte man mit Immobilien Kohle machen Foto: Linden Lab/Second Life/flickr

Neun Parzellen virtuelles Land für umgerechnet 1,5 Millionen Dollar – die wurden im Februar auf der Gaming-Plattform „Axie Infinity“ verkauft. Das Krypto-Game, das auf der Blockchain Ethereum läuft, ist eine Art virtuelles Fantasialand, wo man pokémonähnliche Monster züchtet und in Kämpfe schickt. Die Ma­che­r:in­nen des Spiels wollen „digitale Nationen“ bauen.

Es gibt mittlerweile eine Reihe solcher Spielewelten, wo Game­r:in­nen mit Kryptogeld und virtuellem Bauland spekulieren. So wurde in der Onlinewelt „Decentraland“ vor einigen Wochen ein Grundstück für umgerechnet fast eine Millionen Dollar veräußert.

Die Grundstückspreise steigen also auch im virtuellen Raum. Im Gegensatz zum physischen Raum sind Grund und Boden im virtuellen Raum jedoch keine begrenzte Ressource. Es gibt außerdem keine Bauvorschriften, keine Maklergebühren, keine Grunderwerbssteuer. Das macht virtuelle Immobilien zu einem attraktiven Anlageobjekt. Auf der Jagd nach schnellen Gewinnen kaufen Kryptofonds ganze virtuelle Landstriche auf. Schon in dem Onlinespiel „Second Life“ blühte der virtuelle Immobilienmarkt. Die Chinesin Ailin Gräf, die 2007 mit ihrem Avatar zehn Prozent des verfügbaren Lands besaß und von CNN als „Rockefeller von Second Life“ bezeichnet wurde, ist in dem Spiel zur Millionärin geworden.

Dass sich im virtuellen Raum solche – wenn auch instabilen – feudalen Strukturen etabliert haben (nichts anderes ist digitaler Großgrundbesitz), ist eine bemerkenswerte Entwicklung, schließlich war mit dem Internet die Utopie eines herrschaftsfreien Raums verknüpft. Das World Wide Web würde soziale Hierarchien einebnen, Güter dematerialisieren und Orte bedeutungslos machen, so die Hoffnung. Doch selbst die größten Utopisten glaubten nicht, dass der „Information Superhighway“ den Weg in eine klassenlose Gesellschaft ebnen würde.

Der Mensch bleibt billige Arbeitskraft

Die postmodernen Denker Arthur Kroker und Michael A. Weinstein entwickelten in ihrem Buch „Data Trash“ (1994) die Theorie einer „virtuellen Klasse“: Die neuen „Cyber-Kapitalisten“ würden mit „kriegsähnlichen Kommunikationsstrategien“ Güter an sich reißen und das Web kontrollieren. Insofern würden sich im Cyberspace die Strukturmerkmale kapitalistischer Gesellschaften bloß reproduzieren.

Es bedarf keiner Kühnheit zu behaupten, dass die GAFA-Konzerne (Google, Apple, Facebook, Amazon) den digitalen Raum kolonisiert haben: Milliarden Nut­ze­r:in­nen bestellen die digitalen Felder – man möchte fast sagen: Monokulturen – und bekommen für ihre unbezahlte Datenarbeit kostenfreie Dienste. Falls sich jemand wundert, warum man bei Google auf einem Bilderrätsel Fahrzeuge oder Ampeln erkennen muss, um zu beweisen, dass man kein Roboter ist: So werden die Bilderkennungsalgorithmen der Google-Schwester Waymo trainiert.

taz macht Klassenkampf

Deutschland gehört zu den reichsten Staaten der Welt – aber Wohlstand, Bildung, Gesundheit und Glück sind höchst ungleich verteilt. Wie wird die kommende Bundestagswahl die Weichen stellen für die Verteilungsprobleme? Wen wird es treffen, dass die öffentlichen Kassen nach der Pandemie leergefegt sind? Schaffen wir es, das Klima zu schützen und dabei keine Abstriche bei der sozialen Gerechtigkeit zu machen? Unter dem Motto „Klassenkampf“ widmet sich die taz eine Woche lang Fragen rund um soziale Gerechtigkeit.

Alle Texte hier.

Durch die Gig Economy ist ein neues Prekariat entstanden, das durch die Fortschritte der Robotik und künstlichen Intelligenz immer stärker unter Druck gerät. Eine ganze Armada von Click­wor­ke­r:in­nen schuftet in den Maschinenräumen der Tech-Konzerne: Sie kategorisieren Bilder und Videos, trans­kribieren Audiodateien oder sortieren den Müll. Nach Recherchen des Guardian beschäftigt allein Google rund 100.000 Zeitarbeiter:innen, die für den Kartendienst Google Maps Straßenzüge abfahren, Youtube-Filter trainieren oder Bücher scannen.

Die Tragik besteht darin, dass der Mensch noch immer die billigere Sortiermaschine ist. Doch die Frage, ob Click­wor­ke­r:in­nen eine Klasse im marxistischen Sinn bilden oder nicht doch viel mehr die Vasallen eines digitalen Feudalismus sind, erscheint diskussionswürdig.

Antikapitalistische Ansätze haben es schwer

Das konstitutive Merkmal einer Klassengesellschaft ist nach Marx das Eigentum: Es gibt die herrschende Klasse der Produktionsmittelbesitzer, Bourgeoisie und Adel, und die Klasse der Besitzlosen, das Proletariat, das außer seiner Arbeitskraft nichts hat. Die Produktionsmittel, mit denen heute Mehrwert generiert wird – Suchmaschinenalgorithmen zum Beispiel – stehen im Eigentum großer Konzerne. Und haben den Vorzug, dass sie immateriell sind.

Man kann den Google- oder Facebook-Algorithmus nicht wie einen Webstuhl zerstören, so sehr man manchmal Lust hätte, weshalb alle pauschal technikfeindlichen Anwandlungen ins Leere laufen. Auch der Gedanke, das Smartphone als Produktionsmittel zu bestreiken, erscheint verwegen – die Datenmaschinerie läuft ständig weiter. Nur, ihr Rohstoff gehört rein rechtlich niemandem – Daten sind nicht eigentumsfähig, sondern im Grunde herrenlose Sachen. Und wo es kein Eigentum (an Daten) gibt, kann es der marxistischen Theorie nach auch keine Klassen geben. Löst sich die Klassengesellschaft also in den Daten auf?

Die Musiktauschbörse Napster machte bis zu ihrer Zwangsschließung 2001 die mächtige Musikindustrie zu Besitzlosen – da es noch kein tragfähiges Geschäftsmodell gab, konnten die Plattenfirmen ihre Songs im Netz nicht zu Geld machen. Die Filesharing-Plattform zeigt ein zentrales Paradox im Kapitalismus auf: dass sich jenseits von Marktkräften funktionierende Tauschwirtschaften etablieren können. Der Ökonom Jeremy Rifkin argumentierte bereits 2000 in seinem Buch „Access – Das Verschwinden des Eigentums“, dass menschliche Beziehungen nicht mehr über Eigentum, sondern über Vernetzung strukturiert werden.

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Genau das war ja immer die Forderung von anarcholibertären Aktivist:innen: Niemand darf im Netz etwas besitzen! Texte, Bilder, Musik – das Internet gehört niemandem und jedem. Der Plattformökonomie ist es gelungen, sich mit dem Smartphone als Kollektivierungsmaschine den digitalen Gemeinschaftsbesitz doch noch anzueignen. Sie hat den Social-Commons-Gedanken kapitalisiert. In der Sharing Economy teilt man nicht nur Wohn­ungen und Autos, sondern auch Texte und Gedanken. Selbst ­Wikipedia, die letzte Bastion, die der kommerziellen und auch kulturellen Vereinnahmung widerstehen konnte, wird von Amazon als Trainings­material für seine Sprach­assistentin Alexa genutzt. Der Marxismus wird hier dialektisch umgekehrt: Die Abschaffung des Privateigentums, die Hand in Hand mit der Aufhebung der Privatsphäre geht, dient nicht der Schaffung, sondern der Aneignung von Gemeinschaftseigentum.

Vorsicht Utopie!

Um sich nicht dem Verdacht der Enteignung auszusetzen, gerieren sich die Tech-Konzerne als Treuhänder und ummanteln ihre Geschäftspraktiken zuweilen mit einer klassenkämpferischen Rhetorik. So gab es bei Google eine „Data Liberaton Front“, deren revolutionäres Logo eine zur Faust geballte Hand zierte. Die Botschaft: Wir befreien eure Daten!

Facebook baut derweil an einem „Metaverse“, das in der Romanvorlage von Neal Stephensons „Snow Crash“ auch die Geschichte einer Überwindung von Klassenstrukturen erzählt: Der Romanheld Hiro, der als Pizzakurier für die Mafia arbeitet, flieht aus der kapitalistischen Dystopie mit bank­rotter Regierung und galoppierender Inflation in die neue Welt des Metaversums, wo er ein schönes Haus besitzt. Wo das Versprechen von sozialem Aufstieg in den Industrienationen brüchig geworden ist, kann es in der virtuellen Realität eingelöst werden. Künftig könnten wir uns mit unserer Datenbrille mit unseren Avataren in dieses Paralleluniversum einklinken, Partys feiern und arbeiten. Im Metaversum gibt es keine Klassen, keine Konflikte, keine Kriminalität. Jeder kann nach seiner Fasson glücklich werden.

Doch so verlockend diese Utopie auf den ersten Blick erscheint, so sehr drängt sich der Verdacht auf, dass soziale Probleme in der Matrix einfach wegprogrammiert werden. Wo man sich zur Arbeit teleportiert, sieht man keine Bettler oder Plakate am Straßenrand. Mit der rosaroten Datenbrille auf dem Kopf im Infinitypool seiner virtuellen Villa paddelnd merkt man auch nicht, dass man in einer viel zu kleinen und teuren Wohnung lebt. Dieser Derealisierungseffekt spielt letztendlich denen in die Hände, die mit für soziale Missstände wie Armut, Wohnungsnot und Obdachlosigkeit mitverantwortlich sind: die Tech-Konzerne.

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16 Kommentare

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  • sehr interessanter Artikel, allerdingszu



    "m Gegensatz zum physischen Raum sind Grund und Boden im virtuellen Raum jedoch keine begrenzte Ressource."

    Wenn es keine begrenzte Ressource gibt, kann sich auch keiner bereichern. Speicherplatz in Servern sind aber begrenzt.

    "Daten sind nicht eigentumsfähig, sondern im Grunde herrenlose Sachen." Die Daten gehören demjenigen, der sie erstellt hat und andere dürfen gerne dafür bezahlen (gibt es auch schon Initiativen)

    "Im Metaversum gibt es keine Klassen, keine Konflikte, keine Kriminalität." Guter Ansatz, aber der Konflikt ensteht ja schon - Plattformbetreiber hat macht, ich will sie.

  • Ein sehr bemerkenswerter Artikel. Hut ab!

  • Jahrhundertelang hat die Menschheit davon geträumt, Replikatoren zu haben, mit denen man einmal erstellte Objekte beliebig kopieren kann.

    Mit digitalen Objekten ist dieser Traum technisch möglich und prompt wird es durch das Urheberrecht verboten.

    Ich glaube, ohne Urheberrecht würde es besser funktionieren. Digitale Objekte (das sind auch Musik und Filme) würden weiterhin aus Spaß oder als Auftragsarbeit erstellt, weil es einen Bedarf gibt und somit auch Möglichkeiten, damit Geld zu verdienen. Es wäre aber nicht mehr möglich, mit dem einseitigen Anhäufen digitaler Güter alleine Geld zu verdienen, sondern nur noch mit der Kreativität, neue zu schaffen.

    • @Biks:

      Sie vergessenaber leider, das ihre geklauten Daten,Musik,Kunst,Bücher tec. vorher von jemandem erarbeitet werden musste, der damit bestenfalls seinen Lebensunterhalt verdienen kann und muss. Weil die böse Musikindustrie z.B. macht Werbung, organisiert Konzerte, stellt Studios zur Verfügung etc.



      Seltsam ist, das gerade hier so der sich schon mehrfach als Unsinn erwiesenen Idee nachgegangen wird:"Allen gehört alles, Geld und Bezahlung braucht es nicht"

      Jedes mal wenn ich TAZ aufrufe kommt doch die Abfrage, ob man mit Geld unterstützen will. Warum geht dann nicht die TAZ mit ihren Reportern als gutes Beispiel voran und erstellt den Content kostenlos? Warum jagt man denn dem bösen Wurzeln allen Übels (Geld und Kapitalismus) hinterher?

