Deutsches Stromnetz in der Energiewende: Wattzahlen allein zählen nicht
In Deutschland können noch so viele Windräder gebaut werden. Ohne Ertüchtigung des Stromnetzes wird es mit der Energiewende auch so nichts.
W ie jedes Halbjahr hat die Windbranche wieder ein umfassendes Zahlenwerk über den Anlagenzubau vorgelegt – zufrieden ist sie damit natürlich nicht. Der Zubau von Windrädern an Land, so formuliert die Lobby, sei „hinter den Erfordernissen für die sichere Erreichung eines Ausbauziels von 115 Gigawatt im Jahr 2030“ zurückgeblieben.
Neu aufgestellte Megawatt – für eine Branche sind das naturgemäß entscheidende Zahlen. Will man jedoch aus einer übergeordneten Perspektive beurteilen, wie es mit der Energiewende vorangeht, ist das nur ein Aspekt von vielen. Denn an anderer Stelle hakt es noch gewaltiger: Immer öfter reichen die Netze nicht mehr aus, um den wetterabhängig erzeugten Strom vollumfänglich aufzunehmen. Immer mehr Energie aus Windkraft und zunehmend auch aus Photovoltaik muss in der Folge abgeregelt werden.
Trotzdem hat man in der Energiewende-Debatte den Eindruck, als hinge der Erfolg der Energiewende alleine am Ausmaß des Anlagenzubaus. Eine gefährliche Kurzsichtigkeit. Wenn wir die Windkraft von heute 59 Gigawatt bis in sieben Jahren verdoppeln und die Photovoltaik von heute 72 Gigawatt verdreifachen wollen, müssen wir endlich darüber reden, was das für die Stromwirtschaft bedeutet.
Wir müssen diese Debatte einerseits technisch führen, also die Frage beantworten, wie ein Netz mit 330 Gigawatt summierter Solar- und Windleistung stabil zu managen sein wird. Ausreichend Speicher dürfte es dafür auch 2030 noch nicht geben.
Ökonomischer Kannibalismus
Wir müssen die Debatte zudem ökonomisch führen. Schon in den vergangenen Wochen fiel der Börsenstrompreis mittags immer wieder auf null oder sogar satt ins Negative. Bei 215 Gigawatt Photovoltaik, wie sie die Bundesregierung für 2030 anpeilt, wird Solarstrom, sobald die Sonne landesweit scheint, nichts mehr wert sein. Gleichermaßen wird der Windstrom wertlos sein, wenn es ordentlich bläst. Ökonomisch werden sich die Anlagen also kannibalisieren. Soll das dann der Staat auffangen? Viele Fragen also – abseits der reinen Megawattzahlen.
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