Dänemarks Spieler Christian Eriksen: Ein Kollaps aus dem Nichts
Beim EM-Spiel Dänemarks gegen Finnland bricht Christian Eriksen zusammen. Nach Reanimation ist sein Zustand stabil. Das Spiel wird wieder angepfiffen.
Simon Kjaer war der Erste, der begriffen hatte, was da passiert war. Vor seinen Augen, nur wenige Meter entfernt, sehr nah an der Außenlinie, hatte sein 29-jähriger Mitspieler Christian Eriksen einen Einwurf entgegennehmen wollen. Und brach zusammen. Kjaer, Kapitän des dänischen Teams, war sofort zur Stelle. kniete sich neben Eriksen und begann mit Erster Hilfe. Andere Spieler winkten aufgeregt das medizinische Personal herbei.
15.200 Zuschauer im Kopenhagener Parken-Stadion erlebten am Samstagabend beim EM-Gruppenspiel zwischen Dänemark und Finnland dieses Drama mit. Auch die Millionen an den Fernsehern erlebten vieles mit, denn die Bildregie der Uefa sorgte dafür. Die Kameras blieben auf den laufenden Wiederbelebungsversuchen drauf, manchmal schwenkten sie zu Eriksens Freundin, die getröstet wurde, auch von Simon Kjaer.
Für ein bisschen Respekt sorgten Eriksens dänische Mitspieler. Sie bildeten einen menschlichen Sichtschutz, damit die lebensrettenden Maßnahmen ungestört durchgeführt werden konnten. „Es war klar, dass er nicht bei Bewusstsein war“, berichtete Dänemarks Teamarzt später, und fügte sichtbar erleichtert hinzu: „Wir haben es geschafft, Christian zurückzuholen.“
Als Eriksen auf einer Trage aus dem Stadion gebracht wurde, so schnell wie möglich ins Krankenhaus, begleiteten ihn Dänemarks Nationalspieler auch wie selbstverständlich, um es den Gaffern wenigstens schwer zu machen. 107 Minuten war das Spiel dann unterbrochen. Im Stadion war es leise. Irgendwann meldete sich auch das Fernsehen von der Liveübertragung ab.
Kritik an der Uefa-Bildregie
Kritik an der Bildregie der Uefa wurde bald laut. Das ZDF, das in Deutschland übertrug, wehrte ab. Man sei mit dem Zwischenfall „verantwortungsvoll umgegangen“, erklärte ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann der dpa. Die BBC, die in England übertrug, zeigte sich ähnlichen Vorwürfen gegenüber aufgeschlossener. „Wir entschuldigen uns bei allen, die sich darüber aufgeregt haben, dass die Bilder ausgestrahlt wurden“, heißt es beim Sender, aber die Uefa habe ja die Übertragung kontrolliert. Etliche Kritiker erwähnten auch, wie schnell die Uefa reagiere, wenn etwa ein nackter Flitzer über den Platz läuft – anders als im Falle von Eriksons Herzmassage wird dann in weniger als einer Sekunde umdisponiert.
Als auf der Videotafel des Stadions verkündet wurde, Eriksons Zustand sei „stable and awake“, er sei wach und sein Zustand stabil, brauste lauter Jubel im Stadion auf. Später wurde auch berichtet, Eriksen habe mit der dänischen Mannschaft ein Videotelefonat geführt und sie darin gebeten, das Spiel zu Ende zu führen. Von der Uefa heißt es, dass es der Wille beider Mannschaften gewesen sei, das Spiel, das wenige Minuten vor der Halbzeitpause unterbrochen worden war, auszuspielen. Zu hören war, dass der Wiederanpfiff um 20.30 Uhr „dem Wunsch der Spieler folgend“ geschehen sei, wie die Uefa auf Twitter mitteilte. Finnland schoss später ein Tor, Dänemark verschoss einen Elfmeter. „Dänemark hat verloren, aber wir haben gewonnen“, titelte eine dänische Tageszeitung.
Simon Kjaer übrigens war auch nach dem Anpfiff der Erste, der nicht mehr konnte. Als das Spiel knappe 20 Minuten wieder lief, bat er um Auswechslung. „Er hat es versucht“, sagte Dänemarks Trainer Kasper Hjulmand. „Aber es war nicht möglich.“
Am nächsten Tag begannen die Diskussionen. Kontinentalverband Uefa ist gleich doppelt in der Kritik: zum einen wegen ihrer Bildregie, der mangelnder Respekt vorgeworfen wird. Zum anderen, dass sie die Entscheidung über den Wiederanpfiff den Spielern übertragen hat, statt selbst einen Abbruch zu bestimmen.
Die Uefa weist die Kritik mit Hinweis auf ihre Regeln zurück: Ein Weiterspielen am nächsten Tag sei dort nur vorgesehen, wenn „nicht wie geplant begonnen oder nicht zu Ende gespielt werden“ könne. Da aber die Spieler nach einem Telefonat mit Eriksen für den Wiederanpfiff votiert hätten, sei richtig gehandelt worden.
In den Diskussionen, die nach Eriksens Kollaps geführt wurden, weisen einige Stimmen auch darauf hin, dass plötzliche Herzattacken auf Fußballplätzen nicht so selten sind. Mindestens zehn Herztode von Profifußballern sind in den vergangen vier Jahren zu beklagen, wie der Journalist Jonathan Sachse auf Twitter mitteilte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül