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Deutschland reduziert CO2-AusstoßDas war der leichte Teil

Jonas Waack
Kommentar von Jonas Waack

Dass sich Deutschlands Emissionen 2024 im Vergleich zu 1990 fast halbiert haben, ist ein Erfolg. Doch der schwere Teil der Dekarbonisierung kommt noch.

Verkehrsstau auf einer Stadtautobahn Foto: Sabine Brose/imago

I n Deutschland wurde zum dritten Mal in Folge weniger CO2 ausgestoßen als im Vorjahr. Der Ausbau der erneuerbaren Energien läuft auf Rekordtempo: Noch nie wurde so viel Solarkraft zugebaut, noch nie so viele Windräder an Land genehmigt. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima macht hier seinem Namen alle Ehre. Doof ist nur: Das war der leichte Teil.

80 Prozent der eingesparten Emissio­nen stammen aus dem Stromsektor. Hier konnte ein Sechstel der Kohlekraft abgestellt werden, weil genug Erneuerbare gebaut wurden und wir Strom aus dem Ausland importieren – der übrigens zu drei Vierteln CO2-frei war.

Aber der Stromsektor ist recht leicht zu dekarbonisieren: Ob grüner oder schmutziger Strom aus der Steckdose kommt, kann die Politik durch kluge Gesetzgebung beeinflussen: Klimaminister Robert Habeck (Grüne) hat zum Beispiel viel Kraft darauf verwendet, Flächen für Windkraft freizuschaufeln und den Zubau von Solarkraft zu erleichtern. In diesem Bereich der Dekarbonisierung ist Deutschland unter der Ampelkoalition wirklich gut geworden.

Wie die Leute heizen, entscheiden sie selbst

Damit das Land schnell klimaneutral wird, müssen aber auch die Emissio­nen im Verkehrssektor und beim Heizen sinken. Hier hat die Bundesregierung kaum Fortschritte gemacht. Auf den Autobahnen wird immer noch mit Verbrennern gerast, in Häusern werden immer noch vor allem Gasheizungen eingebaut.

Wie sie von A nach B kommen und wie geheizt wird, bestimmen die Leute meist selbst und müssen Klimaschutz­investitionen aus eigener Tasche bezahlen. Es ist weit schwerer, sie zum ÖPNV oder zur Wärmepumpe zu bewegen, als den Strommix zu verändern. Habecks vergeigtes Heizungsgesetz hat dabei nicht geholfen.

Denn um den Leuten beim Heizen und Umherfahren Klimaschutz schmackhaft zu machen, muss der Staat viel Geld in die Hand nehmen: Sanierungen fördern, Bus und Bahn ausbauen, Verbrenner von den Straßen vertreiben. Das stößt nur auf Akzeptanz, wenn es niemanden finan­ziell überfordert. Und damit steht der schwere Teil erst noch an.

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Jonas Waack
Klima-Redakteur
Jahrgang 1999, zuständig für Klima-Themen im Ressort Wirtschaft und Umwelt. Stadtkind aus Mecklenburg, möchte auch sonst Widersprüche vereinbaren. Bittet um Warnung per Mail, falls er zu sehr wie ein Hippie klingt.
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5 Kommentare

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  • Die CO2-Ausstoß-Reduzierung in D hat keinen Einfluss auf Dekarbonisierung weltweit. Ein Verschiebung in andere Regionen ändert garnichts, es fürt nur dazu, dass die notorischen Umweltverpester denken: "Na also, dann macht mein kleines bisschen ja nix..."

  • "80 Prozent der eingesparten Emissio­nen stammen aus dem Stromsektor. Hier konnte ein Sechstel der Kohlekraft abgestellt werden, weil genug Erneuerbare gebaut wurden und wir Strom aus dem Ausland importieren – der übrigens zu drei Vierteln CO2-frei war."

