Deutschland und der Ukrainekrieg: Wir schaffen das nicht, wir verwalten das
Organisieren, strukturieren, managen. Darin ist Deutschland gut. Warum finden diese Leute jetzt nicht den richtigen Weg, um den Krieg zu beenden?
B estimmte Fragen werde ich für immer stellen wie ein Kind. Das sind vor allem ethische Fragen, solche, auf die „die Welt ist eben kompliziert“ entgegnet wird. Eine dieser Fragen lautet: Warum tut denn niemand was?
Vielleicht liegt es ja an der Identitätskrise. Deutschland, wer? Dichter, Denker, Umdichter, Querdenker? Man denkt gern an Goethe und baut auf dessen Schaffen ein feines Selbstbild auf. Man denkt nicht so gern an die Nazigroßeltern. Schade übrigens, dass Merkel gegangen ist. Wer ist man noch ohne die Raute? Wofür steht man, wenn politischer Normcore-Fanatismus nicht mehr reicht im Angesicht von Krieg und Krisen?
Dichter und Denker und Verwaltungsfachangestellte. Was man hier kann, ist Management. Nicht nur in Unternehmen, auch in Krisen. Montag früh landete der Branchennewsletter einer Jobplattform in meinem Postfach, von dem ich mir einrede, er würde meinen Horizont erweitern: „Die deutsche Automobilindustrie bewältigt Krisen bisher mit Bravour. Doch der Krieg in der Ukraine trifft die Branche ins Mark.“ Klares Managementproblem. Kabelbäume aus der Ukraine sind für deutsche Autobauende unverzichtbar. Jetzt muss man aber verzichten. Shit. Zeitgleich wird das eingekesselte Mariupol zur neuesten Schande europäischer Untätigkeit.
Möglichst geringe Kosten
Wegverwalter und Rausorganisiererinnen. Ist ja nicht so, als täte man nichts. Manche tun wirklich viel. Aber wenn wir Menschen live beim Sterben zusehen können, tut man dann genug und das Richtige? Die Bundesregierung wirkt gerade wie eine, die sich das alles möglichst wenig kosten lassen will. Wie eine, die alles versucht, um den Krieg zu managen. Nicht wie eine, die alles tut, um ihn zu beenden.
Man hat sich scheinbar damit arrangiert, auch die dringlichsten Probleme unserer Zeit innerhalb der amtlich geltenden Bearbeitungszeiträume und nach Prüfung aller Sachlagen und Risikominimierungsanalysen etwa im Jahr 2050 mit einem zukunftsfähigen und kompromissbasierten Handlungskonzept anzugehen. Klimakatastrophe, überlastetes Gesundheitssystem, Ungleichland – wir schaffen das nicht, wir verwalten das. Und jetzt verwalten wir auch Krieg, mal wieder.
Nicht mal das Sterben reicht also, die Angst der Deutschen vor Unwägbarkeit und Radikalität zu überwinden. Ein Land klammert sich an seine Wohlstandskäseglocke. Ein Bundeskanzler sagt „Zeitenwende“, aber ein echtes Energieembargo bleibt aus. Ein Ex-Bundespräsident findet, man müsse frieren für die Freiheit. Aber niemand fragt: „Würden Sie uns wieder wählen, wenn wir Menschenleben für schützenswerter hielten als die schwarze Null?“ Vielleicht, weil sie fürchten, die Antwort wäre nein. Vielleicht haben sie recht. Doch wer sich Teil einer Wertegemeinschaft nennt, der bräuchte andere Maximen als Nationalstaat first, Humanismus second. Was ein Kind fragt: Warum beendet niemand den Krieg?
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