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Debatte Beißreflexe im FeminismusLass dir nichts verbieten!

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

In allem einig war sich die Frauenbewegung noch nie. Aber die aktuellen Streitereien lassen sich der jüngeren Generation kaum noch vermitteln.

Ist das jetzt sexistisch oder feministisch? Foto: reuters

D ie 17-jährige Tochter einer Freundin fragte mich kürzlich, ob sie es wagen solle, Feministin zu werden. Sie sei sich nicht ganz sicher, denn was sie dazu gerade lese, mache sie ganz wuschig. Es ginge da irgendwie wild durcheinander: Einerseits solle jede Frau dazu stehen, so zu sein, wie sie ist und was sie ist: dünn, dick, lesbisch, queer, Single, Mutter, Alleinerziehende, Hausfrau, whatever.

Gleichwohl sollte sie bei der Wahl ihres Lebensentwurfs, vor allem dann, wenn sie länger mit den Kindern zu Hause bleiben will, immer auch an ihre Rente denken. Ebenso seien Ganzkörpertattoos und Brustvergrößerungen voll okay, auch Genital-OPs, bei denen die kleinen Schamlippen mitunter aus kosmetischen Gründen gekürzt werden.

Wie passt das alles zusammen, fragt sich die 17-Jährige: einerseits die Forderung, zu sich selbst zu stehen, auch in aller Unvollkommenheit. Andererseits an sich herumschnippeln zu lassen. Auf der einen Seite alle Lebensentscheidungen von Frauen gutzuheißen, dann aber Vorschriften zu machen bei der Wahl der Familienart, zumindest Bedenken gegenüber beispielsweise dem Hausfrauenmodell anzumelden.

Und komplett unverständlich erscheint der Schülerin die aktuelle Schlacht, die sich die queerfeministische Szene derzeit liefert. Vorwürfe wie Denk- und Redeverbote und Vokabeln wie „Beißreflexe“ und „Butlerisierung“ passen nicht in das Feminismus-Bild der jungen Frau.

Solidarität war noch nie die Stärke des Feminismus

Die Irritation der 17-Jährigen ist nachvollziehbar. Das mit den zahlreichen Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten, die Diskurse um Körperkult und körperliche Unversehrtheit kann man noch erklären: Heute kann jede und jeder alles machen und alles sein. Aber die Auseinandersetzungen innerhalb der queerfeministischen Szene sind außerhalb dieser Community kaum zu vermitteln.

Die Gemengelange dort stellt sich – vereinfacht und zugespitzt formuliert – so dar: Auf der einen Seite stehen Alice Schwarzer und ihre Zeitschrift Emma, die selbsternannte Polittunte Patsy l’Amour laLove und das von ihr herausgebene Buch „Beißreflexe“ sowie die „Störenfriedas“, ein Blog, das sich als radikal-feministisch bezeichnet. Sie machen Front gegen den Queerfeminismus, der in ihren Augen islamistische Gewalt relativiere, weil allein schon Kritik am Kopftuch als rassistisch ausgelegt werde.

Auf der anderen Seite stehen Queerfeministinnen wie die Gender-Ikone Judith Butler und die Gender-Wissenschaftlerin Sabine Hark. Sie beklagen beispielsweise, dass Schwarzer und Co die Übergriffe auf Frauen in der Kölner Silvesternacht für antimuslimische und rassistische Ressentiments missbrauchen. Beide Seiten liefern sich eine Medienschlacht, die unterlegt ist mit Titeln wie „Die Verleumdung“ und „Rufmord“. Es geht um zwei konträre Ansichten auf die Welt, auf Gender und Genderforschung und Deutungshoheit.

Was bleibt? Außer der Irritation für Außenstehende? Vielleicht die bittere Erkenntnis, dass sich Feministinnen wieder einmal nicht grün sind. Hey, möchte man da rufen: Der Feminismus hat es doch schon schwer genug. Reichen denn all die Angriffe von AntifeministInnen und PopulistInnen etwa nicht? Eure Grabenkämpfe verstärken eher das Bild eines schwierigen und unlebbaren Gesellschafts­ideals. Das der Feminismus aber mitnichten ist.

Dürfen Männer mitstreiken?

Nun war Solidarität noch nie die Stärke feministischer Szenen. Zusammenhalt wurde zwar häufig proklamiert, aber nicht in jedem Fall gelebt. Dazu waren die Interessen und die Lebensumstände der Aktivist*innen zu verschieden, die sozialen wie biologischen Unterschiede zu groß. Manche waren arm, andere hatten Geld. Die einen bekamen Kinder, andere nicht. Die einen betonen die Unterdrückung durch ein machistisches System, andere stellen eher weibliches Selbstbewusstsein und feminine Stärken heraus. Manche Frauen machen Karriere – in der Uni, in der Politik, in den Medien. Andere empfinden das als Verkauf an den Neoliberalismus. Selbst Prostitution ist mittlerweile ein feministisch umkämpftes Feld.

Als die Mauer fiel, hatten Ost- und Westfeministinnen ein sehr großes, sehr ernst gemeintes Ziel: eine einheitliche Frauenbewegung in Deutschland. Aber sie scheiterten schon bei der Organisation des Frauenstreiktages am 8. März 1994, der das Land lahm legen sollte, weil Frauen allerorten die Arbeit verweigerten: Sie sollten nicht ins Büro gehen und nicht zu Aldi an die Kasse. Sie sollten keine Wäsche waschen, sich dem Partner verweigern und ihm das Kind auf den Schreibtisch setzen.

Den erwarteten Aufruhr brachte der Frauenstreiktag nicht. Statt geballte Kraft in die Organisation des Streiks zu stecken, verzettelten sich die Frauen in ausufernden und sich wiederholenden Grundsatzdebatten: Ist es unfeministisch, wenn sich Frauen – so wie das Ostfrauen damals gewohnt waren – Traktorist, Lehrer und Arzt nennen? Dürfen (feministisch gesinnte) Männer mitstreiken? Wohin mit den Kindern bei den Vobereitungstreffen? Und dann immer diese Streite um Männer als Gegner. Während die Ostfrauen nicht per se gegen Männer kämpften, weil sie durch Vollbeschäftigung, Kitas, Abtreibungsrecht einen Emanzipationsvorsprung fühlten, legten Westfrauen mehr Wert auf Abgrenzung zu Männern. Bis die Einsicht an Macht gewann, beim Kampf um die Gleichstellung der Geschlechter die Männer nicht zu vergessen, brauchte es eine Weile.

Weniger Häme wäre ein Anfang

Aber kaum war dieser Konsens hergestellt, taten sich die nächsten Baustellen auf: Netzfeministinnen wurden als Hetzfeministinnen beschimpft, es war die Rede von einem Feminimus light, Quoten für Führungspositionen waren auch unter progressiven Frauen umstritten. Kurz: Heute ist keine einfach nur Feministin, sondern bewegt sich auf einem hochexplosiven Terrain.

Was tut not? Vielleicht helfen schon ein bisschen weniger Häme und Provokation – und ein bisschen mehr Sachlichkeit. Der Tochter der Freundin habe ich übrigens gesagt: Sei, wie du bist. Mach das, was du willst. Lass dich nicht verbiegen und dir nichts verbieten. Das ist für den Anfang genug Feminismus.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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27 Kommentare

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  • Leben und Leben lassen.

  • "Feministisch im ursprünglichen Sinne wäre es keine Feministin im modernen Sinne zu sein, sondern zu tun was einem gefällt"

     

    Naja... tu einfach, was dir gefällt, scheint ja auch der Ratschlag der Autorin zu sein. Allerdings schadet es insbesondere in einer zunehmend entsolidarisierten Gesellschaft sicher nicht, neben "was du willst" und "ich ich ich" vielleicht auch mal drüber nachzudenken, was das so mit anderen und einem selber macht.

     

    Und in einer Zeit, in der laut Umfragen noch immer die meisten zwei sich küssende Frauen total heiß finden und zwei zärtliche Männer total eklig, in der Mädels sich (laut taz-Kommentariat angeblich hormondbedingt) für Pflege und Kloputzen interessieren und Männer für Kohle Machen, in der Mädchen rosa Prinzessinenkrams angedreht wird und Jungs hellblaue Autos, weil es ja allen angbelich so gefällt... da lohnt es sich doch vielleicht drüber nachzudenken, warum man das will, was man will, bevor man tut, was man will?

     

    "Ein Kollektivistischer Ansatz zur Befreiung der Einzelnen ist ein Widerspruch in sich. Mit diesem Problem ist der Feminismus aber nicht alleine. An den Punkt kommt früher oder später jede Bewegung die sich um eine künstlich geschaffene, gemeinsame Identität dreht."

     

    Das ist nur ein Widerspruch, wenn Sie den Einzelnen und das Kollektiv als Gegensatz sehen und nicht als Relation. Ist übrigens ziemlich witzig, wenn tausend Jahre lang Gruppenidentitäten wie "Schwarze" und "Weiße", "Männer" und "Frauen" nicht nur fröhlich gezogen werden, sondern auf dieser Basis auch heftigst systemische Ungleichheit und Unterdrückung betrieben wurde.. aber kaum, dass die Seite mit der historischen Arschkarte mal aufsteht und "wir Frauen wollen was anderes" oder "Black Lives Matter" sagt, geht sofort der Protest los, dass das ja total revers-rassistisch oder -sexistisch sei und aufgeklärten Menschen Farbe und Geschlecht am Hintern vorbeigehen sollten.

    • @kami:

      ^ Huch, das war eigentlich eine Antwort an DISENCHANTED weiter unten.

  • Ich sehe nicht, wo das Problem ist, wenn es bezüglich eines Themas auch Debatten oder sogar heftige Streitigkeiten gibt. Wenn alle in irgend einem -"ismus" gleichgeschaltet wären, würde das doch auch gleich wieder kritisiert.

    Ob der Feminismus überhaupt ein -ismus ist, ist dabei durchaus eh fraglich. Es geht dabei ja nicht um eine doktrinäre Denkschule, sondern um Frauenrechte - und da ist von "gleich Rechte wie Männer" bis "anderes System" aufbauen und vielem mehr eben alles an Richtungen dabei. Bei der Schwulenbewegung und vielen anderen politischen Bewegungen (ob auf einer "Identitäts"kategorie beruhend oder nicht) ist das ja auch nicht anders.

     

    Umso mehr gilt das für die achso verfehmten "Gender Studies", die nun mal überhaupt kein -ismus in irgend einem Sinne sind, sondern einfach das Erforschen von Geschlechterrollen - wobei da von biologischen über historischen Ansätzen bis philosophischen, soziologischen (empririsch oder auch nicht), behavioristischen, konstruktivistischen, u.v.m. auch alles zum Thema einbezogen und kritisch betrachtet wird.

    Ich finde es wirklich belustigend und teilweise unglaublich beängstigend, wie selbst in den taz-Kommentaren diesbezüglich völliger Blödsinn behauptet wird ("diktatorische Ideologie! Pseuodwissenschaft!" etc.) von Leuten, die ganz offensichtlich nicht die geringste Ahnung vom Fach haben und ihr "Wissen" scheinbar aus irgendwelchen online-Pöbelseiten beziehen. Sehr witzig und beispielhaft weiter unten der Kommentar von Normalo, der zwar zugibt, irgendwas aus den Butler-geprägten queer studies noch nie verstanden oder auch nur gelesen zu haben, aber einfach trotzdem mal verkündet, dass

    es dabei um eine, Zitat, "in jede winzige Nische des menschlichen Lebens hineinreichende Diktatur der gendermäßigen Beliebigkeit" geht. Ja nee, is klar.

     

    Scheinbar folgen einige Herren hier dem Motto: "Hat was mit Frauen und Geschlechtergedöns zu tun? DRAUFSCHLAGEN!"

    Armselig. Und ziemlich bezeichnend.

  • Das Bild ziert ein schönes Kreuz.

  • "Sei, wie du bist. Mach das, was du willst. Lass dich nicht verbiegen und dir nichts verbieten."

     

    Mmmh...., wenn du dem Idealbild eines sozialisierten Menschen entsprichst. Solche undifferenzierenden Gemeinfloskeln als Lebensweisheit gehen leicht über die Lippen... und taugen nicht mehr als zum A...abwischen.

    • @lions:

      Man könnte es auch Rückgrat nennen.

      Davon gibt es in unserer Gesellschaft zu wenige.

       

      Ob das feministisch speziell ist wage ich zu bezweifeln.

      • @Justin Teim:

        Worauf ich hinaus will: Zu viele Menschen gehen aus ihrer Kindheit heraus schon verbogen hervor. Ob egozentrisch/egoman, überangepasst, schlimmstenfalls psychotisch usw. Was soll die Botschaft an die sein, wenn man obige Floskel anwenden will. Er mag für hochsozialisierte Menschen ein wohlgemeinter Rat sein. Bzgl anderen, und ich behaupte die Mehrzahl, ist es ein Kehricht wert.

        • @lions:

          ....dann wäre vielleicht für die jenigen besser...

           

          Stand up and fight for your rights.

  • Ja wie?

     

    "…Der Tochter der Freundin habe ich übrigens gesagt: Sei, wie du bist. Mach das, was du willst. Lass dich nicht verbiegen und dir nichts verbieten. Das ist für den Anfang genug Feminismus."

     

    Ok. Sach ich meinen Kids&Enkeln - Ooch - kerr!

    Aber was - Zum xten nun - Hat das mit -

    Feminismus & dem Fotto zu tun?

    kurz - Balin läuft sich scheints in seinen

    Blasen (hier&PU) Permanent den Wolf!

    PreußischStreuSand in Getriebe&Hirn -Genau. Verwirrn.

    Nu. Wiedermal.

    Da mähtste nix.

    Normal.

  • Wenn zum Feminismus genug Blödheit hinzu kommt, werden US Colleges und Universitäten mit Kursen über "micro aggression" überzogen.

     

    Das Resultat ist eine Athmosphäre, in der kaum noch jemand den Mund aufmacht:

    https://www.youtube.com/watch?v=cir65niCkMM

  • Zu dem letzten Abatz würde ich noch hinzufügen: man sollte gerade Jugendliche ermutigen, sich für Feminismus einzusetzen. Von sich aus haben (nach meiner Erfahrung als Lehrer) nur die wenigsten Interesse daran – nicht zuletzt deswegen, weil sie ja auf der Schule die Benachteiligung von Frauen noch nicht am eigenen Leib spüren. Unter den Lehrkräften sind Frauen inzwischen auch am Gymnasium in der Mehrheit, gemessen an den Noten sind Mädchen eher erfolgreicher als Jungen, etc. – und erst im Studium und Berufsleben werden die Mädchen mit der Realität konfrontiert.

    Also würde ich der 17jährigen auf jeden Fall auch noch auf den Weg geben: Misch dich ein! Wenn man kontroverse Diskussionen um „Reizthemen“ vermeidet, weil man Sorge hat, in eine Ecke gestellt zu werden, kann man nichts bewegen. Außerdem sind die FeministInnen nicht so gespalten, wie man meint, die große Mehrheit hat – wie bei vielen anderen gesellschaftlichen Themen auch – durchaus differenzierte Positionen irgendwo zwischen den Extremen. Da kann man auch als Jugendliche einen eigenen Standpunkt suchen und finden. Und wenn man mal einen „Beißreflex“ auslöst, dann muss man halt auch mal unsachliche Polemik aushalten, so ist das Leben. Lässt man sich davon nicht abschrecken und argumentiert statt zurückzubeißen, profitieren alle davon.

  • Ein Kollektivistischer Ansatz zur Befreiung der Einzelnen ist ein Widerspruch in sich. Mit diesem Problem ist der Feminismus aber nicht alleine. An den Punkt kommt früher oder später jede Bewegung die sich um eine künstlich geschaffene, gemeinsame Identität dreht.

     

    Emanzipation heißt Selbstbefreiung und Freiheit ist das Abhandensein von externen Zwängen. Diese Zwänge gab es früher ganz eindeutig in Form von Gesetzen, welche Frauen in ihren Möglichkeiten einschränkten. Diese Form der Diskriminierung ist in den meisten westlichen Ländern weitreichend aus den Gesetzbüchern getilgt worden.

    Während es diese Gestze gab war es logisch als Frauen, sprich als die Diskriminierten, gemeinsam gegen diese Einschränkungen vorzugehen. Die Zusammengehörigkeit wurde einem ja quasi vom “Feind” aufgedrückt. Doch warum das heute noch so sein soll ist nicht mehr selbsterklärend. Die Antwort des modernen Feminismus auf diese bedrohliche Situation besteht in der Dämonisierung von Männern und seit einiger Zeit auch von Mehrheiten im Allgemeinen Sinne.

     

    Nun richtet sich der Kampf nicht mehr gegen gesichtslose Institutionen, sondern oftmals gegen Individuen die nicht Linientreu sind. Das trifft auch gerne mal Frauen mit der falschen Einstellung, Hautfarbe oder sexuellen Ausrichtung. Deshalb würde ich mal behaupten der Feminismus schafft heutzutage keine Freiheiten mehr, auch nicht für Frauen, sondern versucht nur noch ihnen ein neues, moralisches Korsett aufzuzwängen und sich selbst auf Kosten anderer mehr Gewicht zu verschaffen.

     

    Man könnte auch sagen: Feministisch im ursprünglichen Sinne wäre es keine Feministin im modernen Sinne zu sein, sondern zu tun was einem gefällt, auch wenn es einigen als unfeministisch gilt.

