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Debatte um die ImpfpflichtDie Kritik ist übertrieben

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Bei der Impfpflicht von autoritären Gesten des Staates zu sprechen, ist ebenso maßlos wie die Befürchtung, Pflegepersonal flüchte aus dem Beruf.

Foto: Andre Lenthe/imago

E s gibt gute Gründe für die berufsbezogene Impfpflicht, die ab Mitte März gelten soll. In Alters- und Pflegeheimen sind sehr viele an Corona gestorben. Deshalb müssen diese Gruppen besonders geschützt werden – mit Tests und eben auch mit der Impfpflicht für so gut wie alle, die in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen arbeiten. Über diese Impfpflicht ist auch lange genug diskutiert worden. Der Bundestag hat sie im Dezember beschlossen. Auch der Vorlauf bis Mitte März ist lang genug.

Ein Einwand gegen diese Impfpflicht lautet: Viele der ohnehin raren Pflegekräfte werden kündigen. Damit werde die Malaise in den Einrichtungen noch weiter verschärft. Doch das Beispiel Frankreich, auch ein Land mit einer harten Impf­skeptikerszene, zeigt ein anderes Bild. Dort gilt die Impfpflicht seit Herbst für knapp drei Millionen Menschen, die im Gesundheitssystem arbeiten. Die Abstimmung mit den Füßen blieb aus. Nur ein paar Tausend kündigten.

Aber ist diese Impfpflicht in Zeiten des Omikron-Virus nicht hinfällig? Es ist zwar richtig, dass auch Geimpfte andere mit Omikron anstecken können – aber weniger, als es bei Ungeimpften der Fall ist. Die Logik der Pandemiebekämpfung ist bei Omikron nicht absolut, sondern relativ. Es geht nicht um Schutz oder keinen Schutz, sondern um mehr oder weniger.

Diese Impfpflicht sollte nicht mit dem Holzhammer durchgesetzt werden, sondern mit angemessenen Mitteln. Krankenschwestern, Pfleger oder Köche in Krankenhäusern, die am 15. März nicht geimpft sind, sollten sich nicht auf ihren prompten Rauswurf gefasst machen müssen. Bußgelder, erst geringer, dann höher, sind verhältnismäßig. Und es ist auch richtig, dass Novavax, ein Impfstoff, der manchen Impfskeptikern weniger gefährlich erscheint, schnell den Pflegeberufen zur Verfügung gestellt werden wird. Diese Impfpflicht dient dem möglichst guten Schutz gefährdeter Gruppen. Sie ist keine autoritäre Geste und keine staatliche Machtdemonstration.

Ein Vizelandrat im sächsischen Bautzen hat nun erklärt, Sanktionen bei Verstößen ab dem 16. März gegen die Impfpflicht nicht umzusetzen. Die Ankündigung, Gesetze zu ignorieren, kennt man bislang eher von „Reichsbürgern“ und Rechtsextremisten als von kommunalen Beamten. Der CDU-Vizelandrat hat damit eine Grenze überschritten. Man kann für die flexiblere Gestaltung von Maßnahmen werben, um Kollateralschäden wie Kündigungen im Pflegebereich zu vermeiden. Auf einer Demo den Eindruck zu erwecken, es denen da oben jetzt mal zu zeigen, ist etwas anderes – ein Aufruf zum Rechtsbruch.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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13 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • "Diese Impfpflicht dient dem möglichst guten Schutz gefährdeter Gruppen". Ich gehe davon aus, dass die Bewohner:innen nahezu aller Pflegeheime inzwischen auch ohne Impfpflicht zu fast 100% geboostert sind (wenn nicht, dann müsste man dieses Versäumnis politisch thematisieren). Landauf landab wird verkündet, diese Booster-Impfung würde mit 90% Wahrscheinlichkeit vor schwerem Verlauf und Tod schützen (wobei man sich bezeichnenderweise bedeckt hält, wie lange der Schutz andauert). Nehmen wir nun weiter an, eine 3-fach geimpfte, hochbetagte Bewohnerin trifft auf eine ungeimpfte Pflegekraft, die sich ansonsten aber vorbildlich und verantwortungsbewusst verhält: Sie trägt stets eine FFP 2 Maske (mit korrektem Sitz), sie lässt sich täglich testen und bleibt bei den geringsten Erkältungssymptomen zu Hause. Dann ist die betagte Bewohner:in doch nach der Logik der Impfkampagne optimal geschützt! Auch ohne Impfpflicht, durch die Kombination von Booster auf der einen plus Maske usw. auf der anderen Seite. Aber könnte sich die Bewohner:in nicht trotzdem irgendwie infizieren? Klar. Aber wie wir seit Omikron wissen, sind jetzt alle potenziell ansteckend: Ungeimpfte, 2-fach Geimpfte und Geboosterte nach wenigen Wochen auch! Der Unterschied ist bestenfalls graduell, nicht qualitativ. Der einzige Schluss, den ich daraus für mich ziehe, lautet: impfen (boostern) ja, insbesondere für Alte und Vulnerable. HIER sollte man 100% anstreben! Und auch bei den Pflegekräften sollte man weiter für das Impfen werben. Aber Impfpflicht? Nein.

