Die steile These: Nur Cardi B kann die USA retten

Die US-Rapperin bringt es auf den Punkt: Ich lasse mich nicht ficken, sondern ich ficke euch! Sie ist politisch und das Hassobjekt der Trump-Fans.

Cardi B. hält ein Mikrofon und singt

Cardi B. bei einem Auftritt in Miami im Februar Foto: Alex Pesantes/imageSPACE/MediaPunch/imago-images

Das Coronavirus wütet, der Klimawandel verursacht Dürresommer, und nun droht auch noch Donald Trump erneut zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt zu werden. Da kann uns eigentlich nur noch eine retten: Cardi B. Wer sich jetzt fragt: Wer zum Teufel ist Cardi B?, der hat die vergangenen Jahre wohl nur mit „Tagesschau“-Gucken und Goethe-Lesen verbracht – sonst wäre der Name ihm oder ihr ein Begriff.

Denn Cardi B, die in Wirklichkeit Belcalis Marlenis Almánzar heißt und sich nach dem bekannten Bacardi-Rum benannt hat, ist die aktuell mächtigste US-Rapperin. Sie wurde als Tochter einer trinidadischen Mutter und eines dominikanischen Vaters im New Yorker Stadtbezirk Bronx geboren und musste schon früh lernen, was es heißt, nicht zu den oberen Zehntausend zu gehören. Während Trump in seinem Wolkenkratzer an der Fifth Avenue süße Miezen vernaschte, schuftete sie als Teenagerin in einem Manhattaner Supermarkt, bis sie merkte, dass man damit nicht weit kommt.

Nachdem sie gefeuert wurde, entschied sie sich, als Stripperin zu arbeiten. Sie wollte raus aus dem Elend, Geld ansparen für ein Studium.

Doch Cardi B wäre kein Kind dieses Zeitalters, hätte sie nicht auch ihr Glück über die sozialen Netzwerke versucht. Und sie hatte Erfolg: 2013 wurde sie unter anderem durch ihren Instagram-Kanal bekannt, später castete man sie für die Rea­li­ty-­Serie „Love & Hip Hop“, ihr Sprungbrett in das Rap-Geschäft. Denn anders als andere Reality-Stars, wie ja auch Trump mit seiner lahmen „Wer ist der beste Manager des Landes?“-Show einer war, hatte Cardi B etwas vorzuweisen: Charisma, Schlagfertigkeit und musikalisches Talent.

Wie ein Freier, der einen Anzug trägt

Im März 2016 veröffentlichte sie ihr erstes Mixtape „Gangsta Bitch Music, Vol. 1“, etwas mehr als ein Jahr später die Single „Bodak Yellow“, mit der ihr endgültig der Durchbruch gelang. „Bodak Yellow“ ist ein Song, der die Lebensrealität der damals 24-Jährigen so authentisch wiedergab, dass sich Millionen Frauen in ihm wiederfanden, aber nicht als Opfer, sondern als selbstbestimmte Frauen, die sich von den Reichen respektive Mächtigen das nehmen, was ihnen zusteht beziehungsweise das, was ihnen nicht weniger zusteht als einem Anzug tragenden Freier, der meint, sich mit ein paar Moneten alles kaufen zu können – und das klingt dann so:

„Said little bitch, you can’t fuck with me / If you wanted to / These expensive, these is red bottoms / These is bloody shoes / Hit the store, I can get ’em both / I don’t wanna choose / And I’m quick, cut a nigga off / So don’t get comfortable / Look, I don’t dance now / I make money moves (...) If I see you and I don’t speak / That ­means I don’t fuck with you / I’m a boss, you a worker, bitch / I make bloody moves (…)“.

Damit brachte Cardi B auf den Punkt, was sich viele vor ihr nicht zu sagen getraut hatten: Ich lasse mich nicht ficken, sondern ich ficke euch! Wortwörtlich, aber auch im übertragenen Sinn. Statt ständig devot die Hüfte zu kreisen, um ein paar Krümel abzukriegen, backt sie ihren Kuchen lieber selbst. Wer sie tanzen sehen will, spielt nach ihren Regeln, auch wenn diese Regeln nicht immer ganz legal gewesen sind.

