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Demos gegen RechtsDie autoritären Einschläge kommen näher

CDU-Fraktionsvize Mathias Middelberg stellt nach Protesten gegen Rechts die Gemeinnützigkeit von Vereinen infrage. Diese verteidigen sich.

Was darf man eigentlich noch? Die CDU droht nach Demokratie-Demos NGOs den Geldhahn abzudrehen Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Berlin taz | Über 1,5 Millionen Menschen haben seit Jahresbeginn gegen rechts demonstriert. Seit dem Tabubruch von CDU-Chef Friedrich Merz, bei einem Antrag auch auf die Stimmen der AfD zu setzen, richten sich zahlreiche Demonstrationen auch gegen den Eklat der Union und ihren Kanzlerkandidaten.

Organisiert und aufgerufen zu den Protesten haben gemeinnützige Vereine, aber auch zivilgesellschaftliche Initiativen, Nicht-Regierungsorganisationen, dezentrale Antifa-Gruppen, Fridays for Future, Gewerkschaften, Kirchen und viele mehr.

Seither macht nicht nur in extrem rechten Echokammern die absurde „Demogeld-Legende“ mal wieder die Runde, nach der sinngemäß die Antifa vom Staat finanziert würde. In ähnlicher Form mittlerweile wird sie nun auch von Erzeugnissen des Springer-Verlags und des rechtsradikalen Populismus-Portals „Nius“ propagiert.

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Der „Ressortleiter Meinungsfreiheit“ der Welt schrieb gar – offenbar von Trumps autoritärem Durchgreifen inspiriert – von einem „Deep State“ der NGOs von verfassungswidrigen Institutionen, die man brechen müsste.

Das Problem an dem haltlosen Geraune: Es verfängt als willkommene Verschwörungslegende, nicht zuletzt sogar in gewissen Teilen der CDU, der im Wahlkampf alles daran gelegen ist, die breiten und bundesweiten Proteste umzudeuten oder gar zu diskreditieren – obwohl ja auch Kirchen, viele (ehemalige) CDU-Mitglieder mitlaufen oder sich wie die Ex-Kanzlerin Angela Merkel gegen den Merz-Deal mit der AfD ausgesprochen haben.

„Demokratie leben“ soll sterben

So könnte das Geraune sogar zu konkreten politische Maßnahmen nach der Wahl führen. So drohte Unions-Fraktionsvize Mathias Middelberg (CDU) am Donnerstag tatsächlich in der Neuen Osnabrücker Zeitung, ohnehin prekär finanzierten gemeinnützigen Organisationen wegen „parteipolitischen Aktionen gegen CDU, CSU und den Kanzlerkandidaten Merz“ den Geldhahn abzudrehen: „Ein solches Agieren ist ganz sicher nicht mehr gemeinnützig und auch nicht förderungswürdig durch Steuermittel der Allgemeinheit“, sagte Middelberg.

Middelberg, selbst Haushaltspolitiker, kündigte an, entsprechende Förderprogramme des Bundes „sehr scharf“ prüfen zu wollen – „und gegebenenfalls auch ganz zu streichen“. Als Beispiel nannte er unter anderem das Programm „Demokratie leben“ des Bundesfamilienministeriums von Lisa Paus (Grüne). Das Programm unterstützt nicht nur zivilgesellschaftliche Initiativen in Gegenden Ostdeutschland, die längst unter einer antidemokratischen Hegemonie leiden.

Das Vorgehen erinnert an die AfD, die das Neutralitätsgebot seit Jahren überinterpretiert und gemeinnützige Vereine beim Finanzamt anzeigt, die sich für Demokratie und gegen Rechtsextremismus oder für Klima und jeweils damit auch die gegen AfD positionieren. Die Ampelregierung wollte das Gemeinnützigkeitsrecht zwar reformieren, um derartige Angriffe auf Vereine zu verhindern, ist damit aber gescheitert – unter anderem wegen der blockierenden FDP.

Stefan Diefenbach-Trommer ist der Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ aus mehr als 200 Vereinen und Stiftungen. Er setzt sich seit Jahren für eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts ein. Angesichts des autoritären Sounds in den letzten Tagen und Wochen machten sich die gemeinnützigen Vereine große Sorgen um die Demokratie, sagt er:

„Mir tut das Herz weh, wenn ich solchen Vorschlägen zuhöre. Die Einschläge vom autoritären Regieren kommen näher. Das fasst mich wirklich an – auch als Mensch“, so Diefenbach-Trommer zur taz am Telefon, hörbar bewegt.

„Die treten uns in die Beine“

Man kenne die Angriffe der AfD schon lange, aber besonders besorgen Diefenbach-Trommer nun die heftigen Gegenreaktionen auf die Demos von CDU und FDP: „Die treten uns in die Beine, anstatt uns inhaltlich zu kritisieren. Anstatt mit Argumenten auf die legitime Kritik durch Demos einzugehen, wollen sie uns offensichtlich mundtot machen.“

Die aktuellen Demos gegen Rechts nimmt er in Schutz: „Natürlich darf ich als gemeinnütziger Verein für meine Interessen demonstrieren. Wenn ein Bürgermeister einer Partei Radwege in meiner Stadt abreißt, kann ich doch auch als Verein für die Verkehrswende gegen dessen Politik protestieren – und natürlich muss ich benennen, wer diese Politik macht.“

Auch Zuspitzungen gegen die CDU seien gemäß Rechtsprechung erlaubt – solange die Kritik sachlich zu rechtfertigen sei. Das gelte insbesondere für die hunderttausenden Menschen, die derzeit auf die Straße gingen: „Im Kern sind das Demonstrationen gegen ein bestimmtes Verhalten und für unserer Demokratie. Sie kritisieren die CDU inhaltlich und sachlich für eine gemeinsame Abstimmung mit der AfD.“

Die Union müsse inhaltlich darauf eingehen und mit den Argumenten auseinandersetzen, fordert Diefenbach-Trommer – „stattdessen schießen Leute wie Middelberg in ihrer Parteilogik scharf zurück und vergaloppieren sich dabei völlig: Sie ziehen gemeinnützige Organisationen in einen Parteienstreit hinein. Und bei derartigen politisch einschüchternden Drohungen muss man sich schon fragen, ob man sich damit eigentlich noch auf dem Boden des Rechtsstaates befindet“, so Diefenbach-Trommer.

Zur freiheitlichen Demokratie gehöre die Kritik zivilgesellschaftlicher Organisationen an inhaltlichen Entscheidungen und politischen Plänen – noch mehr sogar, wenn Prinzipien der Verfassung geschliffen werden. „Die Fachleute nennen das die Wächterfunktion der Zivilgesellschaft. Diese Kritik macht die Demokratie stabil und lebendig“, so Diefenbach-Trommer.

„Sowas kennen wir sonst nur aus autoritären Staaten“

Ähnlich äußerte sich Felix Kolb, Vorstand der Kampagnen-Plattform Campact, die mit einer riesigen Mailing-Liste zu Kundgebungen aufruft: „Die Drohungen der Union, NGOs bei einer Beteiligung an Merz-kritischen Demos den Gemeinnützigkeitsstatus aberkennen zu wollen, sind finstere Methoden. Sowas kennen wir sonst nur aus autoritären Staaten wie Ungarn.“

Man erlebe hier zutiefst „undemokratische Einschüchterungsversuche gegenüber einer engagierten Zivilgesellschaft“, so Kolb: „Mit ihrer Hetze gegen die aktuellen Kundgebungen versucht die CDU/CSU, die Meinungsfreiheit – ein demokratisches Grundrecht – massiv einzuschränken.“ Auch gemeinnützigen Vereinen stehe es zu, das Handeln von Parteien und ihren Ver­tre­te­r*in­nen zu kritisieren.

Doch es gibt auch kritische Stimmen gegen das Geraune innerhalb der CDU: Der ehemalige Generalsekretär Ruprecht Polenz kritisierte auf Bluesky den Welt-Herausgeber Ulf Poschardt für die Verbreitung des raunenden Artikels: „Deep state – die Standard-Geschichte der Verschwörungsmythologen, neu erzählt vom Herausgeber der Welt. Mit dieser Geschichte soll das Vertrauen in die Demokratie des Grundgesetzes erschüttert werden. Trump hat damit vorbereitet, was er jetzt macht: einen Staatsstreich.“

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17 Kommentare

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  • Nun ja, es scheint tatsächlich so, dass von der Regierung erheblich finanziell geförderte Vereine nun lautstark gegen Oppositionsparteien trommeln. Nicht nur die AfD, was man vielleicht noch verstehen könnte sondern gegen eine große Partei der Mitte.

    Das ist schon sehr bedenklich.

  • Es mag einem nicht in den Kram passen, doch es ist eindeutig so das politische Betätigung, im Sinne des Gesetzgebers, kein Dienst am Allgemeinwohl ist. Das hat man in den Vergangenen Jahren und Jahrzehnten in verschiedenen Urteilen so nachlesen können.

