Die Grünen wollen diverser werden: Bündnis 90/Die Weißen?
Die Mehrheit der Grünen-Mitglieder ist weiß und privilegiert. Die Partei will das ändern und erklärt Diversität zur Chef*innensache.
D ie eigenen Schwächen einzugestehen, tut weh. Es ist aber ein Schmerz, der nötig ist, damit irgendwann mal etwas besser wird. Und besser werden kann bei den Grünen einiges. Zwar hat die Partei nach den Linken die meisten Abgeordneten mit einem sogenannten Migrationshintergrund im Bundestag. Doch im Gesamtbild sieht man eine mehrheitlich weiße und privilegierte Partei. Je weiter man auf den Rängen der Macht nach oben klettert, um so homogener wird das Bild. Die beiden Fraktionsvorsitzenden sind weiß, genau wie die sechs Personen im Bundesvorstand.
Das schreckt nicht nur potenzielle Wähler*innen ab, und es ist auch nicht nur ein personelles Problem. Denn viele Menschen, deren politisches Engagement nicht beim Kreuzchen auf dem Wahlzettel endet, finden ihre Perspektiven im Programm der Grünen derzeit nicht wieder – sei es beim Klimaschutz, der Innen- oder der Außenpolitik.
Nun legt die Partei offensiv den Finger in die eigene Wunde und sagt: Das ginge besser. Man kann jetzt hämisch grinsend sagen: Schaut, die Grünen, die so toll sein wollen, so antirassistisch – die haben ein Problem. Das wäre aber nicht nur wenig zielführend, sondern auch dumm. Denn nicht nur stehen die Grünen in Sachen Diversität schon deutlich besser da als manch andere Partei. Sie sind auch die Ersten, die sich des Themas ernsthaft annehmen.
Gute Vorsätze zu haben ist einfach. Gewachsene Strukturen der Diskriminierung aufzubrechen aber ist ein Kraftakt. Am Ende werden die Grünen sich an ganz konkreten Ergebnissen messen lassen müssen. Aber die Grundlagen, die es braucht, die sind da: Die Partei hat das Thema zur Chef*innensache gemacht. Die 25-köpfige AG besteht aus ausgesprochenen Expert*innen und ist mit einem eigenen Budget ausgestattet – es ist also keine Nebenbeschäftigung der Mitglieder, die in Mittagspausen oder der Freizeit stattfinden soll.
Das mag banal klingen, ist aber extrem wichtig. Überall im Land kämpfen Aktivist*innen gegen strukturellen und Alltagsrassismus, für Barrierefreiheit und gegen Trans- und Homophobie. Und zwar ehrenamtlich. Viele dieser Menschen haben aber ohnehin schon Kämpfe zu kämpfen, mit denen die weiße Mehrheitsgesellschaft nicht konfrontiert ist: sei es gegen Diskriminierung in der Schule, bei der Wohnungs- oder der Jobsuche.
Es ist allerhöchste Zeit, diese Kämpfe aus dem Ehrenamt heraus- und in die Parteistrukturen hineinzuholen. Das heißt auch: sie mit den Ressourcen einer aufstrebenden Partei auszustatten und sie, wie den Feminismus, tief in die eigene DNA einzuschreiben. Wenn das gelingt, dann können alle von diesem Prozess lernen. Denn der Kampf gegen Diskriminierung ist keiner, den „wir“ für „andere“ führen. Er muss ein gemeinsamer Kampf sein für eine gute Gesellschaft.
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