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Die WahrheitMännerwadenmeer

Ob auf der Straße oder in Bussen und Bahnen oder im Supermarkt – überall sind jetzt diese rundlichen tätowierten Fleischbatzen zu sehen.

I ch hab’ das Fräul’n Helen baden seh’n, das war schön / Da kann man Waden seh’n, rund und schön im Wasser steh’n.“ Wenn Fred Raymond, der diesen Song 1924 schrieb, nur wüsste, was heute los ist – er würde vor Aufregung praecoxen. Denn zumindest zum Männerwadensehen muss niemand mehr Baden gehen, im Gegenteil: Nie war so viel Männerwade wie heute.

Männerwaden, rund und schön, vielmehr rund und tätowiert, begegnen einem vom Morgen bis zum Abend, auf der Straße, in Bus und Bahn, im Supermarkt. Selbstbewusst lugen sie aus weit geschnittenen, knielangen Armeehosen, lassen ihre Härchen im Wind flattern, und präsentieren jene Ornamente, die sie für immer zieren werden: Schwarze Nazi-Sonnen, Tiergesichter, andere Gesichter, von denen man hofft, dass sie nicht zur Familie des Wadeninhabers gehören, Tribals, über die Stammesälteste kichern. Die Männerwade ist, was einst der Kritzelblock neben dem Telefon war.

Nackte Männerwaden zu Sneakers und Socken schlappen im Biergarten den weiten Weg von der Bierbank zum Tresen und wieder zurück. Sie stehen beim Konzert wippend vor und hinter einem, sie weichen geschickt dem Rollkoffer aus, der ihnen auf den Fersen ist. Ab und an verläuft sich mal ein Träger von eleganten, knielangen Stoffhosen in die Reihen der Armee-Cargo-Wadenfraktion und zieht seine Beinunterteile über stilsicheren Loafers oder Oxfords, aus denen neckische Söckchen ragen, erschreckt aus der Sonne.

Nichts gegen Waden an sich! Sean Connery hatte auch welche und wusste einwandfrei, wie man sie zu einem kurzen Bademantel oder Swimshorts kombiniert. Allerdings wusste er auch, dass man zu nackten Waden keine Schlappen anzieht. Niemals. Eher läuft man barfuß über glühende Kohlen als in Schlappen. Und Fräul’n Helen trug zu ihrem opulenten Badekostüm sicherlich keine Schlappen. Irgendwo hört der Spaß auf.

Wenn schon von einem verlangt wird, die grinsenden Sonnenfressen auf den Männerwaden als Teil dieser Gesellschaft zu akzeptieren, wenn man bei den schlecht sitzenden, knielangen Hosenfetzen ein Auge zudrückt, weil sie ja so bequem sind, und das ist schließlich das Hauptargument, Convenience, wenn man also die textile Jack-Wolfskinisierung der Welt in Dreiteufelsnamen stillschweigend konzediert, dann kann man nicht auch noch Männerfüße in Schlappen angucken. Das geht nicht. Das ist zu viel verlangt.

Da machen übrigens weder Socken noch Genderidentitäten einen Unterschied: Schlappen sind das, was der Teufel trägt, wenn er die Höllensauna betritt, um einen verdammten Aufguss zu machen. Oder das, was man vom Nachbarn geliehen bekommt, wenn sich im Urlaub der Koffer verspätet.

Einer der vielen guten Gründe, den Klimawandel zu stoppen, ist, dass die Sommer unmöglich noch heißer und länger werden dürfen. Die Kurze-Hosen-Zeit muss begrenzt werden, Herbst muss her. Denn dann darf man endlich wieder auf Anzüge schauen.

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24 Kommentare

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  • Ich als Frau liebe (auch knielange) Cargohosen und will mir gerne ein Wadentattoo stechen lassen. Darf ich das jetzt, weil ich zwei X-Chromosome besitze? Meiner Meinung nach sollte Satire nicht für belanglose bis grenzbergschreitende Themen missbraucht werden.

  • jetzt duerfen die podophoben auch in der taz mal ran, nachdem frau im spiegel, brigitte und spiegel online das thema jahrelang ausgeschlachtet haben. respekt!

  • Ich mache Frauen keine Vorschriften über ihre Rocklänge oder Schuhwerk und erwarte das auch von allen andern Kerlen.



    Von daher würde es sehr begrüßen wenn Frau Zylka es auch den jeweiligen schwanztragenden Individuen überlässt was sie für Hosen oder Schuhe tragen.



    Es ist nämlich schlicht und einfach none of her business.



    Nicht alles wo mensch Satireaufkleber draufbabbt ist auch Humor drin.

    • @Bouncereset:

      Ok. Reset - hat - se halt ihr Fett. But.



      Das feine aber ist - wata lovely assist 🤣



      Liggers. Bouncer Loddel & Ganoven -



      Korrekt - Immer! Nur - Lange Hosen - 🤪



      Na & erst in Jesuslatschen!



      Gäbe das im Puff ein Tratschen.



