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„D-Day“-Affäre der FDPDas GZSZ des politisch interessierten Bildungsbürgers

Die Aufregung über die FDP ist scheinheilig. Denn sie macht nur, was Parteien für Prozente eben machen. Nur etwas ungeschickter als ihre Wettbewerber.

Wer wohl noch alles Platz nimmt in den Talkshow-Sendungen bis zur Wahl? Foto: Monika Skolimowska/dpa

B ald wählen wir wieder einen neuen Bundestag! Können Sie es auch kaum erwarten, Ihre Bürgerpflicht zu erfüllen? Und damit die Besetzung für das nächste Theaterstück zu bestimmen, das wir dann allabendlich in den Nachrichten verfolgen können? Mit allen Gefühlen, die zum Leben gehören: Hoffnung, Enttäuschung, Wut.

Was würden wir tun ohne den Politjournalismus, dem GZSZ des politisch interessierten Bildungsbürgers – nur dass es eben meistens schlechte Zeiten sind, weswegen diese Show eigentlich SZSZ heißen müsste. Die besonders politisch interessierten Bildungsbürger, zu denen ich mich selbst zähle, haben dank der Mediatheken jederzeit Zugriff auf den Stoff: Lanz, ­Miosga, Maischberger, Illner. Ich kann die Kol­le­g:in­nen zwar schon lange nicht mehr auseinanderhalten – aber steile Thesen und interessante Gäste haben Sie mir doch jedes Mal geboten.

Entschuldigen Sie bitte, wenn das jetzt ein bisschen abschätzig klingt und Sie vielleicht denken: Wie jetzt – ein Journalist, der so über unsere lebhafte Demokratie schreibt?

Obwohl er qua Beruf eigentlich dazu verpflichtet ist, über diese lebhafte Demokratie zu informieren, ja, seine Leserinnen und Leser für diese lebhafte Demokratie zu interessieren und zu begeistern? Genauso wie all seine Kolleginnen und Kollegen, die sich seit Tagen darüber empören, dass ein Politiker und seine Partei sich vor allem um ihren eigenen Arsch statt um das Wohl des Landes sorgen; die für ein paar Prozentpunkte Intrigen spinnen, Schlachtpläne ­schreiben und die Öffentlichkeit über diese belügen anstatt, soweit das noch geht, politische Projekte zu verfolgen, die sie ihren Wäh­le­r:in­nen versprochen haben. Und die das alles dann auch noch so viel ungeschickter anstellen als ihre politischen Wettbewerber, weshalb sie zu Lachnummer der Nation werden.

Vorberichte, schönste Berichte!

Natürlich sollte man nicht lügen, das haben wir doch als Kinder gelernt. Und über geschichtsvergessene Formulierungen kann man auch streiten. Aber wenn Sie glauben, dass alles schön und gut wäre, wenn da nicht Christian Lindner, der Jo Gerner der deutschen Politik, und seine FDP wären, dann beneide ich Sie um Ihre optimistische Sicht auf die Dinge. Dann können Sie an dieser Stelle gerne auch aufhören, diese Kolumne zu lesen, und sich wieder den Politikseiten dieser oder einer anderen Zeitung widmen. Denn dort laufen längst die Vorberichte für die nächste Spielzeit. Und Vorberichte, das kennen wir auch von den Bundesliga-Spieltagen, sind die schönsten Berichte.

Nichtwähler! Das ist ein echtes Problem für unsere Demokratie! Lass uns auf jeden Fall was zu Nichtwählern machen!, interveniert mein politisch interessiertes Ich, dem diese Kolumne langsam auch zu zynisch wird. Also google ich Nichtwähler – und lerne, dass Nichtwählen etwas mit Armut zu tun hat; aber dass Nichtwähler – bei der letzten Bundestagswahl 2021 immerhin fast ein Viertel der Wahlberechtigten – auch aus ganz anderen Gründen nicht wählen (ach was!).

