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Debatte um Hundegesetz in HamburgGehören manche Rassen verboten?

Kaija Kutter
Marco Fründt
Kommentar von Kaija Kutter und Marco Fründt

Nach einer tödlichen Beißattacke untersagte Hamburg das Halten bestimmter Rassen grundsätzlich. Richtig so? Ein Pro und Contra.

Ist in Hamburg in der Kategorie „gefährlich“ eingeordnet: Staffordshire Bullterrier Foto: Axel Heimken/dpa

Ja,

H amburg sollte sein Hundegesetz behalten. Auch wenn es traurig ist, wenn Hunde ins Tierheim kommen, bloß weil sie auf einer Liste stehen. Am Sonntag, so berichtet das Abendblatt, wollen Tierfreunde gegen das Gesetz demonstrieren, das eine Reihe von Hunderassen als gefährlich einstuft. Denn es sei nicht eine Rasse aggressiver als andere, das Problem liege bei den Haltern. Weshalb Tierschutzorganisationen alternativ einen Hundeführerschein vorschlagen.

Das Gesetz ist die Folge des Todes des kleinen Volkan, der im Jahr 2000 von zwei Pitbull-Mischlingen zerfleischt wurde. Es stuft alle Hunde als gefährlich ein, die eine erhöhte Aggressivität zeigen, Menschen drohend anspringen oder beißen.

Die Geschichte mit dem toten Kind hätte sich Anfang Juni fast wiederholt, als ein American Staffordshire Terrier-Mischling, der schon mal ein Kind gebissen hatte, ein zweijähriges Mädchen lebensgefährlich verletzte. Dass es dazu kam, lag wohl am Umgehen von Regelungen und missglückter Kontrolle, aber im Prinzip hatten die Behörden die Gefährlichkeit auf dem Schirm.

Wurde ein Mensch von einem Hund gebissen, bleibt die Angst ein Leben lang. Hunde, die gefährlich aussehen oder als gefährlich gelten, lösen bei Betroffenen auf der Straße Furcht und Stress aus. Das muss bedacht werden, wenn wir über Lockerungen reden.

Ob ein Mensch, der so einen Hund spazieren führt, dafür einen Führerschein hat, sieht man nicht. Dass so ein Schein zu einer Verhaltensänderung führt, ist nicht garantiert: kann sein, kann aber auch nicht sein. Auch wenn es nur die Menschen sind, die die Tiere aggressiv erziehen und nun mal bestimmte Arten bevorzugen, rechtfertigt das diese Form der Gefahrenabwehr.

Hinzu kommt, dass die Zahl der Beißvorfälle seit Inkrafttreten des Gesetzes 2006 stark zurückgegangen ist. Mit Erlaubnis der Behörden kann ja auch ein Teil dieser „Listenhunde“ weiter gehalten werden: Die Halter müssen nachweisen, dass sie mit den Hunden umgehen können und sie mit Leine und Maulkorb führen; einige Hunde müssen den Wesenstest bestehen. Die Stadt weist darauf hin, dass es bei solchen Hunden trotz des Wesenstests zu Beißvorfällen kommt, was für die Beibehaltung der Vorsicht spricht.

Die Idee des Hundeführerscheins ist gut. Er könnte zusätzlich kommen. Viel hilft viel. Kaija Kutter

Nein,

denn dass bestimmte Hunderassen vermehrt zu aggressivem Verhalten neigen, ist nicht belegt. Im Gegenteil: Einer groß angelegten Studie der Tierärztlichen Hochschule Hannover zufolge ist die Aggressivität eines Tieres von den Hal­te­r:in­nen und der entsprechenden Hunde-Erziehung abhängig. Das sogenannte „Scharfmachen“ eines Hundes ist mit jeder Rasse möglich – auf Kommando zubeißen, hetzen oder jagen kennt man von Schäferhunden bei der Polizei, aber auch von Dackeln bei der Jagd.

Das bestätigt auch die Hamburger Beißstatistik: Angeführt wird sie 2021 vom Jakutischen Laika, einer Schlittenhunderasse, gefolgt von Pitbull-Mischlingen, Staffordshire Terriern, Tatra-Schäferhunden und einer österreichischen Jagdhunderasse. Bei all diesen Rassen hat es im vergangenen Jahr jeweils einen Beißvorfall gegeben. Diese Rassen liegen statistisch vorn, weil der eine Biss auf sehr wenige Tiere kommt. Australian Shepherds etwa haben neunmal zugebissen.

Der Senat hat vier dieser Rassen für gefährlich erklärt und verboten. Wegen ihrer körperlichen Eigenschaften werden sie noch immer in illegalen Kämpfen genutzt. Es sollte also danach gefragt werden, wer diese Hunde überhaupt besitzt. In zwei Dritteln aller Hamburger Biss-Fälle in 2021 sind die Hunde zudem nicht vorschriftsmäßig angeleint gewesen.

