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Die neue Führung der LinksparteiEin Schritt vorwärts, einer zurück

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die Linkspartei weiß selbst nicht, ob sie regieren oder nur recht haben will. Einfacher kann man den Grünen den Weg zur Union nicht machen.

Die neuen Linksparteichefinnen Janine Wissler (l.) und Susanne Hennig-Wellsow Foto: dpa

B eginnen wir mit dem Positiven. Die Linkspartei hat nun die erste weibliche Doppelspitze in der Bundesrepublik. Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler sind (noch) nicht Teil des zähen Machtgerangels in der Bundes-Linkspartei, in dem politische Konflikte und persönliche Abneigungen zu einem schwer entwirrbarren Knäul verklebt sind. Wie jeder Anfang öffnet auch dieser einen Möglichkeitsraum, die Idee, dass es anders werden kann. Die Reala Hennig-Wellsow will, noch entschlossener als Katja Kipping, die Linkspartei für das Regieren im Bund öffnen.

Der Parteitag hat zudem gezeigt, wie groß der hermetisch gegen rationale Politik abgedichtete Funditeil der Partei ist: 20 Prozent. Die stimmten für einen unbekannten Gegenkandidaten von Hennig-Wellsow, der eigentlich gegen alles war.

Die Realos treten nicht mehr so verdruckst auf. Früher haben sie oft jeden notdürftigen Formelkompromiss als Erfolg verkauft. Jetzt gibt es einen klaren, selbstbewussten Ton. Matthias Höhn wirbt dafür, auch mal Ja zu friedenserhaltenden Bundeswehr-Auslandeinsätzen zu sagen und Menschenrechtsverletzungen auch in Russland und Kuba konsequent zu ächten.

Doch das ist, wie das Votum gegen Höhn zeigt, in der Partei nicht mehrheitsfähig. Wenn es darauf ankommt, scheuen die GenossInnen den Schritt ins Neue und stehen lieber weiter mit einer ebenso radikalen wie folgenlosen Militärkritik auf der anscheinend richtigen Seite. Warum Realpolitik riskieren, wenn die eigene Nische doch das komfortable Gefühl moralischer Überlegenheit garantiert?

Ob die Linkspartei damit bei Wahlen erfolgreich sein wird, ist zweifelhaft. Die Pandemie erzeugt eine diffuse, widersprüchliche Stimmung. Soziale Sicherheit und Gemeinwohl stehen höher im Kurs als vor Corona. Vielen leuchtet ein, dass die Privatisierung des Gesundheitssystems ein Irrtum war. Für die Linkspartei öffnen sich da Möglichkeiten. Doch gleichzeitig ist die Gesellschaft, wie oft in Krisen, verunsichert – und neigt dazu, das Bekannte, Bewährte, Konservative zu wählen. Die Botschaft, dass die Linkspartei selbst nicht weiß, ob sie regieren oder nur rechthaben will, wirkt in dieser Stimmung noch ungünstiger als sonst.

Linkstraditionalismus mit menschlichem Antlitz

Janine Wissler wärmte nach ihrer Wahl mit einen effektvollen Rede das Herz der GenossInnen. Wissler versteht es, auch harte politische Botschaften gewinnend zu formulieren – Linkstraditionalismus mit menschlichem Antlitz gewissermaßen. Wenig weitsichtig ist indes ihre Beton-Ansage, dass „Bundeswehreinsätze zu beenden und Rüstungsexporte zu stoppen nicht verhandelbar sein darf“. Nicht verhandelbar bedeutet eigentlich das Ende aller grün-rot-roten Gespräche, bevor sie begonnen haben. Selbst wenn man eine Mitte-Links-Regierung skeptisch sieht, ist es unklug, diese Tür schon jetzt dreifach zu vernageln.

Denn einfacher kann man den Grünen den Weg zur Union nicht machen.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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20 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Für mich persönlich ist eine Partei, in der immer noch eine unerklärliche Solidarität mit dem faschistoiden Putin-Russland und dem korrupten „Sozialismus“ in Venezuela herrscht sowie ein rasender Hass auf „den Westen“ immer wieder aufblitzt, einfach unwählbar.

  • Eine Partei, die gegen Waffenexporte und Aufrüstung ist, ist bei dir ein Schritt zurück? Jetzt habe ich alles gesehen. Mannomann taz, weißt du noch früher, als du für Frieden und Fortschritt warst?

  • "Denn einfacher kann man den Grünen den Weg zur Union nicht machen."

    Die Grünen sind doch schon längst eine grün gefärbte CDU. Was grüne Realpolitik bedeutet, kann man als abschreckendes Beispiel in BaWü erleben. Wo hat denn grüne Politik in Deutschland etwas positiv verändert?