      Haut is also zu. Voller geil Tattoo - 🤪

      Nà. So geht’s doch auch - 🙏 -

  • Hab dcjon vor längerer Zeit firses Gedicht zu gegebenen Anlass geschrieben;



    Sommer, Sonne und Sandalen

    Es ist mal wieder Sommer-Zeit,



    die Sonne schickt uns ihre Strahlen,



    doch es fehlt die Heiterkeit,



    bei kurzen Hosen samt Sandalen.

    Stramme Waden, auch mal dürre,



    gar zu oft in Socken drin,



    macht mich wieder mal ganz kirre,



    Herr schick' bitte Schmalz mit Hirn.

    Tattoos und auch verkrampfte Adern,



    fleckig, offen, auch mal blau,



    lassen einen kräftig schaudern,



    mir ist schon wieder mal ganz flau.

    Drum wünsch ich mir fürs neue Leben,



    eine Schuh- und Hosenpolizei,



    um diese Ästhetik anzustreben:



    kurze Hosen-und Sandalen-frei.

  • Ergänzend Gerhard Henschels fulminantes Gedicht gegen die Zumutung der kurzen Hose als solche:

    taz.de/Die-Wahrheit/!5610251/

  • Servíce



    Unterm _________ kann man(n) es sowieso niemandem Recht machen. Deshalb ein Blick zurück auf die Ursprünge.

    DIE BEMUDA-SHORTS nach Wikipedia

    de.wikipedia.org/wiki/Bermuda-Shorts

    *Als Bermudas oder Bermuda-Shorts bezeichnet man eine bestimmte Art von kurzen Hosen, die als Freizeit- oder Alltagskleidung von ALLEN GESCHLECHTERN getragen werden. Die Hosenbeine enden mindestens ein Zoll oberhalb des Knies, bei Anzügen drei Zoll.*

    Siehe dazu auch: Bermuda Online / www.bermuda-online.org/shorts.htm

    Dabei grenzen sich die Geschlechter beim Tragen von Bermuda-Shorts FARBLICH NICHT ab. Was auch für PINK gilt. Bermuda Online verweist hierzu auf:

    www.dailymail.co.u...visit-Bermuda.html

    Und kommentiert: *At Bermuda weddings home and abroad, the Bermuda ensemble is often a dark blue blazer, oxford blue button-down shirt, white tie, pink Bermuda shorts, blue or dark blue knee-length folded-over socks, polished black loafers shoes with tassels.*

    Höchste Staatsgäste werden auf den Bermudas in hellroten bis pink-farbenen Shorts empfangen – und lösen selbst bei Staatsgästen aus dem Commonwealth Erstaunen aus:

    *A Pair of Bermuda Shorts was presented to His Royal Highness the Duke of Edinburgh during his visit and that of Her Majesty the Queen to Bermuda in November 2009.*

    Geschichte:

    *Ihren Ursprung haben die Bermudas bei der Royal Navy, bei der diese kurzen Hosen für Einsätze in tropischen Gebieten oder Wüsten zur Uniform gehörten und noch heute gehören. Später übernahmen auch die Landstreitkräfte Großbritanniens diesen Brauch. Wahrscheinlich wurde diese Mode in Bermuda von Geschäftsleuten Anfang des 20. Jahrhunderts von den Soldaten übernommen.*:

    Wikipedia: de.wikipedia.org/w...opham_&_Wavell.jpg

    Wie gesagt: Man(n) kann es sowieso niemandem Recht machen.

    • @Moon:

      Hast du eine Fünf und eine zweite Fünf im Datum



      mußt du sehen was bleibt und was geht noch



      unterm Strich...



      Presslufthanna - Unterm Strich



      www.youtube.com/watch?v=dUG5wJB3v58

      • @Ringelnatz1:

        Ach, unter dem Strich weiß ich auch nicht…Es ist eben so: Hier ein satirisches Erzürnen über (vermeintlich?) wenig ästhetische Männerwaden. Dort ein Protest von Frauen für mehr Oben-Ohne von Frauen auch im Alltag. Taz vom 10.07.21, *Oben-Ohne-Demo in Berlin: Freie Nippel. Beschriebene Brüste statt Plakate – in Berlin demonstrieren Menschen für die Gleichbehandlung nackter Körper. Anlass ist ein Vorfall am Spielplatz.*

        taz.de/Oben-Ohne-D...n-Berlin/!5784798/

        Die Demo fand statt unter dem Motto: „No nipple is free until all nipples are free“. Der Busen unterläge noch viel zu oft den sexualisierten männlichen Blicken. Warum dann nicht: *Keine Männerwade ist frei, bevor nicht alle Männerwaden frei sind.* Sind sie aber doch. Sie unterliegen nur eben unterschiedlichen Bewertungen hinsichtlich ihrer Ästhetik. *Sexualisiert* dürften laut Artikel hier ohnehin nur die Waden von Sean Connery sein und - explizit - die vom Karl-Heinz Rummenigge. Je nun. *Rummenigge, Rummenigge. Mei, der hoat Haxen. A großer Sportsmann in kurze Hosen*

        www.youtube.com/watch?v=wHo7_gMmIKU

        Ich trage halt lange Hosen und weiß, dass ich eben kein Sean Connery oder Karl-Heinz Rummenigge bin. Und damit hat es seine Ruh. Uh.



        p.s. Die Hanna ist ein nettes junges Mädel. Der Song ist ganz gut. Dass Hanna Piercing und Tatoo trägt – bin kein solcher Freund davon, bei Männern und Frauen - aber das ändert nichts daran, die Hanna nett zu finden.

