Der Bund und die Pandemiebekämpfung: Ein allzu kurzsichtiger Streit
Soll der Bund den Ländern vorschreiben, wie sie die Menschen vor Corona schützen? Teile der Union fordern das – und stellen den Föderalismus unnötig infrage.
S oll die stringente Kanzlerin Angela Merkel auch bei der Corona-Bekämpfung die Richtlinien der Politik bestimmen? Oder sollen wankelmütige Ministerpräsidenten wie Armin Laschet (NRW) und abenteuerlustige Landesväter wie Tobias Hans (Saarland) in ihrem Bundesland das letzte Wort haben?
So könnte man die Alternativen beschreiben, die Teile der Union nun aufzeigen. Sie wollen, dass die Bundesregierung sehr schnell per Verordnung die Pandemiebekämpfung zentral steuern kann. Merkels Verordnungen hätten dann nach dem Prinzip „Bundesrecht bricht Landesrecht“ sofort den Vorrang. Die bisherige Zuständigkeit der Länder für die Pandemiebekämpfung wäre dann weitgehend passé.
Natürlich gibt es gute Argumente für eine Zentralisierung. Wenn ganz Deutschland die richtige Strategie verfolgt, ist es vermutlich effizienter, als wenn nur die Hälfte der Bundesländer dazu bereit ist. Nur: Wer entscheidet, was die „richtige“ Strategie ist?
Wer Merkel mehr vertraut als Armin Laschet, mag derzeit für eine Zentralisierung der Kompetenzen sein. Doch was gilt, wenn der wankelmütige Armin Laschet plötzlich selbst Kanzler ist? Oder Markus Söder, dessen Rhetorik oft deutlich besser ist als seine Praxis?
Nein, eine Neuregelung der Pandemiebekämpfung ist kurzsichtig, wenn sie nur die aktuelle Konstellation im Blick hat. Außerdem ist der aktuelle Dissens zwischen neuem Lockdown und kontrollierten Öffnungen nicht so dramatisch, dass sich die Lockdown-Seite hier mit einer Parforce-Änderung des Infektionsschutzgesetzes sofort selbst ermächtigen müsste. Auch im Saarland sind keine Pandemie-Leugner an der Macht.
Allerdings war das bisherige dezentrale System der Pandemie-Bekämpfung mit den mühevoll koordinierenden Bund-Länder-Konferenzen auch nicht wirklich überzeugend. Über stringentere Alternativen kann man also durchaus nachdenken. Damit könnte und sollte der Bundestag sogar schnell beginnen. Damit gute und breit akzeptierte Lösungen zur Verfügung stehen – falls sich die Lage doch noch zuspitzt.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
Gedenken an Hanau-Anschlag
SPD, CDU und FDP schikanieren Terror-Betroffene