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Demos von AbtreibungsgegnernNicht wegducken vor den Rechten

Dinah Riese
Kommentar von Dinah Riese

Befördern progressive Gesetzesvorhaben den Rechtsruck in der Gesellschaft, und soll man sie deshalb lassen? Auf keinen Fall!

Die einzig richtige Antwort auf Ab­trei­bungs­geg­ne­r:in­nen Foto: Paul Zinken/dpa

R und 5.000 Ab­trei­bungs­geg­ne­r*in­nen zogen am Samstag durch Berlin und Köln. Das sind weniger, als zu Hochzeiten des „Marschs für das Leben“ – aber doch deutlich mehr als noch im Vorjahr. Christliche Jugendliche und Bischöfe liefen dabei Seite an Seite mit Rechten und Holocaustleugnern – eine unheilige Allianz. Auf die Straße treibt sie nicht zuletzt, dass im Programm der Ampel-Koalition auch Liberalisierungen im Abtreibungsrecht stehen.

Sei es die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen, die Selbstbestimmung von trans Personen oder queere Elternschaft – es stellt sich die Frage: Darf man progressive Politik machen, während der Rechtsruck immer heftiger wird? Wenn doch die AfD Kulturkampf betreibt, und die Union diesem immer weiter nachgibt – wie zuletzt im Thüringer Landtag geschehen? In diesen Zeiten könnte eine geradlinig feministische Politik noch Öl ins Feuer der Rechten gießen, fürchten manche. Doch die Antwort auf ihre Sorge muss lauten: Jetzt erst recht.

Denn wohin dieser Rechtsruck führt, sehen wir überall auf der Welt: In den USA hat eine reaktionäre Minderheit es geschafft, das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche zu kippen – mit katastrophalen Folgen für Millionen von Menschen. In Ungarn sind an Schulen Materialien verboten, die Homosexualität oder trans Geschlechtlichkeit darstellen. Auch in Deutschland ist die Debatte über das geplante Selbstbestimmungsgesetz durchsetzt von Menschenfeindlichkeit und enormer Abwertung von trans Personen.

Das Recht auf Selbstbestimmung ist essentiell für eine Demokratie. Der Schutz reproduktiver Rechte – darunter auch der Zugang zu sicheren und legalen Schwangerschaftsabbrüchen – ist ein Schutz von Menschenrechten. Die Rechte von trans Personen zu achten, bedeutet, die Menschenwürde zu achten.

Menschenrechte muss man verteidigen – immer, aber besonders dann, wenn sie in Gefahr sind. Der Angriff von rechts geschieht. Und er hört nicht auf, wenn demokratische Kräfte sich aus Sorge vor dem Backlash wegducken. Auch das lehren uns die erschreckend hohen Umfragewerte der AfD. Insofern darf man im Angesicht des Rechtsrucks nicht bloß progressive Politik machen – man muss es sogar. Mehr denn je.

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Dinah Riese
Ressortleiterin Inland
leitet das Inlandsressort der taz. Davor war sie dort seit Oktober 2018 Redakteurin für Migration und Integration und davor von 2016-17 Volontärin der taz Panter Stiftung. Für ihre Recherche und Berichterstattung zum sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen, Paragraf 219a StGB, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Im März 2022 erschien von Gesine Agena, Patricia Hecht und ihr das Buch "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.
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6 Kommentare

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  • Wenn das Eintreten für Demokratie ohne inhaltsleere Blähworte wie das überstrapazierte "progressiv" auskommt, erreich man sicher breitere Schichten.

    Außerdem klingt "progressiv" arg nach Eigenlob. Hey, es geht doch um die Sache und nicht darum sein Fähnchen sichtbar auszustellen.

    Nur als kleiner Einwand, sonst voll bei der Autorin.

  • Schwangerschaftsabbrüche als "Mord" bezeichnen, vom Wert eines jeden Lebens schwadronieren, aber sich für Schießbefehle an Europas Außengrenzen engagieren und sich ständig irgendwelchen Hinrichtungsfantasien hingeben....



    Schon sehr schräg.

  • Es geht nicht darum, sich "wegzuducken". Das Argument ist aus meiner Sicht auch nicht, dass progressive Politik "Öl ins Feuer" gießt. Der Vorwurf ist, dass man ohne Not kulturkämpferisch Debatten eröffnet, zu denen ein weitgehender gesellschaftlicher Kompromiss besteht. Die neu entfachte Debatte um die rechtliche Regelung der Abtreibung (und das Rufen nach genereller Straffreiheit der Abtreibung) ist ein gutes Beispiel. Die größte Bedrohung für den sicheren Zugang zu legaler Abtreibung in Deutschland ist nicht der Rechtsruck und nicht der §218 StGB, sondern der flächendeckende Rückgang des Angebotes an Möglichkeiten zur Abtreibung, was auch damit zusammenhängt, dass sich immer weniger Ärzt*innen finden, die bereit sind, Abtreibungen anzubieten. Die Abtreibungsproblematik ist eben nicht so einfach und eindimensional, wie sie oft gerne dargestellt wird, und je radikaler die eigenen Forderungen in diesem Bereich sind, desto mehr Leute, die beim bisherigen Kompromiss durchaus dabei sind, verliert man.

    Und wenn man schon auf die USA zeigt: Diese haben auch bewiesen, was für eine immense soziale und gesellschaftliche Sprengkraft die ganze Thematik hat. Wir sind in Deutschland in der privilegierten Position, einen guten Kompromiss zur Thematik gefunden zu haben und diesen in unsere Gesetzbücher geschrieben zu haben, was in den USA schlicht nie passiert ist (ein wichtiger Grund dafür, warum das Recht auf Abtreibung dort so leicht gekippt werden konnte). Wir sollten dieses Privileg nutzen und die konsequente Umsetzung der bestehenden Rechtslage befördern, anstatt in allen öffentlichen Debatten mit einer eindimensionalen "reproduktive Rechte"-Keule zu winken. Die meisten Menschen in Deutschland sind für ein Recht auf Abtreibung in gewissen Schranken. Die meisten Menschen in Deutschland sind gegen ein unbegrenztes Abtreibungsrecht.

    • @Agarack:

      Sie mögen sich damit zufrieden geben, ich nicht. Es ist nicht mein Kompromiss. Damit bin ich auch nicht allein wie gestern wieder zu sehen war. Sie selbsternannten Lebensretter,konnten nicht durch die Stadt ziehen.Gut so.

  • Absenkung der Grunderwerbssteuer (Thüringen) ist "Kulturkampf"? Okaaaay...

  • Nicht nur progressive Politik machen, sondern auch verteidigen und dafür einstehen. Wo sind den die Kommentare der unterstützenden Politiker zu den Demonstrationen.



    Einer Entwicklung nach Rechts ist in allen Ebenen entgegenzutreten - immer, zu jeder Zeit.