      Und ach so, da sie ja gegen das Urheberrecht sind: SIe arbeiten umsonst und kostenlos nehme ich an? Ihre Arbeitsleistung kann man so kostenlos entgegennehmen?

      Nein ganz klar, die Menschen sind wie die Menschen sind, ob in der realen Welt oder im Cyberspace, und jeder der sich einen Vorteil verschaffen kann, tut das auch.



      Darauf basiert auch der Fortschritt. Man muss jetzt allerdings als Allgemeinheit und in der Politik dafür sorgen und lenken, dass dieser Fortschritt und Kapitalismus möglichst vielen zugute kommt und kein extremer Schiefstand zwischen Armen und Reichen entsteht.



      Auch ein Zuckerberg oder Bezos sind ganz klein Angefangen und nich als reiche böse Kapitalisten vom Himmel gefallen. Und das wir mit Daten im I-Net bezahlen ist ein alter Hut, weil mit echtem Geld wollen das eben viele nicht tun, aber auch Google oder Facebook oder Amazon muss sich finanzieren. Wer das nicht möchte, kann anonym surfen, es gibt Möglichkeiten keine Daten zur Verfügung zu stellen. Ich z.B. habe gerade erst Google Mapszur Navigation genutzt, dafür helfe ich denen gerne, mit meinen Daten, den Dienst zu verbessern. Meine richtig persönlichen Daten haben die allerdings nicht, da findet man auch nichts im I-Net. Also wo ist das Prob.?

  • Guter und wichtiger Artikel, zu einigen Stellen möchte ich aber dennoch klugscheißern :-) Nachfolgend einige Zitate mitsamt meinen Kommentaren dazu.

    Zitat 1:



    "Insofern würden sich im Cyberspace die Strukturmerkmale kapitalistischer Gesellschaften bloß reproduzieren."



    --> mit diesem Satz ist doch eigentlich alles gesagt im Artikel :-)

    Zitat 2:



    "Doch die Frage, ob Click­wor­ke­r:in­nen eine Klasse im marxistischen Sinn bilden oder nicht doch viel mehr die Vasallen eines digitalen Feudalismus sind, erscheint diskussionswürdig."



    --> Eher eine Klassenfraktion, oder? Ob es einen digitalen Feudalismus gibt, wage ich zu bezweifeln, weil Feudalgesellschaften sind/waren deutlich rigider in ihrer Gesellschaftsstruktur. Ich würde eher von feudal-ähnliche Zuständen sprechen.

    Zitat 3:



    "Nur, ihr Rohstoff gehört rein rechtlich niemandem – Daten sind nicht eigentumsfähig, sondern im Grunde herrenlose Sachen"



    --> jaein, es geht m.E. um die Verfügungsgewalt über diese Algorithmen (open source, closed source?) sowie die Verfügungsgewalt über die Hardware, auf der die Software läuft. Interessant und zunehmend wichtig ist die Debatte um imaterielle Güter auf jeden Fall. Siehe hierzu, was Sabine Nuss in Interviews und Texten beschrieben hat, z.B. hier: www.youtube.com/watch?v=byqEJzngYWs

    Zitat 4:



    "Der Plattformökonomie ist es gelungen, sich mit dem Smartphone als Kollektivierungsmaschine den digitalen Gemeinschaftsbesitz doch noch anzueignen."



    --> die Plattformen gehen quasi noch eine Stufe höher, in dem dort Märkte an sich praktisch privatisiert werden.

    • @vøid:

      Neben Hardware und Software, wozu im weitesten Sinne auch das biologische Endgerät = der Mensch gehört, muss man auch die entsprechenden Energieflüsse betrachten.



      Diese ganze Blockchain-Kacke verschlingt Unmengen an Strom.

      Der Plebs "darf" mit dem Fahrrad fahren, die Wohlfühltemperatur im Plattenbau um mehrere Grad runterregeln, und mit dem grünen Punkt die Gewinnmarge von Abfallentsorgern subventionieren, um was für Umwelt und Klima zu tun.