  • Abgehobene Debatten ohne Realitätsbezug gibt es nicht nur im Feminismus...

    Da können dann Leute Beiträge bringen,

    die in die Öffentlichkeit streben. Und sich aneinander abarbeiten. Bis sie keine Lust mehr dazu haben.

  • ..und vielleicht ein Bewusstsein dafür, dass auch Frauen nicht fehlerlos sind und manchmal dämliche Dinge tun und sagen. Wie wir Männer auch ;-)

  • Der Streit zeigt vor allem eins:

    Dass wesentliche Kräfte innerhalb des Feminismus von "Befreiung" und "Toleranz" nichts verstehen, da sie außer der diktatorischen Durchsetzung ihrer speziellen Vorstellung, was Freiheit ist und wie sie gelebt werden sollte, nichts gelten lassen. Das gilt sowohl für die "Grand Old Schachtel" aus dem Bayenturm und ihre autoritären Gefolgsleute alsauch für all Jene, die Judith Butler auf ihren Fahnen tragen (die ich selbst nicht einordnen will, da ich mich selbst nicht zum erlesenen Kreis der sie verstehenden Elfentbeinturmbewohner zähle), die das triste Zweierlei der biologischen Lehre vom Geschlecht zugunsten einer in jede winzige Nische des menschlichen Lebens hineinreichende Diktatur der gendermäßigen Beliebigkeit führen wollen.

     

    Beide Seiten bekämpfen also Intoleranz mit neuer Intoleranz. Das ist letztlich tödlich für eine Bewegung, deren Zielgruppe mehrere Milliarden völlig unterschiedlicher Individuen zählt.

    • @Normalo:

      Ich stelle mir eine "Diktatur der Beliebigkeit" ziemlich süß vor. So in Richtung einer erwachsenen Pipi Langstrumpf als Königin Chaos in der alle tun müssen, was sie wollen so lange sie dabei anständig bleiben. Doch halt, Sie meinten "gendermäßig". Dann ..ähm.. naja, also dafür müsste man gar nicht mal soviel an dem Klassiker ändern, vielleicht noch ein zwei Kids einfügen, die mal so, mal so, mal ganz anders sind. Würde auch nicht groß stören. Aber warum genau ist das jetzt schlechter als die Abrichtung einer Menschenklasse zu Gebär- und Sexmaschinen qua Biologie und der Erhebung des anderen Teils zu willigen oder unwilligen Tyrannen? Sagen Sie blos nicht, es läge nur daran, dass Sie dann ein "Normalo" bleiben können...

  • 3G
    36387 (Profil gelöscht)

    Also, wenn es nur um Alice Schwarzer und Judith Butler geht ... und nicht wirklich dahinter eine "Masse Mensch" steht, ... dann würde ich als Feminist alle Menschen vorschlagen:

     

    Alles läuft ... Unser gemeinsamer Kampf für Gleichberechtigung ist nicht in Gefahr, er wird nicht leichter, nicht schwerer.

     

    Weil weder Alice Schwarzer noch Judith Butler wirklich wirkmächtig (mehr) sind.

     

    1. Alice Schwarzer wird seit Jahren überbewertet und gerade einige Aussagen im Bereich "Islam" sind nun wirklich BILD-Niveau.

     

    2. Judith Butler - die 2-3 Menschen, die ihre Arbeiten wirklich gelesen und gedanklich nachvollziehen können (beileibe nicht zustimmen), sind keine Masse Mensch. Ansonsten: Soll Sie doch weiterhin die HAMAS toll finden und damit ja Millionen von arabisch-muslimischen Frauen total feministisch helfen.

     

    Kurzform: Vergesst von beiden Frauen vieles und lasst uns weiterkämpfen! Gemeinsam!

     

    Für Menschenrechte, für Gleichbereichtigung, gegen Homo- und Transphobie, gegen Antisemitismus und gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit.

    • @36387 (Profil gelöscht):

      Auch wenn das etwas kitschig klingt: Dankeschön für Ihren Beitrag, er hat mir Hoffnung gemacht.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @36387 (Profil gelöscht):

      zu 2.

      Ich bin schon mal einer von den 2-3 Menschen. Die anderen beiden ruf ich mal schnell an..

      Gerade die Aussage, Butler würde die Hamas toll finden, ist nun wirklich BILD-Niveau.