    Die letzten Grünen, (die mit der SPD) eine Bundesregierung stellten, waren mit verantwortlich für einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg oder Hartz IV. Seitdem haben sie sich zu einer olivgrünen, militaristisch orientierten Partei entwickelt.



    Und diese "Realpolitik" wird jetzt auch von Die Linke erwartet? Wieso kommen Journalisten und Journalistinnen nicht auf die Idee, den Hang zum Militarismus zu kritisieren? Und wieso soll die letzte Partei in Deutschland, die auf eine friedliche Außenpolitik setzt, nämlich Die Linke, diesen Grundsatz schleifen?



    Es gibt m.E. keine Untersuchung darüber, ob potenzielle LinkenwählerInnen diese Partei wählen würden, wenn sie auf NATO Kurs einschwenkt.

  • Neue Führung neue Chance.Die Linken sollten mal ganz klar für jeden deutlich machen was Sie eigentlich wollen.Rückdrängung des privaten Wohnungsbaus bei gleichzeitiger Stärkund des kommunalen Wohnungsbaus wäre o.k.Erhöhung der Steuern für Besserverdienende wäre o.k. Stärkung der sozialen Marktwirtschaft in der ganzen EU wäre o.k.Besonderst strenge Strafverfolgung von Korruption wäre o.k.Das alleine würde reichen den Wahlkampf zu gewinnen wenn man dies den MEnschen klar macht.

  • Tja, leichter kann es DIE LINKE der CDU/CSU nicht machen, sich mit den Grünen zusammenzutun.

    Warum denken die nicht nach ?

    Lafontaine und Sarrazin > das aktuelle Duo des Grauens. Die mögen sich. Und Sahra Klinkerstein mag es.

  • Dann kann die LP ja weiter Candys Crushen. Für die Wahlen bedeutet das Grüne stark machen und wählen.

  • Glückwunsch an die beiden. Mit dem Mythos erste weibliche Doppelspitze sollte man aber aufräumen: 1998-2000 waren Gunda Röstel und Antje Radcke Bundesvorsitzende der Grünen."



    Vor 12 Jahren....

    • @Mathis Oberhof:

      Einfacher kann man den Grünen den Weg zur Union nicht machen.

      Es ist ohnehin deren brennendster Wunsch sich mit den Konservativen ins Bett zu legen. Fleisch vom Fleische ...

      Beginnen wir mit dem Positiven. Die Linkspartei hat nun die erste weibliche Doppelspitze in der Bundesrepublik.

      Abgesehen davon, dass es bei den Grünen, wie Mathis Oberhof bereits anmerkte, eine solche Doppelspitze bereits gab, würde ich gerne wissen, warum gerade eine weibliche Doppelspitze positiv sei, eine geschlechtergemischte aber nicht.

    • @Mathis Oberhof:

      ... nana, Es sind dann doch wohl 22 Jahre. Aber danke für den Hinweis.

      • @Nikolai Nikitin:

        Man könnte sich ja auch eine Minderheitsregierung der CDU toleriert von der Linkspartei vorstellen wie umgekehrt n Thüringen. Rofl.

        Aber Spaß beiseite. Offensichtlich halten sie absurderweise die CDU ("Fleisch vom Fleische") für linksliberal. Was haben Sie gegen den Linksliberalismus?

  • "Die Linkspartei weiß selbst nicht, ob sie regieren oder nur recht haben will. Einfacher kann man den Grünen den Weg zur Union nicht machen"



    Erstens:



    heißt regieren dann unrecht haben und mit Unrecht regieren;



    zweitens kommen Grüne, SPD und Linkspartei in den letzten 2 Jahren nicht über 42%.



    Drittens haben Sie in ihrer Zeitung gestern erst die Argumente gegen das Volksbegehren "Deutsche Wohnen und co enteignen" widerlegt .

    • @nzuli sana:

      Zu erstens:

      Nein, aber Regieren heißt Kompromisse machen.

      Dazu muss man zu dem Schluss kommen, dass auch die Forderungen der anderen irgendwie berechtigt sein könnten.

      Da geht "Wir haben recht und ihr habt unrecht." nicht mehr.