So tauchte 2019 ein altes Video auf, in dem sie erzählt, während ihrer Zeit als Stripperin Männer unter Drogen gesetzt und ausgeraubt zu haben. „Um zu überleben“, rechtfertigte sie sich, und nahm später den Teil mit den Drogen wieder zurück. Doch da hatte sich die Popwelt längst in zwei Lager gespalten: eines, das sie für ihr Verhalten verurteilte, und eines, das Verständnis für den erbarmungslosen Alltag einer Striptease-Tänzerin aufbrachte. Und überhaupt: Werden männliche Gangsta-Rapper für ihre Kriminalität nicht immer noch hart gefeiert?!

Aber ihre maßlose Huldigung des Konsums, ist die nicht schlimm? Nun, sie singt zwar gerne vom Geld und darüber, was man sich davon alles kaufen kann. Doch hallo, aufgewacht! Wir leben im 21. Jahrhundert, wo jede:r selbst zusehen muss, wo sie oder er bleibt, insbesondere dann, wenn einem keine Geldscheine oder Eigentumswohnungen in die Wiege gelegt wurden. Außerdem heißt das in HipHop-Kreisen einfach: Ich habe es geschafft!

Trump Feuer unterm Arsch machen

Im Gegensatz zu vielen anderen Popstars hat Cardi B darüber hinaus ein ernstgemeintes Interesse an Politik, wie ihre unzähligen Twitter- und Instagram-Statements beweisen. Sie unterstützte 2016 den demokratischen Kandidaten Bernie Sanders und war auch beim jüngsten Vorwahlkampf wieder an seiner Seite. Im Sommer 2019 diskutierte sie mit ihm in einem Nagelstudio in Detroit, Michigan, und statt irgendwelchen Blödsinn zu reden, präsentierte sie ihm glasklare Forderungen, die sie zuvor bei ihren Fans abgefragt hatte: Eine staatliche Krankenversicherung, freie Bildung für alle, die Einführung eines Mindestlohns und das längst überfällige Ende von Rassismus und Polizeigewalt.

Ein Huhn, das vor über 100 Jahren eingemacht wurde, zwei Weltkriege überstanden hat und angeblich immer noch existiert? Klingt irre, ist aber eine seit Generationen erzählte Familiensaga unserer Autorin – in der taz am wochenende vom 12./13. September. Außerdem: Jens Spahn im Interview über Corona und die Grünen. Und: Moria ist abgebrannt. Wie geht es für die Geflüchteten weiter? Ab Samstag am Kiosk, im eKiosk, im praktischen Wochenendabo und rund um die Uhr bei Facebook und Twitter.

Forderungen, die sie kürzlich übrigens auch dem demokratischen Gewinner der Vorwahlen, Joe Biden, in einem Zoom-Call vorgebracht hat. Denn die Rapperin nutzt ihre enorme Reichweite – bei Instagram hat sie mittlerweile mehr als 75 Millionen Follower, was etwas weniger als einem Viertel der US-amerikanischen Bevölkerung entspricht –, um ihrem größten Feind auf Erden, Donald Trump, ordentlich Feuer unterm Arsch zu machen.

Nichts könnte dafür ein besseres Beispiel sein als ein im Frühjahr bei Instagram hochgeladenes Video: Darin sitzt Cardi B mit einem Handtuchturban auf dem Kopf, so, als wäre sie nach einem Boxkampf gerade erst der wohltuenden Dusche entstiegen, vor der Kamera und geigt potenziellen Trump-Wähler:innen mit ihrer kratzigen Stimme ordentlich die Meinung: Dieser Präsident habe ernsthaft die Nerven, darüber zu twittern, dass er bei seiner Pressekonferenz mehr Zuschauer:innen als bei Footballspielen und der „Bachelorette“ gehabt hätte, während die Menschen um ihn herum am Coronavirus verreckten, wettert sie da. „We’re dying!“, ruft sie und nimmt danach seinen narzisstischen, verlogenen und tödlichen Regierungsstil messerscharf auseinander. Der nächste Fight ließ nicht lange auf sich warten.