      Die Tech-Konzerne verbraten unhinterfragt den Output von mehreren Kraftwerken, um noch mehr Kapital anzuhäufen.

      Die Kraftwerke für die Deckung des enormen Stromverbrauchs - gerne auch in der Fossil-Variante aus fernen Schwellenländern - sind aber nicht virtuell, sondern höchst real, und deren CO2-Ausstoß auch.

      Naja, in Zukunft darf der Hartz4-Empfänger in einem heruntergekommenen "Arbeiterschließfach" vor sich hin vegetieren, mit der Datenbrille sieht das dann aus wie ein Barockschloss. Dann füge man die totale digitale Überwachung a la Pegasus und andere Schnüffelsoftware hinzu, dann gibt es auch keine Aufmüpfigen mehr. Erst werden nur KiPos gesucht, der Schritt zur Verfolgung von Regierungskritikern, "Ungläubigen" und Andersdenkenden ist einzig abhängig von der Auslegung des Begriffs "illegal".

      Das Videospiel "Observer" zeigt, wie solch eine Welt einmal aussehen könnte. Es lohnt sich, einmal in ein LetsPlay davon reinzuschauen.

      • @Schnetzelschwester:

        Wozu fiktive Werke aufsuchen? Es gibt doch schon massig Schnüffelei :-D Eine gewisse Aufmüpfigkeit wird es immer geben, da komplette Unterdrückung aufwändig ist, die wirtschaftliche Produktivität sowie Zufriedenheit zu sehr drosseln dürfte.

        Zu "Observer": ich finde das irgendwie zu bemüht, mit Hightech-Totaldiktatur-Stories die heutige Welt zu deuten. Ging mir jedenfalls so, als man bspw. Fefe mit Cyberpunk 2078 die heutige Welt deuten wollte m(

        • @vøid:

          In fiktiven Werken kann die Vorstellung von der Zukunft herrlich grobschnittig dargestellt werden. Die reale Realität :)) ist viel zu komplex, um irgendeinen hirnanregenden Input auf den Durchschnittskonsumenten zu bewirken.



          Bei Observer ging es mir nicht um die Diktatur-Story, die taucht eher am Rande auf. Was mich so fasziniert hat, war die Art, wie die Menschen in dieser fiktiven Dystopie leben: in versifften Mietskasernen in abgeranzten Apartments, aber dauerhaft eingeloggt in virtuelle Traumwelten. Gelegentlich verhungert mal einer, weil vor lauter Virtual Reality das Essen vergessen wurde. *Das* könnte tatsächlich unsere Zukunft werden, wenn das erlebte reale Elend kostengünstig mit virtuellem Glück übertüncht werden kann. Wie bei jeder anderen Droge.

  • Es gibt durchaus einfach zu nutzende Alternativen zu GAFAs Datenkraken. Die Open Source Community ist nicht tot, sie wird nur (wegen Bequemlichkeit?) übersehen:

    Hier eine fantastische Liste:



    switching.software/

    • @Ein*e Leser*in:

      Ich bezweifle, dass es nur Bequemlichkeit ist. In deren Augen stimmt oftmals die "Kosten/Nutzen-Rechnung" nicht, um den Umstieg zu wagen.



      So haben sie schon über Jahre hin wenig Erfahrung und Dateien in einer bestimmten proprietären Software. Anderes Beispiel: die Ideale hinter der freien Software werden befürwortet, aber für weniger PC-versierte Leute ist Installation/Konfiguration von freier Software deutlich aufwändiger bishin zu frustrierend schwer.

      • @vøid:

        Bequemlichkeit und der Netzwerkeffekt.

        Je mehr Menschen offene Software nutzen, um so besser entwickelt sich diese und um so weniger Aufwand ist deren Nutzung.

        Wir sind da in den letzten 10 Jahren aber schon viel weiter gekommen. Mittlerweile ist z.B. LibreOffice für den Standard-Nutzer ein vollständiger Ersatz zu Microsoft Office und auch nicht schwieriger zu installieren.

        Ich denke nicht, dass der Umstieg auf Open Source gerade bei solcher Allerweltssoftware aufzuhalten ist.



