Deutsch-marrokanische Beziehungen: Anbandeln trotz Westsahara-Konflikt
Baerbocks Reise war ein diplomatischer Coup für das Königreich. Nun knüpft es sich im Konflikt um die Westsahara Tunesien vor.
Schon die Begrüßung durch ihren marokkanischen Amtskollegen Nasser Bourita in Rabat schien erfolgversprechend. Auf Deutsch versprach er den Neustart der Beziehungen. Wie wichtig die Partnerschaften mit Nordafrika den EU-Ländern sind, zeigt der Zeitpunkt der Visite. Kurz vor Baerbocks Landung war der französische Präsident Macron in das benachbarte Algerien gereist.
Während das französisch-algerische Verhältnis wegen der unaufgearbeiteten Kolonialverbrechen angespannt ist, waren zuletzt auch deutsch-marokkanische Spannungen aufgetreten. Nach einer Forderung deutscher Diplomaten, Marokko möge sich an den UN-Friedensprozess für die Westsahara halten, zog das Königreich 2021 seinen Botschafter aus Berlin ab. Zuvor hatte sich Deutschland nicht dem Vorstoß der USA und Israels angeschlossen, die Zugehörigkeit der Westsahara zu Marokko anzuerkennen. Erst nach dem Regierungswechsel in Berlin näherten sich die beiden Regierungen wieder an.
Baerbock betonte nun zwar erneut Deutschlands Unterstützung des UN-Friedensprozesses. UN-Sondergesandter Staffan de Mistura versucht, zwischen der in Algerien basierten Westsahara-Unabhängigkeitsbewegung Polisario und Marokko zu vermitteln. Die Polisario verlangt ein Unabhängigkeitsreferendum gemäß geltender UN-Beschlüsse, Marokko will der ehemaligen spanischen Kolonie, die es seit 1975 fast komplett kontrolliert, lediglich Autonomie gewähren.
Teilnahme der Westsahara an Ticad-Konferenz führt zu Eklat
Die gemeinsame Erklärung, die Deutschland und Marokko zum Abschluss des Baerbock-Besuchs veröffentlichten, bestätigt nun aber auch die Suche nach einer „kompromissbasierten politischen Lösung“ und fährt fort: „In diesem Zusammenhang betrachtet Deutschland den im Jahr 2007 vorgestellten Autonomieplan als ernsthafte und glaubwürdige Bemühung Marokkos und eine gute Grundlage, um zu einer Einigung beider Seiten zu kommen.“
Bourita begrüßte das: „Ich sehe keinen Widerspruch zwischen dem 2007 von Marokko vorgelegten Autonomieplan und der Schlüsselrolle der Vereinten Nationen“, sagte er.
Wie schnell sich aufgrund des Westsahara-Konflikts der diplomatische Wind drehen kann, zeigen die aktuellen Verstimmungen zwischen Marokko und Tunesien. In der tunesischen Hauptstadt Tunis fand am Wochenende die Ticad-Konferenz statt, das regelmäßige Forum Japans zur Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika. Tunesiens Staatspräsident Kais Saied hatte unter anderem auch Polisario-Anführer Brahim Ghali eingeladen und ihn persönlich am Flughafen von Tunis begrüßt. Innerhalb weniger Stunden sagte Marokko die Teilnahme an der Konferenz ab und zog seinen Botschafter aus Tunis ab.
Zwar verschwand daraufhin das Foto des Treffens von Saied und Ghali von der Facebook-Seite des tunesischen Präsidentenpalastes. Aber dennoch zeigte man sich in Tunis erstaunt über die Abreise der marokkanischen Delegation. Die Einladung der Vertreter der Westsahara stehe im Einklang mit den Beschlüssen der Afrikanischen Union (AU), so ein Sprecher von Kais Saied. Tatsächlich waren Ghali und andere Polisario-Vertreter bereits zu Ticad-Treffen in Japan und ähnlichen Regionalkonferenzen eingeladen, ohne dass es zu Protesten Marokkos gekommen war.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl