Konkurrenz auf EU-Automarkt: China schickt Schiffe voller E-Autos
Chinas Autobauer wollen ihre E-Fahrzeuge schnell nach Europa bringen – und stechen deshalb selbst in See. Droht Deutschland die Autoflut aus Fernost?
„Der Hauptgrund, jetzt so viele Autos von China nach Europa zu transportieren, ist, die Transportkosten zu reduzieren und die Industriekette so wirklich kontrollierbar und autonom zu machen“, sagt Experte Cui Dongshu. Der Chef von Chinas Personenkraftwagen-Vereinigung CPCA bemerkt, dass die Autobauer zuvor kaum Schiffe buchen konnten, um ihre Autos in andere Märkte zu bringen. Eigene Frachter, auf die die Autos rauf- und von denen sie im Zielhafen schnell runterfahren können (roll-on/roll-off), machten die Zeitpläne kontrollierbar und ersparten den Firmen Beschränkungen, die möglicherweise ein Transport durch andere Anbieter aufkämen.
Neben BYD stach auch der staatliche Autobauer Saic, der mit Volkswagen ein Joint Venture betreibt, im Januar mit seinem ersten eigenen Autofrachter „Saic Anji Sincerity“ in See. An Bord: 3.700 Autos mit Kurs auch auf Deutschland. Zudem erwartet der Staatsbetrieb Chery in diesem Jahr die Auslieferung seines ersten eigenen Frachters. Unter den aktuellen Bedingungen benötige ein BYD-Schiff etwa 100 Tage für eine Rundreise, rechnet Qian Renjie vom Duisburger CAR Center Automotive Research vor. Aufs Jahr gesehen könnten die geplanten acht Frachter des Konzerns theoretisch mit je drei Rundreisen bis zu 168.000 E-Autos nach Europa bringen.
2023 exportierte China laut staatlichen Medien 1,2 Millionen Autos – fast 78 Prozent mehr im Jahresvergleich. In Deutschland stieg nach Daten des Kraftfahrtbundesamtes 2023 die Zahl der neu zugelassenen Fahrzeuge mit Herkunftsland China im Vergleich zum Vorjahr um 47,6 Prozent. Zahlenmäßig lagen chinesische Autos mit 33.699 Stück jedoch weit hinter der Konkurrenz aus anderen Ländern. Auch unter den Top-Five-Importmarken fand sich keine aus China.
Konkurrenz aus China nicht unterschätzen
Die internationalen Ambitionen BYDs sind laut Qian aber deutlich. „Mit der zunehmenden Transportkapazität und der Zusammenarbeit der lokalen Autohäuser werden andere Autobauer den Druck aus China deutlich spüren, nicht nur von BYD, sondern auch von Unternehmen wie Xiaomi, Nio und Xpeng“, erklärt der Analyst. In Deutschland müssten Chinas Marken noch ihr Billig-Image abschütteln. Jedoch rät Qian den heimischen Autobauern, die chinesische Konkurrenz nicht zu ignorieren.
Mit Showrooms in großen deutschen Städten versuchen die Chinesen, ihre Autos deshalb bekannter zu machen. Marktkenner beobachten, dass die Marken eher darauf setzen, mit Ausstellungsräumen wie denen von Tesla um die Aufmerksamkeit zukünftiger Käufer zu buhlen, statt sich in Industriegebiete zurückzuziehen.
Dass die Schiffe meist Europa ansteuern, liegt aber auch an den Häfen. Denn diese können laut Experte Cui anders als jene in Afrika oder Südamerika Auto-Frachter annehmen. In Bremerhaven seien die Ro-Ro-Schiffe neu, bemerkt die Sprecherin von BLG Logistics, Tina Allerheiligen. Die große Flut chinesischer Autos sehe der Betreiber des Autoterminals in der norddeutschen Stadt allerdings nicht. 2023 seien dort 1,7 Millionen Autos umgeschlagen worden, davon 10.000 chinesische. Das Unternehmen bemerke jedoch einen Wandel: Laut Allerheiligen werden mittlerweile mehr Autos importiert als exportiert.
Strafzölle der EU drohen
Kommt die Autoflut aus Fernost also noch? In den ersten beiden Monaten dieses Jahres lieferte China rund 75.600 E-Autos in die EU – ein Rückgang von rund einem Fünftel im Vergleich zum selben Vorjahreszeitraum, wie aus Daten des chinesischen Zolls hervorging. Außerdem köchelt in Brüssel noch die Anti-Subventions-Untersuchung der EU gegen in China produzierende Hersteller von E-Autos. Mit vorläufigen Ergebnissen wird im Juli gerechnet. Das Vorgehen spaltet die Branche in jene Firmen, die es befürworten, und andere, die Gegenmaßnahmen zu ihrem Nachteil aus Peking befürchten. Möglich sind Strafzölle der EU, die das Handelsverhältnis zwischen Europa und China deutlich verschlechtern würden.
Länder wie die USA sperren chinesische Autos bereits aus ihrem Markt, indem sie so hohe Zölle verlangen, dass sich für die Chinesen der Verkauf dort nicht lohnt. Manche Beobachter rechnen damit, dass sich die USA damit jedoch vom technologischen Fortschritt isolieren. Denn unter den E-Autos gehören chinesische Marken derzeit nach Meinung mancher Experten zu den fortschrittlichsten.
Aber nicht nur Chinesen verschiffen ihre E-Autos. Victor Gao von der staatsnahen Pekinger Organisation Zentrum für China und Globalisierung verweist auf den US-Autobauer Tesla, der von seinem Werk in Schanghai ins Ausland exportiert. „Der chinesische Markt ist der beste und am besten ausgestattete, um E-Autos herzustellen“, findet Gao. Ohnehin kämpfen E-Auto-Firmen in China gerade erbittert, um auf dem Markt zu überleben. Die Margen sind gering, viele sind nicht profitabel. „Derzeit gibt es mehr als einhundert E-Auto-Hersteller, die in China produzieren, aber am Ende werden vielleicht drei bis fünf überleben“, meint Gao.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett