Streit um Impfpflicht in der Pflege: Bautzen gibt seinen Senf dazu

Erst kündigte der Vize-Landrat von Bautzen an, die Impfpflicht bei Pflegepersonal nicht umsetzen zu wollen. Nun ruderte er zurück. Was ist da los?

Udo Witschas spricht vor dem Landratsamt

Mal eben während einer Kundgebung gegen Coronamaßnahmen reden: Udo Witschas Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Dresden taz | Nicht genug, dass ein Vize-Landrat am Montagabend zu Gegnern der Coronaschutzmaßnahmen spricht und Jubel erntet. Udo Witschas (CDU) kündigte vor mehreren Hundert Demonstranten auch an, dass der Landkreis Bautzen die ab Mitte März geplante Impfpflicht für Personal von Kliniken und Pflegeeinrichtungen nicht durchsetzen werde.

„Das Gesundheitsamt des Kreises wird Mitarbeitern in der Pflege und im medizinischen Bereich kein Berufs- und Betreuungsverbot erteilen“, erklärte er unter dem Beifall der Menge. Schon mit nur zehn Prozent ungeimpftem Personal weniger könnten die Einrichtungen ihren Auftrag nicht mehr erfüllen, warnte er.

Die Ankündigung eines bewussten Verstoßes gegen das am 10. Dezember vom Bundestag beschlossene Bundesgesetz erhält unmittelbar vor der Bundestagsdebatte zur Impfpflicht am Mittwoch besonderes Gewicht. Sie hat aber auch eine Vorgeschichte in Sachsen und in der Person des stellvertretenden Landrats Witschas.

Nach den rassistischen Krawallen 2016 in Bautzen redete Witschas im August 2017 drei Stunden mit dem NPD-Kreisvorsitzenden Marco Wruck. Bautzens Oberbürgermeister Alexander Ahrens (SPD) rügte dieses Treffen. Der damalige CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich forderte Aufklärung. Ein Abwahlantrag von Grünen, SPD und Linken scheiterte, aber Witschas wurde vorübergehend die Zuständigkeit für das Ausländeramt entzogen. In diesem Jahr will er bei den Wahlen für das Amt des Landrats kandidieren.

Landkreis fordert Land heraus

Am Montag hatte sich auch Landrat Michael Harig (ebenfalls CDU) in einem Brief an seinen Parteifreund und Ministerpräsidenten Michael Kretschmer gegen eine Impfpflicht im Gesundheitswesen ausgesprochen. Kretschmer möge sich auf Bundesebene für eine Änderung einsetzen. „Gesetzliche Regelungen sollten nur dann getroffen werden, wenn deren Umsetzung machbar und damit verbundene Ziele erreichbar sind“, heißt es in dem Schreiben Harigs. Deshalb solle die einrichtungsbezogene Impfpflicht verschoben oder komplett aufgehoben werden.

Proteste von Querdenkern und Impfgegnern waren in Bautzen und in der umgebenden Lausitz stets besonders ausgeprägt und militant. Sprichwörtlich waren die jeden Sonntagvormittag stattfindenden Demonstrationen von restaurativen und kaisertreuen Kräften entlang der Bundesstraße 96 zu beobachten.

In Freiberg, einer weiteren sächsischen Protesthochburg, solidarisierte sich der Orthopäde Olaf Fischer Anfang Januar in einem spektakulären Aushang mit den Gegnern einer Impfpflicht in medizinischen Bereichen. Lieber wolle er seine Praxis schließen, als sich impfen zu lassen. Mehr als 50 Freiberger Ärzte verfassten daraufhin eine Gegendarstellung.

Eine allgemeine Impfpflicht lehnt auch Klaus Heckmann als Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen ab. Seit der Verbreitung der Omikron-Variante sei eine Verhältnismäßigkeit nicht mehr gegeben. Vor einem Rückzug weiterer Pflegekräfte bei einer berufsbezogenen Impfpflicht hatte schon im Oktober die Geschäftsführung der Thüringer Ilmkreis-Kliniken bei einem taz-Besuch gewarnt.

Es hagelt Kritik

Am Dienstag nun ist der Bautzener Vize-Landrat Witschas in die Landesdirektion als Kommunalaufsichtsbehörde einbestellt worden. In der Staatsregierung setzte sich Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) am klarsten von dessen Ankündigung ab. Witschas’ Verhalten sei „inakzeptabel und ein Aufruf zum Rechtsbruch“. „Grundsätzlich hat sich jeder Landrat an Recht und Gesetz zu halten“, betonte auch seine SPD-Kollegin vom Sozialressort, Petra Köpping.

Mit Blick auf mögliche Ermessensspielräume der Gesundheitsämter verwies sie auf einen noch abzustimmenden konkreten Erlass zur Gesetzesdurchführung. „Die Versorgungssicherheit steht im Mittelpunkt“, blieb sie in ihrer Aussage interpretierbar.

Ähnlich salomonisch antwortete auf taz-Anfrage der sächsische CDU-Generalsekretär Alexander Dierks, zugleich sozialpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion. „Bundesgesetze sind nicht fakultativ, sondern durch die zuständigen Stellen anzuwenden.“ Die Pandemie könne nur durch Solidarität und Rücksicht, also durch Impfungen beendet werden. Einen solchen Aufruf zur Impfung habe auch Ministerpräsident Kretschmer in den Äußerungen der Bautzener Kreisspitzen vermisst, ließ Regierungssprecher Ralph Schreiber ausrichten.

Nach seinem „Vortanzen“ bei der Landesdirektion am Dienstag ruderte Witschas auf Twitter wieder ein Stück weit zurück. Der Kreis könne die Impfpflicht nicht aufheben, die Verwaltung sei zur Umsetzung verpflichtet, schrieb er dort. Die Aussetzung oder Aufhebung bleibe aber weiter die politische Forderung des Kreises. Eine Abfrage der Impfquoten in Kliniken, Heimen und Pflegediensten habe „wesentliche Impflücken“ ergeben. Aus Gesprächen im Januar folge, dass eine Notfallplanung praktisch nicht möglich sei, so Witschas. Bei Ausfall dieser Kräfte drohe in der Pflege ein Notstand.

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