  • Aach, dat tut jut!



    Ick sachs ja.



    Die( ält)erfahreren, erprobten, glücklichen, hübschen Schreiberinnen habens halt!



    Ich hab' das Fraulein Helen baden seh'n



    www.youtube.com/watch?v=37L962fK9Qs



    Die englische Übersetzung löst auch wieder einen gute Launeschub aus.



    I Saw Miss Helen Bathing!



    Die Laune steigt. Nich nur ditte.



    Pfeif auf Belastung! Ick gröhle vor mir hin. Watten dit?.. praecoxen..



    Nachgeschaut. Juti!(Stand..punkt)



    Wenn ick Söckchen an habe und schlurfe auf'e Etage zum Schlucki dann rolle ick die immer runter, ungleichmäßig, weil nichts ist schlimmer als akkurat, gerichtete Männersocken auf'e Wade.



    Außerdem könnte man ja, aufen Flur, eine Begegnung der weiblichen Art haben.

    • @Ringelnatz1:

      Gleiche Assoziation, andere Baustelle, aber immer



      von und mit die Waden (Damen)...



      Österreich:



      youtu.be/1GZU33N1s8E



      Schweiz:



      youtu.be/Ds7wA1euhFM

      "Ooh!"

      • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

        nun, mein gutester, daß sie österreich nd schweiz verwechseln, kann ich ja noch mal gnädig übersehen - e richtet sich ohnehin selbst

        aber DIE austriakische wadl-hymne schlechthin ist immer noch die vom hubert, dem zweitbekanntesten goiserer:

        koa hiatamadl mog i ned



        hot koane dicken wadln ned



        i mog a madl aus da stod



        wos dicke wadl hod!

        also, liebe städterinnen, die ihr den bambi-stelzen schon entwachsen seid - auf ins salzkammergut, hier weiß man eure qualitäten zu schätzen!

        • @petronius_arbiter:

          oder auf zu Durach, wennses noch traditionell machen

      • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

        Trän.



        Ballaststofforchester Salzburg



        ;-)

        • @Ringelnatz1:

          Ja- aber sorry, hab die Links vertauscht.



          Noch ein Ooh!

    • @Ringelnatz1:

      Es rollt herab der Knabe



      Die 🧦 an der Wade.



      Daß es ihm nicht geht wie sojet Knaste.



      Der Sophia Loren ja drob verpaßte - 🥳 -



      images.app.goo.gl/UsPdzkpXWQ1KRrFU8

      unterm——— servíce =>



      Die Hommage der Internationalen Filmfestspiele wird der Dame Sophia Loren gewidmet sein. Das Lustigste, was sich über sie sagen läßt, ist auf der Zeichnung von F.K. Waechter zu sehen gewesen, die seinerzeit eben einen Kerl zeigte, der, sich mit den Fäusten vor die Stirn schlagend, durch den Hafen läuft. Drunter steht: „Später lief ich stundenlang durch den Hafen und schrie: ,Sophia Loren hättest du haben können!‘“



      taz.de/Unterm-Strich/!1581151/



      (Sorry - kann die kari grad nicht finden;)

      • @Lowandorder:

        jack and jill



        went up a hill



        to fetch a roll of cheese



        jack came down



        with a beaming smile



        and the trousers round his knees

        • @petronius_arbiter:

          Herrlich - die AustroBayerSeppelvari 🏔



          endet so: “.…und hinter dann?“ -



          “Schnall i die 🎿 ab!“

  • Au Backe. Eh ich jetzt statt über Waden an Schlappen.



    Die Zylkas Jenni über Sauna Schamhaarrasur kindersexmoralinsauer gebe. Gelle.



    Schau ich doch lieber mal - Was vom Nachbarn geliehen bekomme, wenn sich im Urlaub der Koffer verspätet - wa.

    unterm—- in der Hitze 🥵 des Tages - erklärt‘s



    Dieser Rasur & Gun Boom ereignete sich grad dann.



    Als ich mir für längere Zeit die Welt durch closed windows & Traillen beschaute.



    Als ich dem entfleucht wieder saunte - dachte ich mit meinen - 5,5 Dioptrien!



    Zu einer nicht ganz unkorpulenten Dame gegenüber: “Wie geht das? Wo is da was?



    Der selten Fall einer anatomischen Verzerrung?“



    Doch - Siehe da! Es war doch nur! Nicht ne erkannte - Schamhaarrasur!



    Ich suchte meine Schlappen & gab höllisch schnell mich hinweg auf Schusters Rappen.

    kurz - Auch hier bewundern wir wieder Mal.



    Ein feines Dressurstück der Moral.



    Aber werte Jenni - So ist das eben.



    Mit dem nach Feinerem - Hinauf - Streben •