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Deutschlands InnovationspolitikDrohender Abstieg in der Forschung

Die Expertenkommission Forschung und Innovation warnt vor einer abnehmenden Konkurrenzfähigkeit Deutschlands bei zentralen Schlüsseltechnologien.

In vielen Technologie-Bereichen wird Deutschland überholt Foto: Ulrich Roth/imago

Berlin taz | Von einer „Zeitenwende“ hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in seiner Regierungserklärung nach dem russischen Überfall auf die Ukraine gesprochen, verbunden mit einem 100 Milliarden Euro schweren Modernisierungsprogramm für die Bundeswehr. Wird dies auch auf die Forschungspolitik durchschlagen? Kommt es in Laboren jetzt zu einem Entwicklungsschub für Verteidigungstechnologien?

Für die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), die jedes Jahr für die Bundesregierung einen Bericht über deren Innovationspolitik erstellt, kommt diese Frage noch zu früh. Der Ukraine-Krieg sei ein „exogener Schock“, dessen Auswirkungen in das neue Gutachten noch nicht eingearbeitet werden konnten, sagte EFI-Vorsitzender Uwe Cantner am Mittwoch, als die 186-Seiten-Expertise in Berlin an Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) überreicht wurde.

Indirekt war das aus sechs Wirtschaftswissenschaftlern zusammengesetzte Gremium da schon selbst „kriegsbetroffen“, denn die ursprünglich im Februar geplante Übergabe des Gutachtens an Kanzler Scholz musste wegen der Putin-Aggression kurzfristig abgesagt werden.

Der Bericht hat es in sich. Er dokumentiert auf seine Weise keine abrupte, aber eine schleichende „Zeitenwende“, die für die Bundesrepublik, zumindest ihre heutige Wohlstandsverfassung, genauso bedrohlich werden kann. Die Rede ist von der abnehmenden Konkurrenzfähigkeit Deutschlands bei zentralen Schlüsseltechnologien. Größter Hemmschuh ist die schleppende Digitalisierung in vielen Bereichen, wie der Gesundheitsversorgung oder der Bildung. In internationalen Vergleichen fällt Deutschland weiter zurück.

„Die deutsche Politik muss noch aktiver werden, wenn es darum geht, technologische Rückstände aufzuholen“, fordert Cantner. „Bei den digitalen Technologien brauchen wir jetzt einen Booster.“ Überall im Gutachten findet sich Sätze wie: „Die digitale Transformation verläuft in Deutschland sehr schleppend und muss deshalb in der neuen Legislaturperiode deutlich forciert werden.“ Oder: „Mit den bisherigen Strukturen und Prozessen innerhalb der Bundesregierung ist es trotz aller Bemühungen nicht gelungen, die im internationalen Digitalisierungswettbewerb notwendige Dynamik zu entfachen.“

China zieht voran

Was an Tempo möglich ist, demonstriert China. Mit einer Dynamik ohnegleichen hat sich das Land in den letzten 20 Jahren quasi aus dem Nichts heraus eine Spitzenposition in der Forschung, Anwendung und beim Handel mit Hightech-Produkten erobert, bemerkt die EFI-Studie. Untersucht wurden 13 Einzeltechnologien, die sich vier übergeordneten Bereichen von Schlüsseltechnologien zuordnen lassen: Produktion, Material, Bio- und Lebenswissenschaften sowie digitale Technologien.

Anhand der Auswertung von wissenschaftlichen Publikationen, Patentanmeldungen, Handelsstatistiken und der internationalen Standardsetzung ergab sich das Bild, dass Deutschland zwar Stärken in den Produktionstechnologien sowie den Bio- und Lebenswissenschaften aufweist. Aber als „ernsthaft kritisch“ bewertet EFI-Mitglied Carolin Häussler von der Universität Passau den Befund, dass „Deutschland im Bereich der digitalen Technologien deutliche Schwächen zeigt, wie auch die gesamte EU“.

Die Ausstrahlwirkung der digitalen Technologien in die anderen Schlüsseltechnologien sei enorm. „Hier Schwächen zu haben bedeutet, unsere Stärken zu riskieren“, warnt Carolin Häussler. Bei 6 der 13 Schlüsseltechnologien ist China heute Deutschlands wichtigster Lieferant. Häussler: „Die Abhängigkeit von chinesischen Importen macht der Expertenkommission Sorge.“

Ob die Regierung den Vorschlägen der Experten folgt, ist nicht unbedingt ausgemacht. Anfangs sei die Kommission sehr erfreut gewesen, im Koalitionsvertrag der Ampelregierung so viele EFI-Vorschläge aufgelistet zu sehen, berichtete Katharina Hoelzle vom Hasso-Plattner-Institut in Potsdam. Aber bei näherem Hinsehen hat sich die Regierung um zentrale Empfehlungen der EFI-Kommission dann doch elegant herum gedrückt.

