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Der nächste PapstEs wird kein zweiter Franziskus

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Alle Welt spekuliert über den nächsten Papst. Warum auf eine progressive Stimme nicht zu hoffen ist.

Der Nachfolger von Papst Franziskus wird im Mai gewählt – der Zeitgeist spricht eher für einen erzkonservativen Reaktionär Foto: Andrew Medichini/ap

S treng geheim hinter verschlossenen Türen wird zwischen dem 6. und 11. Mai ein neuer Papst gewählt. Das Verfahren ist so abgeschirmt, dass manche schon von einem Krimi sprechen. Am Ende löst der Vatikan den Fall aber selbst: Der nächste Pontifex ist einer der 135 zur Wahl stehenden Kardinäle, die jünger als 80 Jahre sind.

Fieberhaft wird jetzt über den einen oder anderen Kandidaten spekuliert, es werden Charisma verglichen und theologische Haltungen abgeklopft. Eines aber dürfte feststehen: Einen zweiten Franziskus wird es nicht geben. Das hat nichts damit zu tun, dass der Argentinier nicht beliebt war. Im Gegenteil, sein Engagement für die Armen und den Globalen Süden, seine Bescheidenheit und seine Empathiefähigkeit machten ihn zu einem besonderen Papst. Auch zu einem, der versuchte, die katholische Kirche dem Zeitgeist anzupassen.

Aber sein Reformwille hatte Grenzen: Weihen für Frauen waren mit ihm auf keinen Fall zu haben, ebenso wenig eine Ehe für alle, also auch für queere Personen. Nicht einmal die Segnung für Homosexuelle, der Franziskus seinen Segen gab, durfte seinem Willen zufolge einem Hochzeitsritual ähneln. Für die Aufarbeitung sexueller Gewalt in katholischen Einrichtungen hatte er offenbar nicht mehr übrig, als ein paarmal den Rosenkranz zu beten.

Doch Reformen vor allem in diesen drei Punkten wünschen sich sowohl katholische Frauenorganisationen als auch Homosexuellenverbände und Menschen, die als Kinder und Jugendliche von katholischen Würdenträgern missbraucht wurden. Sie haben jedes Recht dazu, nicht nur, weil das Fragen der Gleichstellung sind. Sondern weil die Welt von heute nicht mehr die von 1950 ist.

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Unabhängig davon, dass der Alltag in katholischen Einrichtungen zusammenbrechen würde, würden all die dort arbeitenden Frauen ihre Arbeit einstellen, gibt es herausragende Theologinnen, die natürlich Priesterinnen werden könnten. So wie es queeren Menschen zusteht, einander zu heiraten, mit allen Rechten und Pflichten, die heterosexuelle Paare auch haben. Missbrauchsopfer müssen endlich für das erlittene Elend entschädigt und die Täter zur Rechenschaft gezogen werden. Kurz: Den Reformprozess hatte Franziskus gerade mal sanft angestoßen. Dass dieser fortgeführt wird, ist kaum zu erwarten.

Im Gegenteil, wir dürfen wohl damit rechnen, dass der nächste Papst ein konservativer Knochen ist, der die katholische Kirche in eine Welt (zurück)führt, wie sie ein Großteil der Kardinäle am liebsten früher als später hätte: ohne Frauengedöns und queeres Lotterleben, mit Vater-Mutter-Kinder-Familien und einer männlichen Macht, die über allem steht.

Damit würden Vatikan und katholische Kirche auf einen Kurs einschwenken, den die Welt gerade eingeschlagen hat – hin zu Autokratien, der Macht des Stärkeren, toxischer männlicher Hybris, weg vom Anspruch an Gleichstellung, Solidarität, Menschlichkeit. Die Zahl der erzkonservativen bis reak­tio­nären Kardinäle, die gewählt werden könnten, ist jedenfalls nicht gering.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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8 Kommentare

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  • Eine total spekulative Einschätzung ohne Angabe nachvollziehbarer Gründe, warum es so kommen sollte. Vollkommen willkürlich und vermutlich aus eigener Befindlichkeitslage heraus konstruiert.