       

      Leider wird von Butler viel gesprochen, aber um sie zu verstehen, braucht es halt auch Derrida und der ist geschasst von vielen Philosophen, weil sich mit Hilfe der Dekonstruktion die Willkürlichkeit und die politische Dimension ihrer eigenen Vorannahmen offen legen lassen.

       

      Ich halte das dekonstruktive Denken für sehr wichtig, weil sich erst so die Ausschlüsse aufzeigen lassen, die auch durch eine Repräsentation in Kategorien wie homo/hetero/bi/queer/trans/inter geschehen. Muss man*frau sich da überhaupt entscheiden?

      Es gibt so viele Sexualitäten wie es Menschen gibt, ist der Ansatz und nicht ein heteronormatives Geschlechtsmodell wie es bei konservativen Feministinnen zu finden ist.

      So schwierig sind die innerfeministischen Diskurse auch nicht zu verstehen, dass man*frau es gar nicht erst zu versuchen braucht.

       

      Warum es nicht möglich ist, in einigen Punkten konstruktiv zusammenzuarbeiten und sich trotzdem weiterhin in anderen Fragen zu fetzen liegt wahrscheinlich daran, dass die realpolitischen Ansichten von neoliberal über sozial-konservativ bis öko-anarchistisch gehen und der Mann als Feindbild zur gemeinsamen Identitätsbildung da einfach nicht genügt, zumal selbst dieses Feindbild so auch nicht überall existiert.

      • @85198 (Profil gelöscht):

        Cool, endlich mal ne Diskussion mit Niveau.

         

        Ich halte das dekonstruktivistische Denken für gefährlich, da es, als Grundsatzprogramm erhoben statt als Technik zum Aufbau neuen Wissens verwendet, keine Alternativen anbietet und somit zu einer Art hektischem Stillstand führt.

         

        Ihr Ansatz, Representationskategorien zu kritisieren, zeigt das exemplarisch: So sind die darin Representierten gerade nicht in der bequemen Lage, sich aussuchen zu dürfen, ob sie sich denn entscheiden müssen, oder nicht, sondern müssen selbstverständlich zu irgendwas Position beziehen, wollen sie für ihre Anliegen eintreten. Für Transsexualität oder die verbundene Kategoiere Transgender könnte ich Ihnen dies, wenn gewünscht, vollständig durchdeklinieren.

         

        Dies führt uns zum schiefen Ergebniss, dass Anhängende der Dekonstruktion sich beliebig über Marginalisierte erheben können, weil es ihnen leicht fällt, immer noch ein bisschen desinteressierter und damit vermeintlich vom Geschehen weniger betroffen zu sein, was aber nichts anderes ist, als die Ausgangsposition plus intellektualisierte Apathie. Eben deswegen dürfte sie an Universitäten so beliebt sein.

    • @36387 (Profil gelöscht):

      Was für Aussagen zum Thema Islam waren von ihr auf Bild Niveau?

  • "Sei, wie du bist. Mach das, was du willst. Lass dich nicht verbiegen und dir nichts verbieten."

     

    Solch ein Rat an einen jungen Mann? Käme einem Aufruf zu antisozialem Verhalten gleich. Bei einer jungen Frau ...

    • @TazTiz:

      Nur Mut. Denken Sie noch ein bisschen nach und Sie könnten einsehen, dass es daran liegt, wie unterschiedlich die Gesellschaft die beiden behandeln wird.

    • @TazTiz:

      Nö, sei ein_e Anarchist_in! Passt doch.

  • 6G
    6474 (Profil gelöscht)

    Was mich an dieser (und anderen) Debatte so stört. Politische Meinungsbildung bedeutet doch nicht, mich auf die bessere und symphatischere Seite zu schlagen, sondern mir meine eigene Meinung zu bilden und selbständig zu denken.

     

    Die Deutung der Ereignisse in Köln zu Silvester ist keine Frage von Queerfeminsimus vs. radikaler (oder eben bürgerlicher) Feminismus. Das ist ein Streitpunkt zwischen u.a Schwarzer und Butler, denen man beiden nicht blind hinterher hecheln sollte.

    • @6474 (Profil gelöscht):

      Das Problem ist ja nicht, dass unterschiedliche Feministinnen unterschiedliche Auffassungen haben. Das war schon immer so und ist in anderen Strömungen auch nicht anders.

       

      Ein Problem wird es, wenn man sagt "XY ist nicht feministich!". Dann muss man sich als 17jährige natürlich überlegen ob man sich als Feministin bezeichnen wird, wenn man XY gut findet...