    • @Running Man:

      "Geboosterte nach wenigen Wochen auch! Der Unterschied ist bestenfalls graduell, nicht qualitativ."



      Beleg für diese Aussage?

  • Geimpfte Pfleger und Ärzte können doch Ihre Patienten genauso anstecken. Wo ist da die logische Begründung? Die verzerrte Wahrnehmung dieser Tatsache bis hin zu offensichtlichen Fehlinformationen von Politikern lässt mich zunehmend ratlos werden. Die aktuelle Impfung ist bei der aktuellen Variante Eigenschutz, KEIN Fremdschutz. Sagt das RKI, sagt Drosten, sagt Streek.

    • @Verboten:

      Nein, das stimmt so nicht. Siehe:



      "Der Vergleich zeigt, dass der Anteil der Geimpften unter den symptomatischen Omikron-Fällen in fast allen Altersgruppen unter der Impfquote liegt (siehe Tabelle unten). Ungeimpfte waren also statistisch häufiger betroffen. In der Altersgruppe der 18- bis 59-Jährigen ist der Anteil allerdings fast gleich zur Impfquote. Das zeigt, dass Geimpfte in dieser Altersgruppe keinen erkennbaren Vorteil gegenüber Ungeimpften hatten.

      Dazu äußerte sich das RKI in dem Wochenbericht: „Mutmaßlich zeigt sich hier die in Studien beschriebene verminderte Effektivität der Covid-19-Impfung gegenüber der Omikron-Variante, hauptsächlich gegenüber einer symptomatischen Infektion.“ Die verminderte Impfeffktivität bei den Erwachsenen könne für ein Nachlassen der Schutzwirkung über die Zeit sprechen, da in der Bevölkerung der Anteil derjenigen wachse, die vor mehr als sechs Monaten geimpft wurden.

      Vergleicht man für diese Altersgruppe nur die Personen mit Auffrischungsimpfung, unterstützt das diese Theorie. Bei den Menschen mit Booster-Impfung ist die Schutzwirkung wieder ausgeprägter: Unter den 18- bis 59-Jährigen Omikron-Infizierten gab es nur 25 Prozent mit Auffrischungsimpfung, obwohl am 19. Januar 49,6 Prozent der Bevölkerung in dieser Altersgruppe bereits geboostert waren." [1]



      Zweiter "Fremdschutz" ist, dass je besser der Impfschutz ist, desto seltener schwere Verläufe sind und zun einem geringeren Behandlungsbedarf beiträgt und damit die Belastung der kritischen Infrastruktur und des Gesundheitssystems reduziert werden kann.



      correctiv.org/fakt...en-als-ungeimpfte/

  • In Italien und Frankreich ist weder das Gesundheitssystem zusammengebrochen noch ist die Anarchie ausgebrochen (was grundsätzlich nicht schlecht sein muss aber uns Deutschen immer zur Generalberuhigung unserer Krämerseelen gereicht). Also Zustimmung Herr Reinecke!

