Dekolonisierung in der Republik Moldau: Ende des historischen Sprachkampfes
In der Verfassung Moldaus wird jetzt die Bezeichnung „moldauische Sprache“ durch „rumänische Sprache“ ersetzt. Das ist eine politische Entscheidung.
E s ist ein historischer Moment für die Republik Moldau: Rumänisch ist jetzt offizielle Amtssprache geworden. Es hat damit die moldauische Sprache in dieser Rolle abgelöst. Dabei existiert „Moldauisch“ eigentlich gar nicht, sondern ist eine Bezeichnung, die sich die sowjetischen Machthaber ausgedacht haben und die nach 1991 von prorussischen Politikern am Leben gehalten wurde. Zwischen 1941 und 1989 wurde in der „Moldauischen Sowjetrepublik“ die Sprache sogar mit kyrillischen Buchstaben geschrieben, um klarzumachen, dass sie eben nicht mit dem Rumänischen gleichzusetzen sei.
Чтобы как можно больше людей смогли прочитать о последствиях войны в Украине, taz также опубликовал этот текст на русском языке: here.
Ich selber hatte nie Zweifel daran, welche Sprache ich spreche, nämlich Rumänisch. Das ist die Sprache, die ich zu Hause, mit meinen Freunden und den Menschen in meinem Land spreche. Die ich in der Schule gelernt habe. Auf politischer Ebene war die Sprache allerdings seit drei Jahrzehnten, also seit Moldau 1991 seine Unabhängigkeit von der Sowjetunion erklärte, immer wieder Anlass für Streitereien und wurde von moskautreuen Politikern zur Spaltung der Bevölkerung instrumentalisiert.
So leben wir seit 32 Jahren mit dieser Absurdität, dass die Sprache dieses Landes immer Rumänisch war, aus politischen Gründen aber „Moldauisch“ genannt wurde. Vergangene Woche nun stimmte das moldauische Parlament mit den Stimmen von 58 proeuropäischen Abgeordneten dafür, dass Rumänisch offizielle Amtssprache unseres Landes wird.
Tatsächlich war die Abstimmung über dieses Gesetz der Abschluss eines seit 200 Jahren währenden Sprachkampfes, den unser Land nach der Trennung von Rumänien unter russischer Vorherrschaft und einem umfassenden Prozess der Entnationalisierung durchlaufen hat. Die moldauische Sprache wurde angeblich in der Region Transnistrien erfunden und anschließend von den sowjetischen Behörden benutzt, um uns eine falsche Identität aufzuzwingen.
Journalistin aus der Republik Moldau. Sie schreibt für Ziarul de Gardă, eine investigative Zeitung in Chisinau, v.a. zu gesellschaftspolitischen Fragen und den Themen Menschenrechte und Korruption.
Auch nach der Unabhängigkeitserklärung des Landes war es Moskau immer wichtig zu erklären, dass Sprache und Volk hier eben nicht rumänisch seien. In der jungen, unabhängigen Republik Moldau kamen bald Kommunisten ans Ruder, die, wie auch Russland, die Staatlichkeit des Landes erhalten wollten und um dieses Ziel zu erreichen, stets von „moldauischem Volk“ und „moldauischer Sprache“ redeten. Und so fanden sich diese Bezeichnungen dann 1994 auch in der Verfassung wieder.
Das neue Gesetz symbolisiert für uns die Rückkehr zur historischen Wahrheit, auf die die Mehrheit der Bevölkerung seit der Unabhängigkeitserklärung wartet. Das Ablegen der sowjetischen Kleidung und die Rückkehr zu den wahren Werten des Volkes machen den Weg dorthin frei, wohin die Republik Moldau strebt: in die europäische Familie, von der die rumänische Sprache ein Teil ist.
Aus dem Russischen von Gaby Coldewey
Finanziert wird das Projekt von der taz Panter Stiftung
Einen Sammelband mit den Tagebüchern hat der Verlag edition.fotoTAPETA im September 2022 herausgebracht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Im Gespräch Gretchen Dutschke-Klotz
„Jesus hat wirklich sozialistische Sachen gesagt“
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht