Diskriminierung bei der Wohnungssuche: Geschlossene Gesellschaften

Diskriminieren Howoge und Gesobau Wohnungssuchende wegen des Namens? Ein Betroffener hat Tests durchgeführt und zieht mit den Ergebnissen vor Gericht.

Klingelschilder an einem Mehrfamilienhaus: Alles Müller oder was? Foto: imago

BERLIN taz | Seit einem Jahr sucht der 43-jährige Ming Li* eine Wohnung in Alt-Lichtenberg, wo er seit 2004 zur Untermiete wohnt. Er bewirbt sich regelmäßig und oft – doch in seinem Kiez bleibt er ohne Erfolg. Dabei hat er einen Wohnberechtigungsschein (WBS) für eine Zwei-Zimmer-Wohnung. Irgendwann beschleicht Li ein Verdacht: Wird er wegen seines Namens nicht eingeladen?

Rassismus und Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt sind in Deutschland ein Problem, wie verschiedene Studien in den letzten Jahren nachweisen konnten. Doch trifft das auch bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften zu?

Am 18. Februar 2019 beschließt Li spontan, einen Test durchzuführen. Er bewirbt sich auf dem Onlineportal Immobilienscout24 für die Besichtigung einer Zwei-Zimmer-Wohnung in Lichtenberg. Vermieterin ist die Howoge. Im ersten Schritt werden nur Name und E-Mail angegeben, dann muss die WBS-Nummer nachgereicht werden. Er bewirbt sich zunächst mit seinen Daten. Nach einer Stunde wiederholt er die Bewerbung mit dem Namen „Leon Kunze“. Die WBS-Daten erfindet er.

Nach vier Stunden wird Kunze zu einer Besichtigung eingeladen. Li bekommt drei Tage später eine Absage. Darin heißt es: „Aufgrund der Vielzahl von Bewerbern wurde der Nachmieter im Losverfahren ermittelt.“ Zur Besichtigung wird er nicht eingeladen.

Nur Leon Kunze bekommt eine Einladung

Diesen Test wiederholt er einen Monat später bei einer anderen Lichtenberger Howoge-Wohnung. Er nimmt auch einen zweiten vermeintlich ausländischen Namen hinzu. Erneut bekommt nur der fiktive Testkandidat Kunze eine Einladung, obwohl Li diese Bewerbung als letzte abgeschickt hat.

Für Ming Li sind die Ergebnisse seiner Tests eindeutig. Die Howoge bestreitet jedoch, dass es Diskriminierung bei der Wohnungsvergabe gebe. Auf Anfrage der taz heißt es: „Bis Mitte 2019 haben unsere Kundenzentren die Bewerberlisten bei Erreichen einer Maximalanzahl geschlossen bzw. Besichtigungen nach dem Zufallsprinzip vergeben. Seit Mitte 2019 werden Besichtigungstermine automatisiert angeboten.“ Bei Erreichen einer festgelegten Teil­nehmer*innenzahl werde das Terminfenster geschlossen. Dann würden automatisch Absagen versandt. Es sei aber geplant, bald einen Zufallsgenerator einzuführen.

Dass Lis Bewerbungen immer zeitlich vorgelagert waren und er trotzdem nicht eingeladen wurde, kommentiert die Howoge nicht. Das Unternehmen teilt lediglich mit, dass eine interne Prüfung in diesem Jahr die Regelkonformität des Vermietungsprozesses bestätigt habe.

Barbara Gande von der Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt kritisiert das praktizierte Zufallsverfahren: „Die Kriterien oder der Ablauf sind nicht dokumentiert“, sagt Gande. Den Fall Ming Li schätzt sie als besonders brisant ein: „Er hat sich zuerst mit seinem Namen beworben und wurde trotzdem nicht eingeladen.“ Derzeit gebe es drei ähnliche Fälle, bei denen eine Diskriminierung aufgrund des Namens vermutet wird: „Es gibt eine hohe Dunkelziffer, weil sich nicht jeder meldet und nicht jeder ein Testing durchführt.“

Testing-Verfahren ist gerichtlich anerkannt

Um eine Diskriminierung nachweisen zu können, muss der Beweis erbracht werden, dass zwei Personen in einer vergleichbaren Situation unterschiedlich behandelt wurden. Dieses sogenannte Testing-Verfahren ist gerichtlich anerkannt.

Um seinem Verdacht weiter nachzugehen, wiederholt Ming Li sein Testing beim städtischen Wohnungsbauunternehmen Gesobau in Pankow. Nach dem gleichen Prinzip führt er im April zwei Tests durch. Wieder werden nur die vermeintlich deutschen Namen zur Besichtigung eingeladen. Beim zweiten Test verwendet er neben den zwei ausländischen sogar zwei unterschiedliche deutsche Namen.

Doch auch die Gesobau bestreitet nach einer Beschwerde Lis alle Vorwürfe. Sie weist darauf hin, dass er in einem Zeitraum von neun Monaten zu sechs Wohnungsbesichtigungen eingeladen wurde. Das stimmt auch – allerdings laut Li nur in Randgebiete der Stadt. Am Vorwurf der Diskriminierung ändert das nichts, da es konkret um die Wohnungen aus den Tests geht. „Diese geringe Quote spricht für mich eher für eine Diskriminierung“, sagt Li.

Gegenüber der taz distanziert sich die Gesobau von diskriminierenden Handlungen. Die Bewerbung laufe über einen standardisierten Bewerbungsprozess mit klaren Kriterien. Nähere Angaben hierzu wollte das Unternehmen nicht machen. Die Auswahl der Mieter*innen erfolge nach einem „Abwägen der Vergabekriterien der sozialen Mischung und Ausgewogenheit der unterschiedlichen Bewohnerstrukturen.“ Zu den Besichtigungsterminen heißt es: „Die Einladung zur Besichtigung erfolgt nach der Reihenfolge der Anfragen und der Erfüllung der formalen Voraussetzungen.“

Li ist immer am schnellsten, bekommt aber keine Einladung

Ming Lis E-Mail-Verläufe liegen der taz jedoch vor. Sie belegen klar, dass die Anfragen mit seinem Namen den vermeintlich deutschen Namen zeitlich immer vorgelagert waren. Die Gesobau wollte den Vorfall nicht weiter kommentieren.

Li zieht ein Fazit: Bei vier Versuchen haben sieben vermeintlich ausländische Namen keine Einladung von Howoge und Gesobau bekommen, sechs vermeintlich deutsche hingegen immer. Li verklagt nun Howoge und Gesobau wegen Diskriminierung. Die zwei Klagen sind bei den Amtsgerichten Lichtenberg und Wedding eingegangen, wie sie auf taz-Anfrage bestätigten. Verhandlungstermine stehen noch nicht fest.

Da mit den dokumentierten Testings Indizien für eine Diskriminierung aufgrund ethnischer Herkunft vorliegen, müssen Howoge und Gesobau nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz vor Gericht nachweisen, dass es sich bei den vier Fällen um Zufälle handelt. Im Januar 2017 gab es bereits einen ähnlichen Fall: In Hamburg wurde eine Wohnungsbaugesellschaft wegen diskriminierenden Verhaltens verurteilt.

Ming Li fühlt sich ungerecht behandelt, aufgeben möchte er aber nicht: „Ich habe die Firmen verklagt, damit die Wohnungsvergabe endlich transparent wird und keine Black Box bleibt.“

*Die Namen der Wohnungssuchenden wurden von der Redaktion geändert

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