  • Wer geimpft ist überträgt trotzdem corona, das Bild was die taz über die Impfung verbreitet ist schlichtweg falsch. Ich hab mich impfen und boostern lassen weil ich keine lust auf nen schweren verlauf haben.

    Das einzige was wirklich nützlich ist, ist eine 1g regel... JEDER soll sich testen lassen. Denn JEDER kann sich anstecken und weiter geben

    • @KeinGott KeinStaat:

      So pauschal ausgedrückt ist das falsch. Es kommt auf den Impfstatus an. Seit dem Spätsommer ist bekannt, dass der Impfschutz abnimmt, weswegen zunächst Älteren eine Aufschrschungsimpfung empfohlen wurde. Geboosterte haben den besten Schutz vor eine Infektion. Hierzu ein Bericht basierend auf RKI-Daten:



      "Der Vergleich zeigt, dass der Anteil der Geimpften unter den symptomatischen Omikron-Fällen in fast allen Altersgruppen unter der Impfquote liegt (siehe Tabelle unten). Ungeimpfte waren also statistisch häufiger betroffen. In der Altersgruppe der 18- bis 59-Jährigen ist der Anteil allerdings fast gleich zur Impfquote. Das zeigt, dass Geimpfte in dieser Altersgruppe keinen erkennbaren Vorteil gegenüber Ungeimpften hatten.



      Dazu äußerte sich das RKI in dem Wochenbericht: „Mutmaßlich zeigt sich hier die in Studien beschriebene verminderte Effektivität der Covid-19-Impfung gegenüber der Omikron-Variante, hauptsächlich gegenüber einer symptomatischen Infektion.“ Die verminderte Impfeffktivität bei den Erwachsenen könne für ein Nachlassen der Schutzwirkung über die Zeit sprechen, da in der Bevölkerung der Anteil derjenigen wachse, die vor mehr als sechs Monaten geimpft wurden.



      Vergleicht man für diese Altersgruppe nur die Personen mit Auffrischungsimpfung, unterstützt das diese Theorie. Bei den Menschen mit Booster-Impfung ist die Schutzwirkung wieder ausgeprägter: Unter den 18- bis 59-Jährigen Omikron-Infizierten gab es nur 25 Prozent mit Auffrischungsimpfung, obwohl am 19. Januar 49,6 Prozent der Bevölkerung in dieser Altersgruppe bereits geboostert waren."[1]



      Dazu sei ergänzt, dass Impfen offensichtlich nicht nur eine Sache des Individuums ist. Hinzukommt da noch das Argument der schweren Verläufe, das Sie ja nannten.



      [1] correctiv.org/fakt...en-als-ungeimpfte/

  • "die Befürchtung, Pflegepersonal flüchte aus dem Beruf" - Wer bislang in meist wahrscheinlich wohl-informierter Abwägung (Tägliche Relevanz plus bei einem Teil der Leute umfangreiche medizinische Vorbildung) trotz des persönlichen Infektionsrisikos zu dem Schluss kam, Impfen sei das größere Risiko, die/der wird sich nun nicht umentscheiden. Die "Flucht" is ein Rausschmiss mit Berufsverbot, und den wirds geben.

  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Das stärkste Argument gegen die Argumente der Nichtdurchführbarkeit oder gar unerwünschen Nebenwirkungen im Gesundheitssystem, ist, dass es in anderen Sektoren grundsätzlich auch funktioniert.

    Man darf auch nicht zu schnell fahren, Einige tun es dennoch, relativ Wenige werden erwischt und zahlen dann realativ niedrige Bußgelder.

    Tatsächlich wird jedoch innerorts weitgehend gesittet mit Geschwindkeiten um die 50 und auch außerorts nicht ständig extrem zu schnell gefahren.

