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DebatteDer menschliche Faktor

Kommentar von B. Harburg und S. Bakir

Die deutsche Antiterrorpolitik hat versagt: Statt junge Muslime für den Kampf gegen den Terror zu gewinnen, hat sie deren Misstrauen gegen den Staat geschürt.

S eit den gescheiterten Anschlagsversuchen von London und Glasgow im vergangenen Monat wird Innenminister Wolfgang Schäuble nicht müde zu betonen, dass auch Deutschland im Fadenkreuz des islamistischen Terrorismus stehe. Dabei stellt sich die Frage, was die bisherigen Antiterrormaßnahmen bewirkt haben. Wie wichtig für die Terrorprävention die Zusammenarbeit der Polizei mit muslimischen Staatsbürgern ist, wurde deutlich, als man die Flugzeuganschläge von Heathrow im August 2006 vereiteln konnte. Dass damals eine Katastrophe vermieden werden konnte, ist auch der Aufmerksamkeit eines britischen Muslims zu verdanken, der sich an die Polizei wandte, weil ihm Gerüchte und Gespräche über die geplanten Bombenanschläge zu Ohren gekommen waren.

BAKIR & HARBURG

Siddik Bakir, 27, hat an der Ruhr-Uni in Bochum Politik- und Islamwissenschaften studiert und war dieses Jahr als Stipendiat beim Europa-Parlament in Brüssel. Benjamin Harburg, 23, ist als Fulbright-Stipendiat in Deutschland. Zuvor hat er bei der Nato-Botschaft der USA in Brüssel gearbeitet.

Eine Umfrage, die wir im vergangenen Jahr im Umfeld von Moscheevereinen in Nordrhein-Westfalen durchgeführt haben, zeigt jedoch einen beunruhigenden Trend auf. Zwar liefert diese Umfrage aufgrund der geringen Zahl von 50 Befragten nur ein Stimmungsbild. Aber offen gefragt, ob sie verdächtige Vorgänge, die mit terroristischen Aktivitäten in Zusammenhang stehen könnten, der Polizei melden würden, gab eine Mehrheit der befragten jungen Muslime eine negative Antwort. Und über die Hälfte der Befragten sagte, sie würden bei muslimischen Jugendlichen eine zunehmende Radikalisierung erkennen.

Viele begründeten ihre Haltung mit den Antiterrormaßnahmen der deutschen Polizei, die als überzogen, unnötig und demütigend empfunden wurden, und die sie von einer Zusammenarbeit abhalten würden. Polizeirazzien in Moscheen und Verhöre von "verdächtigen" Muslimen haben unter Muslimen das Gefühl verstärkt, unter einem Generalverdacht zu stehen. Zu den umstrittenen Maßnahmen, die im Rahmen der Antiterror-Pakete noch von der rot-grünen Regierung beschlossen wurden, zählen die Aufhebung des Religionsprivilegs für Vereine, die Mitarbeiterprüfung von Flughafenpersonal und die Auskunftspflicht von Banken und Firmen im Kommunikationsbereich gegenüber den Behörden. Dass "verdächtig" erscheinende Muslime seither schnell ins Visier der Behörden geraten können, ist heikel, da es etwa zur unberechtigten Abschiebung Unschuldiger führen kann.

Polizeirazzien in Moscheen haben die Spannungen zwischen Staat und Muslimen verstärkt. Aus Furcht vor solchen Aktionen schrecken manche muslimische Jugendliche davor zurück, überhaupt noch am Gottesdienst oder an Treffen von muslimischen Jugendgruppen teilzunehmen. Dr. Anas Sabbagh, der Leiter der Khalid-Bin-Walid-Moschee in Bochum, berichtet von einer Polizeirazzia am 16. April 2004, an der 400 Beamte beteiligt waren und bei der alle Anwesenden für sechs Stunden festgehalten und verhört wurden. Mögen die Maßnahmen auch verfassungsrechtlich begründet gewesen sein, so hätten die Methoden in seiner Gemeinde Zorn, Furcht und die Abneigung gegen lokale Behörden erregt. Eine marokkanischstämmige Studentin, die am Tag der Razzia anwesend war, berichtet von Beamten, die mit ihren Schuhen in den Gebetsräumen herumgetrampelt seien und weder vor der Moschee noch vor ihren Mitgliedern Respekt gezeigt hätten.