Nicht schlagkräftig genug

So wurde die Installierung eines Bundesdigitalministeriums, von EFI heiß empfohlen, nicht angepackt. Dafür wird eine Transferagentur neuen Typs aufgebaut, die „Deutsche Agentur für Transfer und Innovation“ (Dati), die EFI für überflüssig hält. Wichtiger als die Schaffung neuer Institutionen sei die innere „Agilität“ der Bundesministerien, ihre schnellere und ressortübergreifende Kooperation, um die deutsche Forschungs- und Innovationspolitik schlagkräftiger zu machen.

Ministerin Stark-Watzinger, die noch immer an ihrem „100 Tage-Programm“ arbeitet, das in diesem Monat vorgestellt werden soll, verriet zum künftigen Kurs der Forschungspolitik nur so viel, dass sich ihr Haus im Mai zu den Empfehlungen der EFI-Kommission äußern und zur Jahresmitte das große Konzept einer „Zukunftsstrategie“ ins parlamentarische Verfahren einbringen werde.

Und die Zeitenwende in der Forschung? „Die aktuelle Lage zeigt deutlich, dass wir unabhängig von Russland als Energielieferant werden müssen“, erklärte ein Sprecher des Ministeriums auf Anfrage. „Grüner Wasserstoff ist ein zentrales Element einer zukunftsfähigen Energieversorgung, die uns aus der Energieabhängigkeit von Russland löst.“ Eine Militarisierung der Wissenschaft stehe nicht zur Debatte. „Die Forschungsförderung des BMBF“, so dessen Sprecher, „ist rein zivil ausgerichtet.“

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6 Kommentare

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  • Die Digitalisierung schreitet nur schleppend voran und man fragt sich, woran das eigentlich liegt. Eine der größten Volkswirtschaften der Welt hat das Nachsehen gegenüber den meisten Ländern in Europa. Die Löhne und Durchschnittsgehälter sind hier überdurchschnittlich und ich habe hier auch bei einigen Online Marketing Agenturen wie hier unter www.onlinesolution...ng-agentur-berlin/ gesehen, dass Unternehmen Fördermöglichkeiten von bis 16500 Euro erhalten können und damit bestens aufgestellt wären, wenn es speziell um den Digital Marketing Bereich geht. Doch es wird nicht in seinem Potenzial genutzt. Ich bin gespannt, welche Ansätze die Ampelkoaltion auf den Weg bringt.

  • Manchmal ist es besser, keine staatliche "Strategie" mit viel Aufwand zu entwerfen, sondern die Leute einfach machen zu lassen. Ausprobieren und von den Abnehmern bewerten lassen.

  • Nicht einmal der taz-Wissenschaftsredakteur hinterfragt, ob die Digitalisierung der Gesundheitsversorgung und der Bildung überhaupt erstrebenswerte Ziele sind. Das ist doch eigentlich das, was die taz als unabhängige, kritische Zeitung ausmacht.

  • Das war schon vor 30 Jahren so, als ich in Deutschland ein Ingenieurbüro gründete. Ich kann mich noch lebhaft daran erinnern, wie ich vom Finanzamt drangsaliert wurde, mir von den Behörden Scheinselbständigkeit unterstellt wurde, ich eine IHK Zwangsmitgliedschaft ohne jegliche Gegenleistung eingehen musste und sich eine Woche nach Firmengründung die GEZ meldete. Das Betriebsrats Gedönse hat mir dann den Rest gegeben und ich bin ins Ausland gegangen, wo ich mit offenen Armen empfangen wurde.

    Rüttgers, Bulmahn, Schavan - durch die Bank Partei-Proporz-Technologie-Lachnummern im Forschungsministerium.



    In der Entwicklung moderner Schlüsseltechnologien ist Deutschland tatsächlich abgehängt und dieser Rückstand lässt sich auch nicht mehr aufholen. Das war's für D, gute Nacht!

  • Es wundert mich nicht, dass Deutschland und auch die EU sich auf dem absteigenden digitalen Ast befinden. Nur in Schönwetter-Reden höre ich das Schlagwort Digitalisierung ab und zu, eine ernsthafte digitale Umsetzungsstrategie fehlt aber bis heute.

    Dazu kommt, dass die Regulierungswut der EU gepaart mit dem deutschen Perfektionismus zu einem Bürokratie-Monster führt, der jede Innovationsfreudigkeit erstickt. Nach wie vor ein schönes Beispiel hierzu: die DSGVO, Datenschutz in seiner kompliziertesten Form.

  • Wenn mich nicht alles täuscht Predigt die EFI das schon seit Jahren...Indes wirklich gehört wurde es offenbar noch nie.



    Und leider, leider ist das nicht das einzige Blümlein der Ignoranz auf dieser Wiese.



    Grade in den letzten Jahren hat sich eine Politik des "Ich höre nur was mir auch passt.." um sich gegriffen. Zu unserer aller Schäden.