    Ein Hauptargument wurde nicht erwähnt, welches in die Wahl des neuen Papstes mit hineinspielen sollte: Die katholische Kirche erodiert und verliert massiv Mitglieder. Alleine in Deutschland sind in den letzten drei Jahren über eine Million Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten (2025 noch nicht eingerechnet):

    2022: Über 522.000 Austritte (dies war ein Rekordjahr).



    2023: 402.694 Austritte.



    2024: 321.611 Austritte (vorläufige Zahl).

    Ganz zu schweigen von den Austritten in anderen Ländern bzw. weltweit. Es ist nicht mehr die Kirche der Menschen. Wenn dies bei der Wahl des nächsten Papstes nicht berücksichtigt wird und nicht ein reformwilliger Papst gewählt wird, droht die katholische Kirche zu implodieren.

    Es spricht also mehr für die Wahl eines liberalen und reformwilligen Papstes, als für die Wahl eines erzkonservativen "Knochens".

  • Die drei im Kommentar erhobenen Forderungen betreffen aus Kirchensicht unterschiedliche Felder.



    Was die Aufarbeitung des Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen betrifft, ist zumindest in den "westlichen" Ortskirchen einiges passiert. Es ist ja nicht so, als würde "die" Kirche so tun, als sei alles nichts. Was eigentlich flächendeckend selbstverständlich sein sollte: die Täter den staatlichen Behörden übergeben, die Opfer angemessen entschädigen. Das könnte der Vatikan besser orchestrieren. Dessen Umgang mit zwei dt. Verantwortungsträgern (Erzbischöfe Hr. Marx und Woelki) war eher nicht zielführend, nur planlos.



    Die anderen Punkte: Frauenordination ist eine dogmatische, queere Ehen eine moraltheologische Frage. Beide Punkte werden aber von unterschiedlichen Ortskirchen je sehr anders beurteilt.



    Der Knackpunkt: Am weitestgehend "progressiv" haben sich die dt. Katholiken positioniert, und zwar Episkopat und Laien. Aber die Dt. machen nur noch ca. 1,5% der weltweiten Katholiken aus, geben also ein krasses Minderheitenvotum ab.



    Ich weiß nicht, ob es für Weitsicht des Papstes spräche, hier vor den Forderungen des Zentralkomitees der deutschen Katholiken bedingungslos zu kapitulieren.

  • 1. Es wäre hilfreich, wenn die Verfasserin irgendwelche Argumente für ihre Prognose geben würde. In einigen Themenbereichen gehört die katholische Kirche ja inzwischen eher zu den progressiven gesellschaftlichen Kräften (verglichen z.B. mit der Begeisterung für motorisierten Individualverkehr im Tat-Forum).

    2. Die Missbrauchsskandale sollten zahlenmäßig eingeordnet werden, hier z.B. was aus Wikipedia: „dass die Wahrscheinlichkeit an einer Schule missbraucht zu werden, 100-fach über der Wahrscheinlichkeit des Missbrauchs durch katholische Priester liege.[14]“

    de.wikipedia.org/w...atholischen_Kirche

    Das Gegenargument, dass die Kirche ja besonders hohe moralische Ansprüche usw., sollte man sich gut überlegen, denn damit wird sexuelle Gewalt z.B. in der Schule um Faktor 100 herabgewichtet.

    Ist natürlich schon ein Wharaboutismus, klar, aber die intellektuelle Gleichsetzung von Kirche und sexueller Gewalt ist halt auch ein billiger linker Talking Point.

  • Die Kirche ist ein Club, kein Pflichtverein. Das ist der entscheidende Unterschied.



    Wem die Regeln der Kirche nicht passen, der kann austreten.



    Deshalb sehe ich Reformansprüche a la Weihen für Frauen, Ehe für alle oder Segnung für Homosexuelle nicht gegeben.



    Es steht jeder Person frei ihren Glauben so auszuleben wie sie es möchte. Dafür garantiert unsere Religionsfreiheit.



    Sie ist ein Grundrecht für jede Person, aber keine Gesetzesvorgabe für Kirchen.



    Ehe für alle muss von staatlicher Seite ermöglicht werden - und das ist sie.



    Ehen müssen vom Staat zum Beispiel steuerlich gleich behandelt werden - und das werden sie.



    Kirchen hingegen sind keine staatliche Institution, sie können ihre AGBs selbst bestimmen.



