Cum-Ex-Skandal: Vorwürfe gegen Hamburger SPD
Die Hamburger Finanzbehörde soll auf eine Rückforderung gegen eine Bank verzichtet haben. Olaf Scholz räumt ein Gespräch mit Bankchef ein.
Das berichteten am Donnerstag die Wochenzeitung Die Zeit und das NDR-Magazin „Panorama“ unter Berufung auf Steuerunterlagen. Der Verzicht auf weitere 140 Millionen Euro sei in den Jahren 2017 und 2019 nur durch ein Eingreifen des Bundesfinanzministeriums verhindert worden.
Hamburger Finanzsenator war zur betreffenden Zeit der heutige Erste Bürgermeister Peter Tschentscher, der bei der Wahl am 23. Februar für die SPD als Spitzenkandidat antritt. Brisant ist zudem die Rolle seines Vorgängers im Amt des Hamburger Bürgermeisters, des heutigen Bundesfinanzministers Olaf Scholz. Der soll sich im Jahr 2017, als eine Entscheidung über eine weitere Rückforderung von 43 Millionen Euro anstand, mit dem Vorstandsvorsitzenden der Warburg-Bank, Christian Olearius, getroffen haben, um über den Fall zu sprechen.
Das geht laut Zeit und „Panorama“ aus den Tagebüchern von Olearius hervor, die im Rahmen der Ermittlungen gegen die Bank beschlagnahmt wurden und den Medien in Auszügen vorliegen. In der Antwort auf eine Anfrage der Linken hatte die Hamburger Senatskanzlei im November 2019 dagegen erklärt, Scholz habe keine Gespräche mit der Warburg-Bank geführt. Auch mit dem Hamburger SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs hat sich Olearius laut dem Tagebuch getroffen.
Gesamtschaden bis zu 55 Milliarden Euro
Beim Cum-Ex-Skandal hatten Banken und Anlager die Finanzbehörden betrogen, indem sie sich eine nur einmal gezahlte Kapitalertragsteuer mehrfach erstatten ließen. Nach Ansicht der Banken war das zum betreffenden Zeitpunkt nicht ausdrücklich verboten. Der Gesamtschaden für den Staat wird auf bis zu 55 Milliarden Euro geschätzt.
Die Grünen als aktueller Koalitionspartner der SPD übten am Donnerstag scharfe Kritik an den Vorgängen. „Die neuesten Erkenntnisse zum Cum-Ex-Steuerskandal in Hamburg sind beunruhigend und werfen jede Menge Fragen auf“, sagte Spitzenkandidatin Katharina Fegebank. Sie forderte Tschentscher zu einer schnellen Klärung auf.
Für die Linke erklärte der Hamburger Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi: „Wenn die Tagebücher von Warburg-Bankier Christian Olearius stimmen, hat Olaf Scholz als Hamburger Bürgermeister in laufende Ermittlungen eingegriffen.“ Er kritisierte zudem, dass die Senatskanzlei der Linken gegenüber offenbar die Unwahrheit über Treffen zwischen Scholz und Olearius gesagt habe.
Das Bundesfinanzministerium bestätigte der taz unterdessen, dass sich Scholz im November 2017 mit dem Warburg-Chef getroffen habe. Warum die Senatskanzlei das bestritten habe, wisse man nicht, sagte ein Sprecher.
Die Senatskanzlei teilte auf Anfrage mit, sie halte die Antwort weiterhin für zutreffend, weil sie sich nach ihrem Verständnis nur „auf mögliche Gespräche in dem steuerlichen Verfahren des Bankhauses“ bezogen habe, und darum sei es im Gespräch nicht gegangen. Tschentscher sagte der Hamburger Morgenpost, er könne sich zu dem konkreten Fall nicht äußern, aber es habe keinen politischen Einfluss auf Entscheidungen der Finanzverwaltung gegeben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Absagen vor Kunstsymposium
Logiken der Vermeidung