Denn nachdem Cardi Bs neue Single „WAP“– Wet Ass Pussy – am 7. August herausgekommen war, die für ihre selbstbewusste Feier der weiblichen Lust von Fans bis Feuilletons begeistert aufgenommen wurde und mit 93 Millionen US-Streams in der ersten Woche nach Veröffentlichung sämtliche Rekorde brach, mehrten sich vor allem im republikanischen Lager die kritischen Stimmen.

So twitterte die konservative Politikerin DeAnna Lorraine kurze Zeit später: „Amerika bräuchte viel mehr Frauen wie Melania Trump und viel weniger Frauen wie Cardi B.“ Cardi Bs Konter: „Hat sie nicht früher selbst ihre ‚WAP‘ verkauft?“ Und als ihr Lorraine daraufhin jugendgefährdendes Verhalten vorwirft, holt Cardi B einen Trumpf aus dem Ärmel und postet ein Nacktbild von Melania Trump, das diese als Mitte-20-jähriges Model für ein französischen Magazin gemacht hatte.

Doch auch aus der eigenen Community wird sie angegriffen, wie gerade erst von der schwarzen Trump-Unterstützerin Candace Owens, die Cardi B vorwarf, von den demokratischen Kandidaten bloß ausgenutzt zu werden und viel zu ungebildet zu sein, um politisch mitmischen zu können. Und wieder schlug die Rapperin zurück: Candace Owens ermutige Millionen Amerikaner:innen dazu, für einen Mann zu stimmen, der sich jedes Mal ins Fäustchen lache, wenn ein schwarzer Mann von einem Polizisten umgebracht wird und Millionen Amerikaner:innen erzähle, sie sollten Bleichmittel trinken, weil das angeblich gegen das Coronavirus hilft. Bäm!

„And I'm gonna win“

Und obwohl Cardi B wegen ihrer Statements immer wieder massiv angefeindet wird – so sollen Trump-Anhänger sogar ihre Adresse gepostet und zu einem Brandanschlag auf ihr Haus aufgerufen haben –, lässt sie sich nicht einschüchtern. Im Gegenteil, je mehr des verbrauchten Atems der ewig Gestrigen ihr entgegenweht, desto kampflustiger werden ihre Gegenangriffe. Gegenangriffe, die in ihrer unmissverständlichen Sprache selbst ein Dumpfdödel wie Donald Trump versteht und sie deshalb zur einzigen Person werden lässt, die ihm die Stirn bieten kann.

Denn ein Mann wie Trump versteht nur eine Sprache: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Und wie singt Cardi B so schön in ihrem Song „I Gotta Hurt You“?: „(…) But I will show you / That I’m strong enough / To use you and abuse you / And I’m gonna live / And I’m gonna win (…)“. Auch wenn es in dem Text nicht um Präsidenten-­bashing, ­sondern um eine schwierige Liebesbeziehung geht, beschreibt er ganz gut, wie die Rapperin mit Menschen umgeht, die ihr dumm kommen. Und ist die Beziehung zu einem Staatsmann nicht auch eine Art Liebesbeziehung, aber eine enttäuschte?

Cardi B, so viel ist klar, wird Trump irgendwann kleinkriegen. Wer es mit den skrupellosen Investmentbankern in einem Strippklub aufnehmen kann und sich im männerdominierten Rap-Geschäft durchsetzt, der verspeist einen Despoten wie Trump doch wie eine Gottesanbeterin auf Beutezug zum Frühstück. Deshalb „Kämpf’“, Cardi B, „Kämpf!“. Und kandidiere beim nächsten Mal am besten gleich selbst.

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Hat mal Jura studiert und danach Kreatives Schreiben am Literaturinstitut Hildesheim. Hat ein Volontariat bei der Märkischen Oderzeitung gemacht und Kulturjournalismus an der Universität der Künste Berlin. Schreibt über feministische Themen, Alltagsphänomene, Theater, Literatur und Film.

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