piwik no script img

Coronavirus in SachsenDer AfD geht die Muffe

Michael Bartsch
Kommentar von Michael Bartsch

Die Rechtspopulisten haben ein Problem: Seit Corona stehen sie nicht mehr im Zentrum der Aufmerksamkeit.

Während die anderen Parteien auf Zusammenarbeit setzen, kommt von der AfD nicht Konstruktives Foto: Matthias Rietschel/reuters

E rbarmen mit der AfD! Was soll eine Partei, die auf Hass, Angst und Verschwörungstheorien setzt, noch tun, wenn die permanent beschworene Apokalypse tatsächlich eintritt? Als Motzkipartei zu konstruktiver Politik unfähig, kann sie nur weiter Panik schüren und tausend Teufel mehr an alle Wände malen. So geschehen in der Sondersitzung des Sächsischen Landtags am Mittwoch.

Damit gerät sie in Konflikt mit ihrer eigenen Ideologie. Jetzt, wo die Regierungen und kommunalen Verantwortungsträger wirklich keine Parteien mehr kennen, sondern nur noch Deutsche an der unsichtbaren Virenfront, müsste sie eigentlich in die Maßnahmen zum Schutz des „Volkskörpers“ einstimmen. Der Sprung auf das Niveau solchen Ge­meinwohl-Denkens aber ist für eine AfD zu hoch. Sonst hätte sie in Dresden auf den erhofften politischen Vorteilsgewinn verzichtet und einer Debatte in einem drastisch verkleinerten Rumpfparlament zugestimmt.

Ewig auf der Suche nach dem Haar in der Suppe

Stattdessen gefällt sich die sogenannte Alternative weiterhin darin, das Haar in der Suppe zu suchen und in der Attitüde, schon immer alles besser gewusst zu haben. In der Substanz aber kommt kein einziger konstruktiver Hinweis, der Schuldzuweisungen für frühere Versäumnisse ruhen lassen und in der akuten Situation helfen könnte. Dabei müsste die Partei sich doch wohlfühlen, wenn jetzt die Grenzen faktisch geschlossen und „wir“ unter uns sind. Müssen halt nur noch alle Medikamente hier produziert und deutsche Bananen angebaut werden. Aber wer hilft dann in der Pflege oder den Landwirten im Frühjahr?

Nicht zu übersehen war im Landtag, dass der AfD in dieser Situation die sprichwörtliche Muffe geht. An Expansion gewöhnt, sich kurz vor einer Machtergreifung wähnend, weiß sie doch auch, dass Krisen eher das Ansehen gegenwärtig amtierender Regierungen heben. Wenn es gar gelingt, die Auswirkungen der Pandemie auf die Bevölkerung zu begrenzen, haben die Apokalyptiker schlechte Karten. Haben sie doch selbst demonstriert, dass man ihnen ein Krisenmanagement niemals anvertrauen darf. Aber das wollen ja nicht einmal ihre Wähler.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Michael Bartsch
Inlandskorrespondent
Seit 2001 Korrespondent in Dresden für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Geboren 1953 in Meiningen, Schulzeit in Erfurt, Studium Informationstechnik in Dresden. 1990 über die DDR-Bürgerbewegung Wechsel in den Journalismus, ab 1993 Freiberufler. Tätig für zahlreiche Printmedien und den Hörfunk, Moderationen, Broschüren, Bücher (Belletristik, Lyrik, politisches Buch „System Biedenkopf“). Im Nebenberuf Musiker.
Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • „Seit Corona stehen sie nicht mehr im Zentrum der Aufmerksamkeit.“



    Die Leute haben eben jetzt erst mal andere Sorgen als Höcke & Co. – vernünftig. Und, btw: dasselbe gilt ja u.a. auch für die Grünen oder FFF ...

  • Das Problem ist, das diese "Krise" ja nicht nur radikale Parteien wie die AFD bloß stellt.

    Man kann plötzlich handeln. Das was im Lichte des Klimawandels - dessen Auswirkungen weitaus drastischer bereits sind, und mit jedem Jahr wo man unter den notwendigen Reduktionszielen bleibt noch viel viel schlimmer werden wird - selbst in den besten Szenarien. Wo nicht nur ein paar tausend Menschen sterben werden - das was laut Politik unmöglich geht,... Wirtschaft, Arbeitsplätze, Ökonomische Interessen... mit Corona geht es und ganz schnell!

    Und was tut die Politik? hat sie das ganze im Blick? Nein? Wägt man die Interessen ab? Nein! Man kapriziert sich auf den "Einzelfall" des Kranken. Ja es werden Menschen sterben. Aber global gesehen wird die Bevölkerung auch mit Corona weiter wachsen. Es gab und es wird schlimmere gesundheitliche Katastrophen kommen. Aber seien wir ehrlich: Jegliches handeln der Politik heute ist genau wie immer: kurzfristig gedacht, das Fähnchen im Wind der Meinung des potentiellen Wählers, der Blick strikt auf die nächsten Wahlen gerichtet. Wenn das mal nicht nach hinten los geht.

    • 9G
      90946 (Profil gelöscht)
      @danny schneider:

      Man kann plötzlich handeln, und wie! Was nicht für möglich gehalten wurde, geschieht von heute auf morgen UND wird von der Mehrheit trotz persönlicher Nachteile und Einschränkungen befolgt und mitgetragen.



      DAS ist der große Unterschied. Umstellung der Lebensweise/Verzicht zugunsten besserer Überlebenschancen, etwas anderes fordern FFF etc. auch nicht.



      Werden die Klimakrisenfolgen unterschätzt, verdrängt, sind sie zu weit weg, zu unpersönlich?

    • @danny schneider:

      " ... das Fähnchen im Wind der Meinung des potentiellen Wählers, der Blick strikt auf die nächsten Wahlen gerichtet."

      Das nennt sich Demokratie.

      Bevorzugen Sie eher autoritär orientierte Regierungsformen?

      • @rero:

        Nachtrag:

        DAS nennt sich nicht Demokratie sondern am Sessel kleben.

      • @rero:

        Blöde Frage, ich habe zumindest in der Schule aufgepasst.

        Der Sinn einer repräsentativen Demokratie ist ja genau das, so wird ja immer argumentiert, das die Herde ja auch mal geschlossen in die falsche Richtung laufen kann. Und der clevere Hirte mit Über und Weitsicht kann dann umsteuern.

        Wenn der Hirte nur das macht was die Herde will, ist er überflüssig!

        • @danny schneider:

          Danke für die Erklärung.

          Ja, sie mögen eher autoritär-elitäre Regierungsformen.

          In einer demokratischen Herde gibt es keinen Hirten, nur ein Leitschaf, das sich die Herde aussucht.

          Und wenn das Leitschaf meint, die Herde geht falsch, kommuniziert es das.

          Wenn es gut kommuniziert und die Herde vertraut, geht sie hinterher.

          Vielleicht ist das der entscheidende Unterschied zwischen uns: Ich mag Schafe, Sie mögen Hirten.

  • Die AfD und ihre Wähler sind da tief gespalten. Eigentlich müssten sie ja hart rechts dafür plädieren, das Virus einfach durchlaufen zu lassen, den Volkskörper damit von schwachen und alten Elementen zu reinigen und Deutschland wieder jung und stark werden zu lassen. Andererseits sind viele von ihnen die exakte Zielgruppe des Virus und die von ihnen so verhassten jungen gesunden Ausländer überhaupt nicht! Und dann ist das noch ein internationales, nein, globales Problem!

    Da kann eine solche Partei nur noch krampfen.

    • @Mustardman:

      Vor drei Jahren bin ich mal an einem Montag als neugieriger Tourist bei Pegida mitgelaufen, um mir die Gruppe live anzuschauen.

      LAUTER ALTE MÄNNER. Wenig Frauen, keine jungen Leute. Wirklich: LAUTER ALTE MÄNNER. Genau die Opfergruppe für Covid-19.

      (Ich selber gehöre allerdings auch dazu und bin im Altemännerhaufen nicht aufgefallen.)

      Wäre die Corona-Pfeilspitze nicht Gelegenheit zu einer neuen Verschwörungstheorie? Ein böser Designer hat diesen Virus genau auf die Kern-Klientel der Rechtsradikalen hin entwickelt ...

      In der Kommunalwahl in München letzten Sonntag hat die AfD mal gerade 3,9% gewonnen. Prognostiziert waren immerhin 7%. Auch eine Folge der Pandemie?

      "Der AfD geht die Muffe."