  • Vielen Dank für diesen Artikel - wird hier doch nochmals nur zu klar verdeutlicht, wie es um das Demokratieverständis der CDU bestellt ist. Es ist zum Grausen - einfach ungeheuerlich - was wir uns von unseren Steuergeldern für Parteien leisten ( müssen ) !!!

  • Wenn man ganz links in der Ecke steht, sind alle anderen immer rechts.



    Bitte keine Lagerbildung betreiben, wie sie schon die USA in zwei unversöhnliche Fronten getrennt hat. Wir müssen zusammen leben, das geht nicht ohne Toleranz und Kompromisse von jeder Seite.

  • Ergeben wir uns dem Schicksal. Unsere Politiker haben keine Idee, keinen Plan und sind so weit weg von Realität.

    Wenn für Scholz, nach seiner tollen Analyse, der hauptgrund für den Anstieg der AFD ist, das es die öffentlichen Streitigkeiten der Ampel war, dann ist man einfach verloren. (interview gestern)



    Me: first



    Eigenverantwortung : nie gehört. Soll das wirklich im Duden stehen und was bedeutet das?

  • Das Neutralitätsgebot gibt es nicht umsonst. Die Organisationen, die dagegen verstoßen sollten die Gelder entzogen werden. Alles andere wäre fatal, dass würde die Wahlkampffinanzierung über den Vereinsweg Tür und Tor öffnen.

  • Das ist die CDU/CSU von Dregger, Koch und Konsorten. Leute die Kirchen und Demokratieaktivisten den Mund verbieten und am Liebsten den Geldhahn abdrehen möchten begeben sich in bedrohliche Nähe zu den rechtslastigen Typen in ihren eigenen Reihen von heute und einst.



    Schämt euch und streicht das C in eurem Namen. Dieser Buchstabe stand schon immer im Gegensatz zu euren Inhalten und das tut er heute um so mehr.



    Kalt, Herzlos, Geschichtsvergessen!!!

  • "wenn Prinzipien der Verfassung geschliffen werden."



    Geschliffen werden Messer und Diamanten. Festungen, Mauern und Prinzipien werden geschleift.

  • Rechte, Konservative und Marktradikale haben keinen Bock mehr auf Demokratie und freie Meinungsäußerung, wenn es gegen sie geht. Die schnüffeln an den Unterhosen ihrer Bürger. Ekelhafte Einstellung.

  • Wer in der Union bleibt, macht sich mit Rechtsradikalen gemein. Mein Respekt für Michel Friedman wird täglich größer.

  • Ungarn lässt grüßen, kann man da nur sagen. Es ist schon erschreckend, wie die Union versucht, Gestalten wie Orban oder Trump zu kopieren.

  • Man sollte sich lieber mal ernsthaft und selbstkritisch Gedanken machen, warum es europa- bzw. weltweit einen so krassen Rechtsruck gibt. Das Jammern auf den Strassen, das Fingerzeigen und die Schuldzuweisungen bringen nicht wirklich viel, wie sich doch seit ein paar Jahren zeigt.

  • Europaweit wird die Rollle von verschiedenen NGOS und Vereinen thematisiert, zumal wenn diese vom Steuerzahler finanziert werden. Daß der Staat keine den demokratischen Abläufen diametral entgegengesetzten Interessen und Taten bezahlt, leuchtet doch ein. Oder?

  • Wenn die Ideengeber dieser Couleur mit Freude an Bedrohungsszenarien am Ruder sind, gibt's wirklich eine Zeitenwende für die liberale Demokratie. Hoffentlich sehen viele Engagierte diese Gefahr und verhindern solche Dystopien durch entsprechenden Aufklärungsdruck zu latent demokratiefeindlichen Gesinnungen.

  • Tja, wenn etwas den eigenen Interessen zuwider läuft...

  • Das Gegenteil von der Unterstellung ("autoritärer Staat" ...) ist richtig: jeder kann demonstrieren gegen wen und für was er will.

    Nur der Steuerzahler muß es nicht bezahlen, wenn es nicht gemeinnützig ist. Und daß es das nicht war/ist ist jedem ersichtlich. Ist das echt so schwer?

  • Oh, die CDU "lernt" also nicht nur von der AfD und von Trump, sondern auch von Putin, der das Abschneiden Andersdenkender von Geldquellen ja seit mindestens 15 Jahren perfektioniert.



    Merz hat die Rückkehr der Schmuddeligkeit der Kohl-Ära in die Union in rekordverdächtiger Zeit hinbekommen. Das düfte von langer Hand geplant sein.



    Der logische nächste Schritt wäre es, bei Hohmann, Gauland & Co. darum zu betteln, doch wieder zurück zu den Schwatten zu kommen