    Wichtiger Punkt vergessen: Rückgang des Stromverbrauchs um 10% unter der Ampelregierung. Deindustrialisierung wirkt, verschiebt aber die Emissionen nur nach China und erhöht sie dabei auch noch.



    Insofern kein Grund zum Jubeln, die einzig gute Nachricht hier: der CO2-freie Import gestiegen, Spitzenlieferant Frankreich.

    • @Descartes:

      Deindustrialisierung ist quatsch. Eine Behauptung die einem Zweck dient, die Politik dazu bewegen Geld locker zu machen. Die Firmen sind immer am rumnöhlen, aus politischem Kalkühl sonst nix. Wie neulich mit VW. Rumkrakelen Werke schließen, dann plötzlich doch nicht nötig als die IG mal genauer hingeschaut hat.



      Genauso das mit dem Strom. Die Erzeugung und der Verbrauch sind seit 10 Jahren fast konstant, der Rest ist Energieiffizienzgewinn. Wenn Energieintensiver Kram abwandert ist das meistens was gutes, diese Güter sind idr Bulkwaren die wenig Ertrag bringen, aber viel wertvolle Energie brauchen. Die Welt wird noch sehen wie eine Verschiebung dieser Produktionen in Länder mit extrem viel EE abwandert. Namibia, Chile, China, Irland, Norwegen. Und das ist gut, denn niemand will überteuerte Güter nur weil man sie an einem ungünstigen Standort produziert. Deshalb imortiert zb Australien Orangensaftkonzentrat anstatt Orangen anzubauen, es ist billiger. Schon amüsant das Leute die sich offensichtlich als mitte-rechts sehen planwirtschaftliche Eingriffe fordern. Btw DE ist IMMER Energieautark. Strom wird ausschließlich importiert wenn es billiger ist. Meistens is der FR AKW Strom teurer.

      • @Jasmin Reeh:

        "..Wenn Energieintensiver Kram abwandert.." Hier liegt das Problem. Es hilft dem Klima überhaupt nicht wenn dies passiert. Hauptsache nicht bei uns, wir sind sauber. Naiv-elitäre, myopische Weltsicht.



        "..Btw DE ist IMMER Energieautark..." auch diese Aussage, voll daneben, eine belastbare Quellenangabe würde diese Aussage glaubwürdiger machen.



        "... Meistens is der FR AKW Strom teurer..." klar, weil wir jeden Preis bezahlen müssen, wenn in D nicht genügend produziert wird. Aber das ist Marktwirtschaft oh je...

  • Zu kurz gesprungen.



    Wir sind an dem Punkt, an dem Theorie zur realen Praxis wird:



    Dunkelflaute und Hellbrise.



    Die volatile EE-Stromerzeugung erfordert ab sofort (bei steigendem EE-Ausbau) ein 2. Energiesystem aus Backupkraftwerken um bei Dunkelflaute Strom zu liefern.



    Bei Hellbrise werden wir gigantische Stromüberschüsse bekommen, die wird man nicht wegregeln können. WKAs wird man nicht ausgerechnet dann abstellen, wenn Sie bei viel Wind richtig Strom liefern. Das ist politisch nicht durchsetzbar. Wir brauchen also ein 3. Energiesystem, das die überschüssigen Strommengen verbraucht. Elektrolyse ist die derzeit einzige Technologie, die beide Probleme lösen könnte. Aber nur zum kleinen Teil. Zum grösseren Teil wären wir auf EE-Importe angewiesen, also jene Energie, die die anderen Länder selbst nicht haben. Viel naheliegender ist, bestehende Kohlekraftwerke mit CCS (besser: CCU) zu betreiben, also NICHT zu defossilisieren.



    Zur Erinnerung:



    Es geht um CO2-Reduktion, nicht um Defossilisierung.



    Und in der langfristigen Perspektive des technisch, politisch wie wirtschaftlich machbaren, unter Einbeziehung der Energieautarkie von Ausland sollte man nochmals über AKWs nachdenken.