Debatte um „Tempo 30“-Verordnung: Klimakiller, die töten
Vor Schulen, Kitas und Altenheimen soll bald häufiger Tempo 30 gelten. Gute Sache oder Pseudoverbesserung?
A utos raus aus der Stadt
Autos sind eine Plage. Sie sind Klimakiller, sie töten und verletzen Menschen, machen krank und verbrauchen zu viel öffentlichen Raum. Autos sollten in Wohngebieten und Innenstädten nicht langsamer, sondern überhaupt nicht fahren. Alternativen zum individuellen Autobesitz sind die richtige Reaktion auf überfahrene Kinder, verstopfte Straßen und die Inbesitznahme von Flächen, die viel besser genutzt werden könnten. Deutschland braucht eine Wende in der Verkehrspolitik und keine Pseudoverbesserungen wie mehr Tempo-30-Zonen. Geschwindigkeitsbegrenzungen empfindet der gemeine Autofahrer ohnehin nur als Wegelagerei der Städte, die auf diesem Weg kassieren wollen. Ob er sich daran hält, entscheidet er allein – und zu oft ist er dagegen.
Die Lösung zur Beherrschung der Plage: flächendeckende Nahverkehrs-, vernünftige Bahnverbindungen, gute Carsharing-Angebote sowie flexible Fahrdienste für Eltern, Ältere und Behinderte – und das selbstverständlich bezahlbar. Kein Geld dafür? Von wegen. Millionen von Autobesitzern fahren und parken auf Kosten der Allgemeinheit. Würden sie angemessene Steuern und Gebühren zahlen, wäre all das und noch viel mehr finanzierbar.
(Anja Krüger)
Langsam, wo es nötig ist
Der moderne Mensch ist nicht nur Fußgänger, Rad- oder Bahnfahrer. Oft benutzt er auch das Auto – nicht um den Globus zu ruinieren, sondern weil es ein schnelles, bequemes und billiges Transportmittel ist. Auch wenn Ökologen das ungern hören: Auto fahren kann Lebensqualität bedeuten. Diese sollte die Regierung nicht zu sehr einschränken.
Deshalb liegt Verkehrsminister Alexander Dobrindt durchaus richtig. Es muss mehr Tempo-30-Zonen dort geben, wo sie nötig sind – vor Kindertagesstätten, Schulen, an Bushaltestellen –, überall da, wo viele Menschen auf engem Raum unterwegs sind.
Zur Regelgeschwindigkeit sollte Tempo 30 aber nicht werden. Denn es gibt viele Hauptstraßen, auf denen man in der Stadt problemlos 50 km/h fahren kann, ohne andere zu gefährden. Hier zu reglementieren wäre Schikane – oder der Versuch, das Gebührenaufkommen für zu schnelles Fahren zu erhöhen.
Bei der Straßenverkehrsordnung geht es um die Sicherheit im Verkehr. Wer das Auto als Fortbewegungsmittel zurückdrängen will, sollte sich die angemessenen Mittel suchen. Mehr Radwege oder ein attraktiverer öffentlicher Nahverkehr könnten durchaus helfen.
(Hannes Koch)
Wegelagerei statt Politik
In vielen klammen Kommunen dürften sie jetzt auf Suche gehen. Wo liegt eine Schule, ein Altenheim an der örtlichen Bundesstraße? Dort kann nun kurzerhand eine Tempo-30-Zone eingerichtet und, noch wichtiger, ein Blitzer darin aufgebaut werden. Wobei die Kommunen darauf hoffen, dass sich möglichst wenige an die Temporeduzierung halten, damit die Gemeindekasse ordentlich gefüllt bleibt.
Die Einrichtung von Tempo-30-Zonen ist zur Ersatzhandlung für eine vernünftige Verkehrspolitik geworden. Alles, was sinnvoll wäre – von einer Höchstgeschwindigkeit von 130 Stundenkilometern auf Autobahnen über eine Kerosinsteuer bis hin zum Verzicht auf Straßenneubauten – unterbleibt, weil es der Wirtschaft schaden könnte. Stattdessen schlagen Bund, Länder und Kommunen zu, wo es private Autofahrer trifft. Die können Strafen für Geschwindigkeitsüberschreitungen kaum vermeiden, weil die Tempo-30-Zonen schon jetzt inflationäre Ausmaße angenommen haben.
Wer keine Autos in Innenstädten will, soll alternative Verkehrskonzepte vorlegen. Und wer die Gemeinden finanzieren will, muss gegen die Schuldenbremse kämpfen. Wegelagerei ist die falsche Politik.
(Martin Reeh)
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