  • "....den Grünen den Weg zur Union....." Einfacher kann man es sich als Journalist nicht machen. Das ist noch längst nicht gegessen. Nur ein Beispiel: Mit den Grünen wird ein Tempolimit genau so wenig verhandelbar sein wie Ähnliches bei der Linkspartei. Wie auch immer das Farbenspiel endet, "einfach" ist keine reale Option. Erfreulich ist auf jeden Fall, dass Riexinger, der behäbige Region-Stuttgarter, weg ist. Schafft nicht mal im Heimatland den Einzug ins Landesparlament. Und sich ein bisschen, von seinem bräsigen Schwäbisch (nichts gegen Schwäbisch allgemein, nur bei ihm komplett fehl am Platze, merkt man im Norden vielleicht gar nicht) zu verabschieden. Konnte Lafontaine nicht passieren. Ohne Kipping stünde die Linke wegen Riexinger noch viel schlechter da.

  • Die Linke befürwortet friedenserhaltende Einsätze unter UN-Mandat, z.B. Blauhelme.

    Die Grpnen befürworten völkerrechtswidrige Inverventionen unter des Maßgabe "Responsibility to Protect". Dieses Prinzip bietet allen und jedenm die Möglichkeit, "friedenserhaltend" für die "Memschenrechte" Kriege und Regime Changes vom Zaun zu brechen.

    Die mit unsäglicher Propaganda unter Aufbietung reichlich alternativer Fakten und Fake-News erwirkte Herausbombung des Kosovo aus Serbien (die Terroristen der UCK unterdtützend) ist ein ruhmreiches Beispiel für solche Interventionen.

    Anstelle die Linke auf solche Positionen zu bringen, sollte die taz eher die Grünen für die Fehlpositionierung kritisieren.

    Hinweis: Die Abtrennung des Sudetenlands von Tschechien in den 30ern lief auch unter "Responsibility to Protect".

  • 7G
    75787 (Profil gelöscht)

    "Warum Realpolitik riskieren, wenn die eigene Nische doch das komfortable Gefühl moralischer Überlegenheit garantiert?"

    Die Gleichung, Linke + Auslandseinsätze = Realpolitik bzw. Mitte-Links-Regierung ist mir zu einfältig. Um der fortschreitenden autoritären Formierung von Staat und Gesellschaft etwas entgegenzusetzen ist heute mehr denn je Haltung und Rückgrat gefragt. Die Linke ist ein Lichtblick in der derzeitigen Parteienlandschaft denn sie beweist Mut zum Aufstehen.

    • @75787 (Profil gelöscht):

      Ihr gesamter Kommentar schreit doch geradezu: Warum regieren, "wenn die eigene Nische doch das komfortable Gefühl moralischer Überlegenheit garantiert?"

  • Die Grünen gehen den realpolitischen Weg. Hat sich unter grüner Regierungsbeteiligung incl. BaWü etwas bemerkenswert verändert? Oder haben sie sich gut integriert, ohne größere Spuren zu hinterlassen? Die Sorge etlicher Linken vor der Assimilation ist begründet, und selbige Ziel des einen oder anderen Fürspreches der "Realpolitik".

    • @Lieblich:

      Zustimmung. Realpolitik ist der verdummende Ausdruck für die Akzeptanz des gesetzlich bestehenden Erpressungspotenzials des Einzelnen oder von bestimmbaren Gruppen. Als Beispiel sei hier § 411 BGB genannt. Wer eignet sich zu welchen Bedingungen für sich und andere das Ergebnis von Arbeit an.



      Anstatt davon zu sprechen, der Wähler verstünde dies nicht, denn es begegnet ihm täglich, und ihn deshalb in der Breite für doof zu erklären, sollte man diese klare Sprache sprechen.



      Dazu gehört ferner sachlich zu erklären, welche Formen von Reichtum Umwelt und Gesundheit erhalten. Diese nennt man eine Haltung einnehmen.

    • @Lieblich:

      Stimme Ihnen zu, die Grünen gingen einen sehr realpolitischen Weg in BW, größere Spuren hinterlassen sie nicht. Natürlich können auch die Grünen (auch keine andere Partei) in der Politik nicht von heute auf morgen alles auf den Kopf stellen, aber ein wenig mehr Spuren hätte ich mir in BW schon gewünscht. Hoffe, die Linken finden zwischen Assimilation und Realpolitik einen Weg, der die WählerInnen überzeugt.

    • @Lieblich:

      In BW hatte es unter Grün-Rot schon linke Projekte gegeben. Vor allem halt die "Gemeinschaftsschule", sie wird aber eben unter Grün-Schwarz nicht mehr so gepusht. Dazu dann auch ein Klimaschutzgesetz, der Nationalpark Nordschwarzwald.



      Vor allem aber macht der Verkehrsminister gute Arbeit. Da wäre der BW Tarif, Jobticket-Zuschuss für die Landesbeschäftigten, Großes Bahnhofsanierungsprogramm.



      Aber die Grünen in BW sind m.E. auch noch relativ neoliberal ("Schuldenbremse") orientiert.