Das zweite Paket der "Antiterrorgesetze", das am 1. Januar 2002 verabschiedet wurde, hat dem Verfassungsschutz erweiterte Vollmachten eingeräumt, um Organisationen zu überwachen, die geeignet sind, den inneren Frieden zu stören. Mehrheitlich stimmten die Befragten darin überein, dass sie seither versuchten, jeden möglichen Kontakt mit der Polizei zu vermeiden - aus Angst, Verdacht zu erregen und Verhöre zu riskieren. Ein iranischer Jurastudent aus Essen klagte, die Polizei könne einen "jederzeit aufgrund von vagen Verdachtsmomenten festhalten"; das könne schon ein Bart oder ein Kopftuch sein. Er hat beobachtet, dass sich viele Muslime den Bart rasierten und sich von Moscheen fernhielten aus Angst, polizeilich erfasst und kontrolliert zu werden.

Manche halten die Antiterrormaßnahmen für eine pragmatische Notwendigkeit. Dass es in Deutschland noch keine Anschläge wie in Madrid oder London gegeben habe, beweise ihren Erfolg, ließ etwa der ehemalige Innenminister Otto Schily verlauten. Doch das Vertrauen vieler muslimischer Jugendlicher in die Polizei hat dadurch schweren Schaden genommen.

Staatliche Stellen, die Polizei und Lokalbehörden müssen aus diesem Grund ihre Bemühungen verstärken, die Basis für ein vertrauensvolles Verhältnis wiederherzustellen. Sicherheitsbehörden müssen die Notwendigkeit ihrer Maßnahmen begründen, Rechenschaft über ihr Verhalten ablegen und den kontinuierlichen Dialog mit den muslimischen Gemeinden pflegen. Sie müssen ihre Kommunikationsstrategien verbessern, und sich auf lokaler Ebene mit Moscheevereinen und anderen muslimischen Gemeinden intensiver austauschen. Polizeibeamte müssen über kulturelle Normen und religiöse Sensibilitäten aufgeklärt, ihr Verhalten muss transparenter gemacht werden. Eine Konferenz zum Thema "Extremismus und Gewalt", die das Landeskriminalamt in NRW im April gemeinsam mit Vertretern der örtlichen Polizeibehörden und zwei großen muslimischen Verbänden (dem Zentralrat der Muslime und Ditib) organisiert hat, ist dafür ein gutes Beispiel.

Die "Islamkonferenz", die Wolfgang Schäuble im vergangenen Jahr ins Leben gerufen hat, war ein wichtiger Schritt, um das Verhältnis zwischen Staat und Muslimen auf eine vertrauensvolle Grundlage zu stellen. Doch das muslimische Leben in Deutschland ist zu vielfältig und schillernd, um es auf einen einzigen Nenner bringen zu können. Gerade jüngere Muslime fühlen sich nicht von der gegenwärtigen Hierarchie der Islamverbände vertreten, besitzen aber auch sonst keine Stimme in der Öffentlichkeit. Zudem herrscht der Eindruck vor, dass die Regierung nur mit progressiven und moderaten Muslimen das Gespräch sucht. Aufgabe der Regierung sollte es sein, sich auch marginaleren Gruppen zuzuwenden und sich stärker um eine repräsentative Gesamtvertretung der Muslime zu bemühen.

Um einer Radikalisierung junger Muslime vorzubeugen, muss der Staat auch an den Schulen stärker aktiv werden. Er muss Strategien fördern, um dem Trend zur Desintegration schon im Klassenzimmer zu begegnen, und er könnte sich aktiv daran beteiligen, moderate muslimische Initiativen und Verbände zu fördern. Zuletzt müssen aber auch die bestehenden Moscheegemeinden gestärkt werden, sich der Gefahr der Radikalisierung einzelner ihrer Mitglieder aktiv zu widersetzen. Dazu reichen die bisher eingerichteten "Hotlines" und vereinzelte Kontaktpersonen in den Moscheen nicht aus. Wichtiger noch ist es, gemeinsame Strategien zu entwickeln, damit radikale Kräfte in moderaten, aber durch eine Radikalisierung ihrer Mitglieder gefährdeten Moscheegemeinden keinen Fuß auf den Boden bekommen.

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