In Ihrer Dissertation erkennt Veterinärmedizinerin Kathrin Roiner eine Korrelation zwischen der Biss-Häufigkeit und der Besiedlungsdichte. Was große Hunde in der Großstadt verloren haben, kann also bezüglich jedweder Rasse hinterfragt werden.

Das Risiko, Opfer eines tödlichen Hundebisses zu werden, ist im häuslichen Umfeld höher als in der Öffentlichkeit. Laut dem Internetportal Statista liegt das daran, dass es sich meist um vertraute Hunde handelt. Hauptursache für tödliche Beißvorfälle sei die mangelnde Fähigkeit, das Verhalten des Hundes zu deuten. In den meisten Fällen bissen Hunde zu, weil sie Angst hätten, beim Fressen gestört oder erschreckt würden.

Es wäre sinnhafter, Hal­te­r:in­nen jedweder Rasse in die Verantwortung zu nehmen, anstatt pauschale Urteile auf Basis nicht belegter Haltungen zu treffen. Ein theoretischer und ein praktischer Sachkundenachweis sollten Pflicht werden! Marco Fründt

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Kaija Kutter
Redakteurin taz-Hamburg
Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.
Marco Fründt
Seit November 2024 Volontär der taz Panter Stiftung. Studierte Politik- und Erziehungswissenschaften in Bielefeld und Thessaloniki sowie Neogräzistik in Berlin.
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13 Kommentare

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  • Absolut jeder Hundekenner würde bestätigen, dass Golden Retriever ideale Familienhunde sind. Sie sind kinderlieb und beißen so gut wie nie.

    Seltsam - Eigenschaften wie Kinderliebe und Anhänglichkeit einer Hunderasse werden ohne Diskussion als Tatsachen akzeptiert. Aber Aggressivität und Beißlust sollen für einige dann wieder ausschließlich Erziehungssache sein.

  • Meiner Meinung nach sollte man das Halten von Raubtieren generell verbieten und nur mit Ausnahmegenehmigung und Zweckbindung zulassen.



    Dem Klima, den Tieren und der Gesellschaft zu Liebe.

    • @KnorkeM:

      Da tun sie vielen tendenziell einsamen Menschen sehr weh.

      Haustiere bedienen immer ein Bedürfnis, sonst würde sie ja niemand anschaffen.

      Da haben Sie bereits eine Zweckbindung.

  • "Gehören manche Rassen verboten?"



    Ja - denn neben den bekannten Qualzuchten mit körperlichen "Deformationen" gibt es sicher auch angezüchtete Verhaltensdeformationen. In beiden Fällen gehören die Zuchtlinien verboten.

  • Selbverständlich gehören Hunderassen mit einer Beisskraft von 300kg, die extra als Tötungsmaschinen gezüchtet wurden, verboten.



    -Mag sein, dass mancher das als Aufwertung seiner kranken Persönlichkeit empfindet, das sollte aber kein Grund sein, die Allgemeinheit zu gefährden.



    Sonst kommt demnächst noch jemand auf die Idee, es sei cool einen Löwen an der Leine spazieren zu führen...

    • @Gerald Stolten:

      'Beißkraft von 300 kg'! Wo nehmen sie denn 300 kg her? Nimmt der 300 kg Holz oder 300 kg Blei ins Maul?

    • @Gerald Stolten:

      Löwe an der Leine? - Keine neue Idee ... ein gewisser Göring hatte gleich sieben davon - und auch bei den Römern waren Löwen beliebte Haustiere (natürlich den Staatsoberhäuptern vorbehalten)

  • Ach, wenn doch am anderen Ende der Leine nicht so viel Unverstand herrschen würde!



    Die Beißstatistik wird hier von Mischlingen angeführt, Deutsche Schäferhunde und Dackel sind sehr weit oben.



    Und ich würde mich tatsächlich darauf versteifen, dass der Fehler so gut wie immer bei den Zweibeinern liegt. Sei es durch tierschutzrelevanten Umgang mit dem Hund oder unangemessene Vermenschlichung.



    Zum aktuellen Hamburger Fall, es gibt Hunde jedweder Rasse, die Kinder nicht mögen oder fürchten. Dem ist Rechnung zu tragen und beide sind getrennt zu halten. Der nämliche Hund hat das ja schon zur Genüge gezeigt, wieso konnte er an das Kind dran?



    Ein Verbot bestimmter Rassen wird dem also nicht beikommen, wenn die Erziehungsberechtigten ihre Sorgfaltspflicht vernachlässigen.