    Ich würde mich zu der Behauptung hinreissen lassen, dass 95% bemüht sind, die Speed Limits im Wesentlichen einzuhalten. Vielleicht sogar mehr... Das ist viel mehr, als wir jetzt an Impfquote zu bieten haben.

    Ich selbst fahre eigentlich am langsamsten, wenn ich alleine auf der Straße bin - nicht, weil mich die Anderen hetzen, aber ich bin da ganz Herdentier - wenn die ganze Schlange 70 statt 60 fährt - wer wäre ich, den anderen meine momentane Neigung zu einer anderen Geschwindigkeit aufzuzwingen? Das klappt sogar meistens, wenn die Schlange langsamer ist, als ich es gerade gerne wäre... ;)

  • der Autor dieses Textes ist echt süß und stellt die Lage sehr sehr vereinfacht dar.



    "Nur wenige tausend": was glauben Sie was passieren wird, wenn in diesem Staat mit einem unfassbaren Personalmangel in Pflegeberufen ein paar tausend Pflegekräfte zeitgleich hinschmeißen? Für die anderen wird die eh schon grenzüberschreitend hohe Arbeitsbelastung dann noch stärker ...



    Und was ist an einer Impfpflicht nicht autoritär? Wie man diese autoritäre Maßnahme interpretiert und ob man autoritäres Handeln in dieser Situation gutheißt ist eine andere Frage. Aber autoritär ist sie gemessen an der Wirkung auf die Individuen und in ihrer Umsetzungsform in jedem Fall.



    Und was soll die Holzhammer-Analogie: kein Holzhammer aber die Bußgelder so anziehen bis keine Alternative bleibt? Wo ist da der Unterschied zum Holzhammer? Und was ist das für eine Logik wo man auf Freiwilligkeit setzt und wenn die gewünschte Handlung nicht eintritt dann doch Zwang ins Spiel kommt ...



    Ich habe das Gefühl, dass sie sich als Autor dieses Artikels weder in die eine noch die andere Seite ihrer künstlich eröffneten Dichotomie zwischen Impfwilligen und Impfunwilligen hineinversetzt haben. Es gibt viele Geimpfte, die eine Impfpflicht stringent ablehnen. Das Feld ist hier komplexer und es zu vereinfachen begünstigt jede Form der Radikalisierung und Spaltung entlang der pardigmatisch verlaufenden Linien zwischen gut und böse, aufgeklärt und zurückgeblieben.

    • RS
      Ria Sauter
      @Anne Schumann:

      Sehr gutet Kommentar! Passt!

  • "Es ist zwar richtig, dass auch Geimpfte andere mit Omikron anstecken können"

    Das galt für alle Varianten. Vielleicht bei Omikron relativ stärker, vielleicht auch nicht.

    " – aber weniger, als es bei Ungeimpften der Fall ist."

    Auch das ist richtig, auch das gilt für alle Varianten.

    "Die Logik der Pandemiebekämpfung ist bei Omikron nicht absolut, sondern relativ."

    Genau so ist es.

    Dennoch: auch Politik ist komplex. Politische Strömungen mit autoritären Neigungen können in die Versuchung kommen, in solchen Situationen ihre Neigungen "rittlings" ein wenig durchzubringen.

    Besonders krass im Moment in China zu beobachten: ihre rabiate zero-covid-Strategie ist sicher in erster Linie der Pandemiebekämpfung gewidmet, sie dient aber auch ganz sicher auch der Entfaltung, Festigung und Motivation ihrer Totalüberwachung.

    Auch "bei uns" hat mensch schön beobachten können, wie Herr Spahn versucht hat, den von ihm eher verhassten Datenschutz im medizinischen Bereich zu unterlaufen.

    Es ist eben... kompliziert.

  • und im Gegenzug Impfpflicht für die schutzbedprftigen Alten - wäre ein mehr an Schutz gerde auch für Kinder, Solidarität, Plausibilität und ... und überhaupt vernüünftig. Warum dann nicht?