Debatte Rhetorik der Rechten: Brabbelbrabbel HeimatNation brabbel
Provozieren, relativieren, immer wieder die gleichen Begriffe platzieren: Der rechtsextreme Sprech ist als Grundrauschen in den Alltag eingesickert.
W ir drohen uns beinahe schon daran zu gewöhnen, an diese rechte Rhetorik, die vor allem in der Wiederholung besteht und Wiederholung der Wiederholung und der Wiederholung der Variation und der Maskierung der Wiederholung der Variation der immer gleichen Begriffe und Bilder besteht: Brabbelbrabbel deutsches Volk brabbelbrabbel Flüchtlinge unser Geld unsere Frauen brabbelbrabbel HeimatNation brabbelbrabbel Gutmenschenliberallinksverräter brabbelbrabbel Kopftuchfrauen Messermänner Überflutung Unterwanderung Parasiten brabbelbrabbel unser Land unsere Werte brabbelbrabbel aufräumen GrenzenMauern brabbelbrabbel.
Es geht hier weder um ein Argumentieren noch gar um ein „Denken“. Auch das „Narrativ“, das sich auf „Wir gegen die anderen“ reduzieren lässt, spielt nicht die Hauptrolle. Es geht um die Begriffe, die ein rechtsextremes Grundrauschen in der Öffentlichkeit und mittlerweile sogar im deutschen Parlament erzeugt.
Zum zweifelhaften Vergnügen am Rechts-Sprech gehört es, dass manche „verbotenen“ Worte legitimiert werden („Neger“ darf man sagen, weil es doch nur „schwarz“ bedeutet, ätsch) oder maskiert werden (aus der „Lügenpresse“ wird flugs, haha, die „Pinocchiopresse“). Ansonsten geht es hauptsächlich darum, die spaltenden Worte, die die einen provozieren und den Zuspruch des „Wir“ sichern, so oft als möglich unterzubringen.
Wenn es in einer „normalen“ Sprechweise darauf ankommt, aus Worten einen Zusammenhang zu formen, so kommt es im Rechts-Sprech darauf an, aus jedem Zusammenhang die Worte zu gewinnen, auf die es einem wirklich ankommt. Volk, Nation, Rasse, Fremde, Ausländer, Juden, Umvolkung. Die Worte des Rechts-Sprech gewinnen ein Eigenleben. Die meisten von ihnen haben einen Doppelcharakter: Sie reagieren auf aktuelle Ereignisse, und sie greifen zurück in ein vordemokratisches, vormodernes Idyll, eine Parallelwelt, mindestens, zum historischen deutschen Faschismus. Deshalb tauchen immer wieder „zufällige“ Assoziationen an den Nazi-Jargon auf, man spricht halt, nun ja, von „Konzentration“ der „abzuschiebenden“ Flüchtlinge, und man wird doch noch mal sagen dürfen, dass der Begriff „völkisch“ nicht per se schlecht sei.
Gezielte Empörung und Mobilisierung
Rechts-Sprech bedeutet, Sprache völlig anders einzusetzen: in Form von semantischen Besetzungen, Eroberungen und Vernichtungen. Es geht stets darum, die Grenze zwischen dem Wir und den anderen verbal zu festigen. So ist, wenn Donald Trump von Einwanderern als „Tiere“ spricht, keine „Entgleisung“ am Werk, sondern gezielte Empörung der anderen und Mobilisierung der eigenen Anhänger, die wieder mal den „Mut“ bewundern, mit denen ihr „Führer“ „Klartext redet“.
Klartext im Rechts-Sprech ist die Herabwürdigung und verbale Kränkung der anderen. Das taktische Kommunikationsmuster ist mittlerweile sattsam bekannt: Auf die vollmundige Provokation folgt, so es ernsthaften Widerspruch gibt, eine halbherzige Relativierung, die im Kern schon wieder eine Verhöhnung der widersprechenden Instanz enthält. In der nächsten Phase wird bereits das „Recht“ auf eine solche Sprache eingefordert. Wie es Alice Weidel nach der Rüge des Bundestagspräsidenten für Aussagen in ihrer Rede getan hat. Die Rüge: „Völlig ungerechtfertigt“. Was an ihrer Aussage Provokation sein solle? Versteht sie nicht. Gering qualifizierte Einwanderer seien quasi automatisch Kopftuchfrauen und Messermänner? Wird man doch noch mal sagen dürfen!
Die Frage „Kann man mit Rechten sprechen?“ ist daher falsch gestellt. Rechts-Sprech ist weder auf Dialog noch auf einen argumentativen „Sieg“ hin ausgerichtet, sondern funktioniert vor allem als semantisches Obstruktionsmittel. Wie im Fall Weidel wird das Sprechen zum Angriff auf Sprache und Logik selbst: In George Orwells Neu-Sprech aus „1984“ geht es darum, die Sprache so zu reduzieren, dass Zweifel und Kritik nicht mehr möglich sind. Der Rechts-Sprech funktioniert in derselben Weise: Die Reduktion macht eine kritische Auseinandersetzung ebenso unmöglich wie das taktische Nichtverstehen, die Besetzung der Diskurse durch vorrationale und nicht verhandelbare Begriffe (Heimat, Volk, Nation, Wert und Rasse beschreiben keinen Umstand, keine Erscheinung, keine Form, sondern ausschließlich den emotionalen Kern einer Ermächtigung) und schließlich die Wiederkehr der immer gleichen semantischen Floskeln. Es handelt sich um nichts anderes als um einen semantischen Krieg.
Derweil sintert das rechtsextreme Grundrauschen in den Alltag. An der Drogeriekasse unterhalten sich nun Kassiererin und Kunde, so wie sie es früher über das Wetter getan haben, über Gutmenschen Fremde deutsches Volk brabbelbrabbel muss doch mal Schluss sein brabbel brabbel. Der rechtsextreme Sprech wird zum Small Talk, zum Ausweis der Zusammengehörigkeit. Und wie man einst einander nah war, indem man alles auf das Wetter schob, die Kopfschmerzen, die schlechte Laune, die Beziehungsprobleme, so schiebt man eben jetzt alles auf, na, Sie wissen schon. In beiden Fällen kommt es gar nicht darauf an, ob man es wirklich ernst meint. Wesentlich ist nur die Zustimmung.
Die Leitmedien titeln derweil gern, was „uns“ die Migranten kosten; wenn es keine Royal Wedding gibt, dann verkaufen sich Überschriften mit „Asylanten“ am besten. Und die Rechtsprechung? Alexander Gaulands Hetze von der türkischstämmigen SPD-Politikerin, die man „in Anatolien entsorgen“ solle, wird nach der Auffassung der Thüringer Staatsanwaltschaft „von der Meinungsfreiheit gedeckt“. Vor einem deutschen Gericht verlangt ein Verteidiger eine Expertise zum „Volkstod“. Eine Beleidigungsklage dagegen handelt sich der Sänger von „Kraftklub“ ein, weil er Rechtspopulisten als „Vollidioten“ bezeichnet hat. Mal schleichend, mal stampfend vollzieht sich der Sprech- und Diskurswechsel.
Man gewöhnt sich daran. Oder?
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