Die Wahrheit: Schlaraffia 467
Der Freitag wird wieder schwarz! Nicht so schwarz wie damals, als irgendwas mit der Börse war. Obwohl, mit Geschäften hat's schon zu tun.
E s ist gleich wieder so weit. Am vierten Freitag im November, am Black Friday, leert Amazon seine Lager. Und die Meute ihren Geldsäckel. Für 150-Zoll-Fernseher, smarte Klobrillen, die vibrieren, wenn das Geschäft verrichtet ist, und selbstschnürende Schuhe. Einfältiges Volk, dachte ich letztes Jahr um die Zeit und schlenderte am Dänischen Bettenlager in Berlin-Friedrichshain vorbei. Vor dem Neubau flabberte eine prall aufgepumpte Gummifigur, ein knallgrüner Skydancer. Verblichene Luftballons umrahmten ein Schild in grausamer Flammenoptik: „Matratzen-Friday“.
Ich kann nicht widerstehen und gehe hinein. Der Laden sieht aus wie ein eilig zurechtgemachter Schlafsaal im Hostel. Drei Mitarbeiter stürzen sich am Eingang auf mich, ein tätowierter, stark berlinernder Hüne, oberster Hemdknopf geöffnet, setzt sich durch. „Heinz-Rüdiger, anjenehm. Dann zeije ick ihnen mal dit jute Zeug von Jysk“, sagt er noch ganz außer Atem. Moment, „Jysk?“ – „Ja, dit is unser Name jetze, Jysk.“ Das gute alte Dänische Bettenlager ist nun also ein Ikea-Verschnitt. Ich verlange nach einer Matratzen-Friday-Matratze, und Heinz-Rüdiger verschwindet im Lager.
Derweil schaue ich mich um. Zwei Rentner sind auf einer vergilbten Problemmatratze eingeschlafen, ein Kleinkind macht Saltos auf dem „Jysk-Trampolin“. Ein Typ, der glatt aussieht wie ein Märchenprinz, hebt einen riesigen Stapel an Kaltschaummatratzen empor und strahlt, als er eine ranzige Erbse zwischen Daumen und Zeigefinger zerquetscht.
„Jut, also wir hätten hier“, sagt Heinz-Rüdiger, als er mit je einer Matratze unterm Arm angeschnauft kommt, „also wir hätten hier einmal die Schlaraffia 467, Black Friday Edition, Federkernmatratze, mittelfest“, er holt Luft, „mit 330 Federn pro Quadratmeter und ’ner Steppung von 82,5 Gramm pro Quadratmeter Polyester.“ – „Okay, und die andere?“, frage ich. „Dit is die Schnarchi 25, da könn’ se nix falsch machen. Dazu jeb ick Ihnen noch ’nen Rost mit 26 Birkenreisigholzlamellen, dit is unschlagbar.“ Schon gut, auf zum Probeliegen.
Nach Black Friday kommt Cyber Monday
Heinz-Rüdiger stupst dafür das Rentnerpaar mit dem Zeigefinger in die Seite, murrend legen sie sich auf die „Cyber-Monday“-Couch gegenüber. „Fühlt sich eigentlich ganz gut an“, sage ich. „Nich wahr? Als ob Freitach wär, sa’ ick immer, Jysk eben.“ Wegen all dieser Black-Friday-Rabatte weiß ich nun gar nicht mehr, wie teuer Matratze und Lattenrost sind. Ach, sei’s drum, bei der Schlaraffia 467 kann man nichts falsch machen. Geschenkt – und gekauft.
Heinz-Rüdiger strahlt nun wie die Halogenleuchte, die sich auf seiner Glatze spiegelt, und verschwindet im Lager. Der knallgrüne Skydancer am Eingang ist mittlerweile umgeknickt. Von der Kasse aus sichtbar versuchen vier Mitarbeiter, das störrische Gummiteil zu bändigen. Heinz-Rüdiger kommt mit meterweise Plastikfolie und einem Staubsauger bewaffnet zurück. Die Schlaraffia 467 wird vakuumiert.
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