Bevor ich meine politisch interessierten Interviewanfragen an die Elenden des Landes losschicke, meldet sich mein politikverdrossenes Ich zurück: Warum eigentlich Interviews? Könnte doch auch ein Ich-Text werden!

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Volkan Ağar
Redakteur taz2
Kolumnist (Postprolet) und Redakteur im Ressort taz2: Gesellschaft & Medien. Bei der taz seit 2016. Schreibt über Soziales, Randständiges und Abgründiges.
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4 Kommentare

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  • Alle Parteien machen das also - nur mehr oder weniger geschickt? Dann sollte man ernsthaft darüber nachdenken Parteien als untaugliches Mittel der demokratischen Willensbildung abzuschaffen. Ich wäre dafür unsere Parlamente auszulosen unter allen nicht vorbestraften mündigen Staatsbürgern. Das Prinzip heißt Open Democray und würde meiner Ansicht nach 90 % des politischen Schwachsinns, von dem der Autor als "normal", "machen doch alle" schreibt, eliminieren.

  • Was mein Arbeiter-Ich dringend wissen will; kriegen die drei nicht mehr ministernden FDPler ihre Kohle noch oder wurde da das Auszahlungs- mit dem Arbeitsverhältnis beendet?

  • Die viel zitierte Politikverdrossenheit wäre eine echte Chance, wenn politische JournalistInnen und ExpertInnen die Politik erklären und nicht immer das gleiche Spiel von Verklärung unserer sogenannten Demokratie und Brandmarkung von SpielverderberInnen aufführen würden. So glaubt eine überwältigende Mehrheit an die Demokratie, die Zahl derer, die Parteien und Medien aber misstrauen steigt beständig. Es lassen sich zwei anti-demokratische Trends beobachten:

    - WählerInnen, die mit der Politik hadern, setzen auf vermeintlich neue Kräfte, die mal so richtig durchgreifen und Politik in ihrem Sinn machen. Das dann etablierte Verfahren ausgesetzt, Regeln gebrochen, politisch Andersdenkende und 'Volksfeinde' ausgegrenzt oder schlimmeres werden, wird dabei mehr als nur in Kauf genommen.

    - Die selbst erklärten Verteidiger der wehrhaften Demokraten versuchen ihre Herrschaftsansprüche stärker abzusichern, verschärfen politische und polizeiliche Gesetze, und drohen jeder weiteren Opposition mit Verboten und strafrechtlicher Verfolgung.

    Im nationalstaatlichen Rahmen stehen beide Trends für einen stärker werdenden Nationalismus: Es gilt, die monistische Einheit gegen ihre Feinde zu verteidig

  • Dir G-Day-Affäre ist doch nur ein Stück in dem Polittheater, das uns Tag für Tag so zugemutet wird. Ob es die Aktentasche oder als Koffer-Selberträger auf dem Kiewer Bahnhof ist, vorgetragen von einem selbstverliebten aber kaum Bühnen-tauglichen Kanzler-Darsteller, die erstaunlich harmonische Anpassungsfähigkeit unter DiplomatInnen oder das kumpelhafte Zusammenspiel mit den Wirtschaftsgrössen ist -verbunden mit Anreisen in Regierungsjets mit ausgesuchten Pressevertretern: Alles nur um uns Kompetenz und Regierungsfähigkeit vorzugaukeln, meist jenseits der Realität und ost mit dem Anspruch einer inzwischen verblichenen Weltmacht. Der einfache Wähler, die kaum noch anteilnehmende Wählerin wird in ihren Daseinskämpfen um günstiges Wohnen, den Erhalt des Arbeitsplatzes, dem täglich neuen Suchen nach einem Parkplatz und den Horrormeldungen um Klima und Krieg wird den 23.2. als Zumutung empfinden, wenn Ratlosigkeit an der Wahlurne um sich greift. Demokratie braucht Aufrichtigkeit und Verständnis. Ich empfehle dazu in der ZDF-Mediathek Markus Lanz gestern mit Peer Steinbrück: Es gäbe wählbare PolitikerInnen, wenn sie sich noch trauen in dieem Umfeld...