        Nutzerzahlen von LibreOffice: 25 Mio in 2011, 200 Mio in 2018 (aus wikipedia)

        Bei der Office-Suite sind wir bereits recht nah am Point-of-no-Return, zumindest was den privaten Sektor angeht. Im Business-Sektor wird es noch ein wenig länger dauern, da man da mit dem ganzen Rechtemanagement usw. zu tief drinhängt und die Umstellung recht hohe Einmalkosten generieren würde.

  • Interessanter Artikel!

  • @SHASU:

    Ich zitiere mal aus dem Quellcode genau dieser Seite hier:

    "var googletag = googletag || {}; googletag.cmd = googletag.cmd || [];"

    (das ist der IVW-Zähler).

    Dieser Mist klebt überall dran.

    (Dass ich so komisch antworte hat damit zu tun, dass ich, genau deshalb, Javascript verweigere).

    • @tomás zerolo:

      Kein Zweifel. Die Datenkraken haben ihre Fühler überall. Aber es ist auch immer eine Frage wie weit man mit der Ablehnung gehen will.

      Heutzutage kann man Browser-Addons nutzen um Skripte zu blocken. Man kann VPNs nutzen um die eigene IP zu maskieren. Man kann Suchmaschinen nutzen, welche nicht Google heißen. Und man kann auf Amazon und Smartphones verzichten.

      Aber all dies sind Ermessensangelegenheiten. Das Beispiel mit den Captchas ist eigtl. sehr gut. Persönlich ist es mir egal, ob Google diese Datenerkennung von mir als anonymen Nutzer abverlangt und für seine eigenen Zwecke nutzt. Da ich dann nur teil einer massiven Statistik bin. Problematisch wird es in meinen Augen, wenn man die Daten mit einer Person verbinden kann. Das führt dann dazu, dass man kommerziellen Content und Werbung erhält.

      Aber unabhängig davon wie sich der Einzelne schützen kann, müsste es hier eine Richtlinie der EU geben, welche die Rechte d. informationellen Selbstbestimmung d. Bürger sicherstellt.

      • @Shasu:

        Problematisch ist nicht nur die Identifikation einer Einzelperson, die Algorithmen als solche sind es ebenfalls. Aus den anonymen Datenmengen werden statistisch Profile von - zunächst - abstrakten Personengruppen erzeugt, nach Art von "Kunden, die X kauften, interessieren sich auch für Y". Für Herrn/Frau Mustermann passt so ein Profil vielleicht nicht zu 100% exakt, aber mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit doch gruselig genau.



        Das Herunterbrechen aus diesem anonymen Profilcluster auf Individuenebene geschieht dann mittels anderer, speziell dafür entwickelter Software.

        Es nützt gar nichts, zunächst anonym zu bleiben, wenn hinterher das SEK an die Tür "klopft", weil "Bürger, die X kauften und Seite Y besuchten, zu N% Wahrscheinlichkeit Terroristen sind".



        Wir alle wissen, dass die Freiheitskämpfer des einen die Terroristen des anderen sind.



        Warum wohl überlegen (EU) oder praktizieren (China) Regierungen in aller Welt das Verbot von VPN und Verschlüsselung? Spoiler: Nicht um Kinder zu schützen. Das wäre ein Kollateralnutzen.

  • Man muss aber nicht auf GAFA zurückgreifen, wenn man nicht will. Und man kann seine Identität im Netz auch geheimhalten, wenn man es möchte. Man muss sich halt damit auseinandersetzen und selber abschätzen wieviel Aufwand man betreiben möchte. Natürlich will ich nicht abstreiten, dass die Marktmacht der amerikanischen Internet-Konzerne riesig ist, und diese entsprechend eingehegt gehören. Aber dazu müsste sich Europa auch etwas unabhängiger von den USA aufstellen, und vor allem sich selbst reformieren, um eine stärkere Gemeinschaft zu bilden.

    Bis dahin bleibt es dem User selbst überlassen zu handeln. Übrigens, auch nach dem Untergang von Napster, kann man heutzutage fast jeglichen beliebten Content im Internet kostenlos erhalten. Nur muss man natürlich abschätzen ob man das auch wirklich möchte. Das Internet wird zwar zusehends von den Staaten reguliert und überwacht, aber es ist auch zu groß geworden als dass man einfach alles kontrollieren könnte.