piwik no script img

Deutsche Autobauer auf Pekinger MesseDas wird ein Marathon

Bei der E-Mobilität sind die Chinesen der Konkurrenz davongefahren. Können die deutschen Platzhirsche bei der Automesse in Peking mithalten?

Der Preiskampf auf dem Automarkt in China ist brutal: Nur Marktführer BYD verdient wirklich Foto: Tingshu Wang/reuters

Berlin taz | Wenn Automanager vom berüchtigten „China-Speed“ schwärmen, dann kommt einem sofort der 54-jährige Lei Jun in den Sinn. Vor gerade mal drei Jahren gab der Xiaomi-Gründer bekannt, nun auch ins E-Auto-Geschäft einsteigen zu wollen. „In den letzten 10 Jahren haben wir sehr gute Handys gemacht. Ich bin mir sicher, dass wir auch sehr gute Autos produzieren werden“, sagte Lei.

Am Donnerstagmorgen steht er mit breitem Lächeln auf der Bühne seines Messestandes, umzingelt von Influencern, Journalisten und Krawattenträgern. Lei Jun hat mit dem brandneuen SU7 den wohl größten Hype der Branche kreiert; eine futuristisch designte Limousine, die umgerechnet 30.000 Euro kostet. Nun verkündet Lei stolz, dass bereits mehr als 75.000 Vorbestellungen bei Xiaomi eingegangen seien und über 5.000 Fahrzeuge ausgeliefert wurden.

Damit hat er die Stoßrichtung für die am Donnerstag eröffnete Auto­show in der chinesischen Hauptstadt vorgegeben. Als wichtigste Branchenmesse im größten Automarkt der Welt gilt die Veranstaltung als Gradmesser für die Mobilität der Zukunft. Wie kein anderes Land der Welt hat Chinas Staatsführung früh mit einer flächendeckenden Industriepolitik den Grundstein für die Elektrowende gesetzt. Nun stellen in der Hauptstadt 1.500 – meist chinesische – Konzerne ihre neuesten Errungenschaften vor, allein 120 neue Fahrzeugmodelle werden in den nächsten Tagen präsentiert.

Volkswagen legte mit dem ID.Code immerhin ein Konzeptauto vor, das ästhetisch und technologisch die Richtung für künftige E-Modelle in China vorgeben soll – mit integriertem Saugroboter für den Boden des Innenraums. „Dass die großen Fische die kleinen Fische auffressen, gehört der Vergangenheit an. In China gibt es das Sprichwort, dass es die schnellen Fische sind, die die langsamen auffressen“, sagt Ralf Brandstätter.

VW-Verbrennergeschäft läuft solide

Der VW-China-Chef hat an diesem wolkenverhangenen Vormittag in das Pekinger Phoenix Center geladen, ein Gebäude wie eine Möbius-Schleife. Inmitten des futuristischen Settings versucht der Braunschweiger Manager nun, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, wie er die Aufholjagd zur chinesischen Konkurrenz gewinnen kann. Denn während die Wolfsburger zwar ein solide laufendes Verbrennergeschäft am Laufen haben, sind sie im Bereich der E-Autos nur noch einer unter vielen Anbietern: Unter fünf Prozent liegt ihr Marktanteil in China.

Zumindest habe man genug Rücklagen für einen langatmigen Marathonlauf, sagt VW-Chef Oliver Blume. „Es ist wie beim Sport: Wenn man gute Konkurrenten hat, muss man besser werden. Das treibt die Industrie an.“ Für die Aufholjagd setzt der Konzern praktisch alles auf die China-Karte: Die Entscheidungen werden zunehmend autonom in der Volksrepublik getroffen, die Forschung vor Ort lokalisiert und gemeinsam mit chinesischen Partnern wird die Software- und Batterieproduktion vorangetrieben.

Gleichzeitig machen sich die deutschen Autobauer keine Illusionen, dass die nächsten Jahre nicht hart werden: Bis 2026 befinde man sich in einer „Stabilisierungsphase“, der große Angriff werde erst im Jahr 2030 erfolgen. Dann nämlich werde Volkswagen 30 neue batteriebetriebene Modelle auf dem chinesischen Markt lancieren.

Die Spitzenposition lässt sich BYD wohl nicht mehr nehmen. Unter riesigem Medieninteresse hat der Autobauer mit Sitz in Shen­zhen am Donnerstag seine neusten Modelle präsentiert; darunter auch ein Elektroauto für unter 10.000 Euro. Da die Chinesen von der Batterieproduktion bis hin zu den exportierenden Containerschiffen alles selber kontrollieren, kann ihnen preislich niemand so schnell das Wasser reichen. „Build Your Dreams“ ist der vielleicht einzige chinesische Elektrobauer, der derzeit wirklich profitabel ist. Bei den meisten Konkurrenten ist das boomende Geschäft weiterhin eine Wette auf die Zukunft: Der Markt wurde durch die massive Subventionspolitik der chinesischen Regierung derart aufgeheizt, dass sich in den letzten Jahren ein beispielloser Preiskrieg entfacht hat.

Chinesische Autobauer exportieren vor allem in die EU

Umso stärker ist derzeit der Anreiz für chinesische Unternehmen, ihre Überkapazitäten in die führenden Industrienationen zu exportieren – vor allem in die Europäische Union. Allerdings untersucht die EU-Kommission derzeit die mutmaßlich wettbewerbsverzerrende Subventionspolitik der Chinesen.

In den riesigen Hallen des „China International Exhibition Center“ scheint der drohende Handelskrieg mit Europa noch weit weg. Euphorisch laufen Tausende In­flu­en­ce­r:in­nen mit riesigen Smartphonestativen durch die Gänge. Am Donnerstagmorgen sind jedoch viele Besucher der Autoshow zu spät gekommen. Wer mit einem Pkw angereist ist, blieb auf dem Weg zum Messegelände am nordöstlichen Stadtrand in einem kilometerlangen Stau stecken. Pünktlich kamen nur diejenigen an, die die U-Bahn wählten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • "Bis 2026 befinde man sich in einer „Stabilisierungsphase“, der große Angriff werde erst im Jahr 2030 erfolgen."

    Na, dann mal viel Spaß beim großen Angriff. Der Verbrennermarkt ist letztes Jahr in China um 25% gesunken - in einem insgesamt wachsendem Automobilmarkt. Der stabile und sogar wachsende VW Anteil unter den Verbrennern dürfte bei dieser Geschwindigkeit 2030 nicht mehr viel wert sein.

    Wenn die deutschen Hersteller langfristig überleben wollen, müssen sie es in China schaffen, relevant zu bleiben - und das geht nur mit viel mehr Entwicklungsgeschwindigkeit bei Elektrofahrzeugen.

  • Auch hier ein komfortables Versagen der Regierung Merkel mit 16 Jahren überwiegend Stillstand und sehr unfähigen Verkehrsministern am laufenden Meter. Anstatt den VW-Skandal für Innovation zu nützen - eine promovierte Physikerin versteht da mehr als ein den Mund laufend vollnehmender Dobrindt. Wenn die Entwicklungszeiten 5 und mehr Jahre dauern, dann äußern sich die Defizite jetzt. Es könnte schon längst einen Superakku made in Germany geben, wenn Merkel auf ihre vollmundigen Ankündigung - 1 Million E-Autos - Taten hätte folgen lassen.

  • Wenn VW für den elektrischen Fortschritt alles auf die chinesische Vor-Ort-Karte setzt, brauchen die Chinesen sich vor der hierzulande propagierten Entflechtung der Beschaffungsketten ja nicht zu fürchten. Und wir bekommen so auch wenigstens weiter günstig moderne Technik ins Land.

    • @vieldenker:

      VW hat die deutsche Technik, Organisation etc. den Chinesen auf dem Silbertablett geliefert, auch in Xinjiang.



      Dafür bekamen die Manager gute Gewinnboni mit ihrem Chinaengagement, aber jetzt kommt das Erwachen.

      Wir sollten uns endlich von der Fixierung auf diese Autobranche lösen und auch in der Verkehrspolitik die überfällige Wende zu fairen Verhältnissen einleiten.

      • @Janix:

        Na ja, die deutschen Arbeiter von VW haben auch jahrelang gut von den fetten Bonuszahlungen profitiert. Ohne das Chinageschäft, wäre das so nicht möglich gewesen.



        Was der notwendige Umstieg in der Verkehrspolitik jetzt allerdings für die VW Belegschaften hierzulande an zusätzlichem Fairnessgewinn bringen soll, ist mir schleierhaft.

  • Selber Autofahren macht spass, deshalb wird es weiter welche geben. Aber fette, übermotorisierte Auto's sind Schwachsinn! "Pünktlich kamen nur diejenigen an, die die U-Bahn wählten"

  • Die Chinesen sind bezügl. Blech-Gehhilfen noch bekloppter als die Germanskis.

  • Da es zukünftig bei Autos mehr um Software und Usability gehen wird, als um Ingenieurskunst und Spaltmaße ist die deutsche Industrie sowieso geliefert.

  • Wir haben hierzulande so viel Volkswohlstand verbrannt, indem wir seit 1933 teuer die Autoindustriellen gemästet haben, Busse und Bahnen aber verkommen ließen.



    Wir sollten jetzt den absterbenden Industrien einfach zusehen und höchstens Auffanglager für die Wolfsburgers und Sindelfingers errichten - wenn die selbst nicht noch auf den Trichter mit (E-)Bikes kommen, die übrigens ohne diese ganzen Zuschüsse gekauft werden.

    • @Janix:

      Bei weltweit weiter steigenden Zahlen der PKW-Neuzulassungen würde ich dieser Industrie alles andere als eine Sterbetendenz unterstellen.

      • @Tom Tailor:

        Verbrennerautos sind jetzt schon stehend tot, noch ein paar fette Jahre. Und bei E können es andere besser. Und auch E ist viel zu ressourcenfressend und ineffizient, dass wir uns das noch länger leisten können,



        direkt und indirekt auf Kosten anderer teuer die Autoindustrie et al. zu bezuschussen, durch Infrastruktur, Umweltschäden, sogar direkte Zuschüsse.

    • @Janix:

      Es wurden keine Autoindustriellen gemästet. Die Aussage ist ein Fake.

    • 4G
      47351 (Profil gelöscht)
      @Janix:

      Wen Sie die Gewerbesteuerbescheide der Städte Wolfsburg und Sindelfingen seit 1933 kennen würden (selbstverständlich mit konjunkturellen Schwankungen), dann würden Sie nicht solch einen Unsinn schreiben.

      • @47351 (Profil gelöscht):

        Die kennen wir beide nicht wegen Steuergeheimnis. Aber die Schäden sind bundesweit, die Vorteile wären lokal - wie das bei der Steinkohle ja auch dann vorbeiging.



        Ihre Wortwahl war vielleicht nicht so glücklich getroffen.