    Chihuahuas sind auch gerne extrem eifersüchtig und auch wenn deren Bisse kaum zum Tod führen werden, können sie im Gesicht doch bleibende Schäden hinterlassen.



    Also zuallererst einmal weg von einer süßlichen Disneyisierung von Hunden im Allgemeinen zu einer nüchternen und gerechten realistischen Einschätzung ihrer Bedürfnisse und Charaktereigenschaften.



    Nur viele Leute kommen da von selbst nicht drauf, weil im Umgang mit dem Hund eher Lassie und die eigene Bedürfnislage eine Rolle spielen, als das Verständnis für den vierbeinigen Hausgenossen. Das muss ich leider viel zu oft beobachten und auch, dass Leute sich Hunde zulegen, denen mit einem Stofftier weit besser gedient wäre.



    Den Preis dafür zahlen meistens die betroffenen Hunde, manchmal aber eben auch völlig Unbeteiligte.

    Eine umfassende Lösung weiß ich auch nicht, würde mir aber eine Art Kurse wünschen, in denen zukünftige Hunde-Eltern erst einmal ihre Eignung und Bereitschaft erwerben, bzw. demonstrieren müssen, BEVOR sie sich so ein schwer bewaffnetes Haustier anschaffen (dürfen?).

  • Da das Problem immer am oberen Ende der Leine zu verhanden ist, wird das Verbieten bestimmter Rassen nicht dazu beitragen, dass es weniger Beißattacken geben wird. Wenn die problematischen Hundehalter auf die Idee kommen Pudel abzurichten geht die Diskussion in die nächste Runde...

  • Es gibt eben rassetypische Merkmale bei Hunden. Diese wurden durch Zuchtauswahl erreicht. Die Tiere sehen ebenso unterschiedlich aus, wie sie charakterlich sein können.

    Jagdhunde beispielsweise haben wenig Willen zum Bewachen, Wachhunde haben wenig Jagdtrieb. Wer behaupten will, dass solche EIgenschaften auf den Besitzer zurückzuführen sind, der ist mit Nichtwissen geschmückt. Der soll mal versuchen, einem Terrier beizubringen sich ähnlich wie ein Border Collie um das Lenken und den Zusammenhalt einer Herde zu kümmern. Der Letztgenannte wird sich eine solche Arbeit suchen, wenn er keine Gelegenheit dazu hat. Vielleicht versucht er sogar mal, Ameisen im Garten zusammen zu halten.

    Haben sie das kapiert, liebe angebliche Tierschützer? Manche Hunde sind einfach aggressiver gegenüber fremden Menschen. Das kann dann gefährlich sein, wenn der Hund eine bestimmte Größe hat. Klar kann man beim jugendlichen 'gefährlichen' Hund durch geschickte Erziehung diese Eigenschaft vermindern, aber das Erbe kann(!) bei manchem Exemplar manchmal doch durchbrechen!

    Wessen Wohlergehen ist wichtiger: Der eines eventuell angegriffenen Kindes oder das mancher beißwütigen Bestie? Wenn mir jemand ein sicheres Merkmal für ein solch kritisches Exemplar nennen kann, werde ich alle diese Behauptungen zurücknehmen.

    Übrigens: Auch die körperliche Unversehrtheit eines Erwachsenen ist ebenso wichtig!

    • @fvaderno:

      Sie können es noch drastischer ausdrücken: Was ist wichtiger, das Leben eines eventuell angegriffenen Kindes oder das Leben eines eventuell friedlichen Hundes, der ohne den Wunsch des Menschen nach gefährlich aussehenden Tieren garnicht existieren würde?

  • "Diese Rassen liegen statistisch vorn, weil der eine Biss auf sehr wenige Tiere kommt."



    Das ist nicht logisch. Entweder die Statistik arbeitet mit absoluten Zahlen, dann wäre ein solches Ergebnis eine sehr klare Auffälligkeit, oder aber sie arbeitet mit Zahlen die auf den Bestand der jeweiligen Rasse normiert ist, was aber die Aussagekraft nicht schmälern würde.



    "Das sogenannte „Scharfmachen“ eines Hundes ist mit jeder Rasse möglich"



    Kommte in der Realität aber offenbar bei bestimmten Rassen häufiger vor als bei anderen. Vermutlich weil es bei Auswahl und Erziehung so eines Tieres eben doch eine Rolle spielt ob die Intention der Anschaffung auf einen Familienhund oder eine Waffe abzielt.

    • @Ingo Bernable:

      Abgesehen davon: Klar kann ich einen Dackel zur Beißmaschine abrichten. Aber abgesehen von auf dem Boden krabbelnden Kleinkindern könnte so ein Dackel mit seinen Bissen wohl kaum einen Menschen in Lebensgefahr bringen. Ein Pitbull schon.