    Dafür hat man ja verschiedene zur Auswahl oder gründet seine eigene. Zolibät und Priesterinnen sind zum Beispiel in der evangelischen Kirche kein Problem.



    Der einzige Anspruch der gegenüber den Kirchen tatsächlich besteht, ist der der Missbrauchsopfer. Es ist ein Skandal das sich dies bereits über Jahrzehnte hinzieht.



    ABER: hier muss der Staat für Aufklärung sorgen. Kirchen sind kein rechtsfreier Raum. Die fehlende Aufklärung ist Staatsversagen.

    • @Farang:

      Das ist Unsinn, die Kirche ist aus eigener Sicht eben gerade kein Club und keine Partei, wo man austreten kann, wenn einem etwas nicht passt, sondern eine Schicksalsgemeinschaft, zu der man für immer gehört, egal wie man damit hadert. Sie können auch nicht aufhören, Deutscher zu sein, und einfach Angolaner werden, nur weil Sie in Europa etwas stört. Dieses Argument (du kannst ja austreten, wenn du nicht zustimmst) wird in den letzten Jahrzehnten auch innerkirchlich oft von Ultrakonservativen missbraucht, um die Katholische Kirche zu einem gesellschaftspolitischen Kampfinstrument umzubiegen. Das fällt besonders in Amerika (wo das neoliberale "Marktmodell der Religionen" herrscht und der Konfessionswechsel als nichts Besonderes empfunden wird).



      Gerade diesen Bestrebungen hat sich der verstorbene Papst immer entgegengestellt. Das ist auch das Tröstliche an seinem Pontifikat, weil er vom ersten Tag an der lebende Beweis dafür war, dass es auch andere Katholiken gibt. Dass er nicht alles durchsetzen konnte und wollte, was die sehr europazentrischen Progressiven fordern, steht auf einem anderen Blatt, die Kritik von der Seite ist wohlfeil.

  • Der portugiesische Dichter-Kardinal, der in Afrika aufwuchs, könnte eine Alternative oder eine Lichtgestalt sein bzw werden:



    b. fr.de:



    „Du bist Poesie“, sagte Papst Franziskus zu Tolentino de Mendonca, als er ihn am 6. Oktober 2019 zum Kardinal ernannte, schreibt der Vatikanexperte Gerard O‘Connell im Jesuitenmagazin America Magazine. Kardinal Tolentino gilt demnach als führender Intellektueller der Kurie. Der 59-Jährige ist in seiner Heimat Portugal als Schriftsteller bekannt und hat mehrere Literaturpreise gewonnen."



    Im 08/2024 im Interview



    "Kurienkardinal: Katholische Kirche künftig keine Pyramide mehr



    Der portugiesische Kurienkardinal Jose Tolentino de Mendonca sieht die Einführung synodaler Beratungen in der katholischen Kirche als zukunftsweisende Veränderung an. In einem am Montag verbreiteten Interview der argentinischen Tageszeitung „La Nacion" sagte der Kardinal: „Die Frage der Synodalität wird die Zukunft der Kirche prägen."..."



    Für den "Kasus" Konklave: Ein konservativer katholischer Knochen ist für den Klerus der kathol. Kirche keine konstruktive Kunde.

    www.vaticannews.va...pyramide-mehr.html

  • "Aber sein Reformwille hatte Grenzen: Weihen für Frauen waren mit ihm auf keinen Fall zu haben, ebenso wenig eine Ehe für alle, also auch für queere Personen. "

    Nun ja mit war zu machen, dass er Frauen in Machtpositionen der Kurie einnehmen können und auch einnehmen. Das Theaterspielen während der Messe ist keine Machtposition. Das sind Entwicklungen über die die taz kaum berichtet hat.

    Die Glaskugelei in die Zukunft ist da ein wenig oberflächlich. Die Wahl wird spannend bleiben. Vielleicht gibt es sogar noche einen besseren FRanziskus.

  • Sorry, aber das ist ein Kommentar, der ins Blaue hinaus spekuliert. Aussage des Artikels: Der neue Papst wird ein "konservativer Knochen" weil die Welt auch sonst zunehmend von autoritären konservativen Männern regiert wird.



    Ich hätte mir da etwas mehr Inhalt gewünscht, ich bin ziemlich enttäuscht.