Designierter FDP-Parteichef: Christian Dürr muss die FDP als Zukunftsprojekt verkaufen
Noch-Fraktionschef Dürr soll die Nachfolge von Christian Lindner an der Spitze der Liberalen antreten. Kann er die FDP zurück ins Parlament führen?

Gefragt, was ihn vom amtierenden FDP-Chef Christian Lindner unterscheidet, muss sein möglicher Nachfolger kurz überlegen. „Der Nachname macht den rein alphabetischen Unterschied“, sagt Christian Dürr dann. Doch reicht das aus, um die Liberalen in der außerparlamentarischen Opposition neu aufzustellen? Inhaltlich war aus Dürr am Montag zumindest nicht mehr rauszubekommen, als er in Berlin seine Kandidatur für den FDP-Vorsitz erklärte und dabei deutlich machte, die Landesvorstände der Liberalen bereits hinter sich versammelt zu haben.
„Ich bin als Fraktionsvorsitzender auch Teamleader“, stellte Dürr fest. Es gehe darum, für die Aufstellung der FDP in der Ära nach Lindner eine Gruppe zusammenzustellen, die aus „neuen Köpfen und bekannten Gesichtern“ bestehe. Dabei zählt Dürr zu der zweiten Kategorie.
Der heute 47-jährige Politiker führt die FDP-Fraktion im Bundestag seit mehr als drei Jahren. Dürr gilt als Vertrauter Lindners und musste dafür Sorge tragen, dass die FDP im Parlament den Kurs zur Ampel-Politik hält. Dabei kam auch Dürr nicht gegen die Absetzbewegungen der Liberalen an, die gerade im Bundestag immer offener mit der eigenen Regierungspolitik haderten und geeinte Gesetzesvorhaben wie das Rentenpaket blockierten.
Damit trägt auch Dürr einen Anteil an dem zerstrittenen Bild, das die FDP im Wahlkampf von sich gab und auch deshalb mit 4,3 Prozent den Einzug in den Bundestag deutlich verfehlte. Für die Liberalen ist dieser Makel wohl zu verschmerzen, und ohnehin will die FDP-Führung die Dauerkritik am eigenen Regierungshandeln nicht als Grund für den Misserfolg bei den Wahlen verstanden wissen. Von Dürr gab es nun nur einige nachdenkliche Worte: Der FDP seien im Wahlkampf viele Dinge zugeschrieben worden. „Wahrscheinlich hätten wir deutlich machen müssen, dass die verengten Zuschreibungen nicht stimmen.“
Auf dem Marsch durch die Talsohle
Für den Marsch durch die Talsohle, bei dem nicht klar ist, ob der Aufstieg so schnell wieder gelingt, ist die FDP dem Vernehmen nach zumindest finanziell gut aufgestellt. So könnte es auch Spielraum dafür geben, dass der Parteivorsitzende künftig Geld für seine Tätigkeiten bekommt. Bisher ist das bei der FDP ein Ehrenamt. Für Politiker in der Generation von Dürr dürfte das durchaus eine entscheidende Frage sein, angesichts des Risikos, das sie mit so einer Karriereentscheidung eingehen.
Bei seinen Reden wirkt Dürr mitunter hektisch und aufgekratzt, kann dabei im Bundestag aber durchaus auch unterhaltsam sein. Dabei wird er sich künftig aber auch an Noch-Parteichef Lindner messen lassen müssen, der zumindest rhetorisch die Messlatte bei der FDP hoch gehängt hat.
Doch genauso wichtig dürfte werden, wie gut es Dürr schafft, eine Truppe aufzustellen, die dem Projekt FDP Glauben schenkt und sie motiviert, am Ball zu bleiben. Zumindest die Außenpolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Parteivize Wolfgang Kubicki, die selber auch als mögliche Anwärter*innen für den Chefposten gehandelt wurden, scheint er auf seiner Seite zu haben. Auch die Landes- und Fraktionschefs der FDP stehen hinter ihm.
Den Job, den mühsamen Aufstieg der FDP irgendwie in die Wege zu leiten, scheint Christian Dürr niemand streitig machen zu wollen. Das Restvermögen und die Restmacht der FDP zu verwalten, ist nun seine Aufgabe. Im Mai soll ein Parteitag über seine Kandidatur entscheiden.
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