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Coronamaßnahmen für Sommer und Herbst„Kein Alarm notwendig“

Gesundheitsminister Lauterbach kündigt strengere Corona-Regeln erst für den Herbst an. Angesichts der Sommerwelle mahnt er zur Vorsicht.

Kein Alarm, aber Vorsicht bitte Foto: Michael Kappeler/dpa

BERLIN taz | Zuweilen wirkte der mahnende Karl Lauterbach nur noch wie eine blasse Erinnerung, genauso wie die gescheiterte allgemeine Impfpflicht. Mit dem Krieg in der Ukraine ist die Aufmerksamkeit für die Pandemie und den SPD-Gesundheitspolitiker abgeflaut.

Außerdem ist das Infektionsgeschehen im Sommer überschaubar, das ist die Erfahrung der letzten beiden Jahre. Was aber in der Vergangenheit dazu führte, dass das Land ab dem Herbst, wenn die Infektionszahlen wieder stiegen, ziemlich planlos und hektisch überlegte, was denn zu tun sei. Dieser Sommer ist anders, die Infektionszahlen steigen bereits jetzt wieder, von einer Sommerwelle ist die Rede. Droht also eine Sommerpanik?

Nein, ist sich Bundesgesundheitsminister Lauterbach sicher. Am Freitag informierte er in Berlin über zwei wichtige Punkte: Den Umgang mit der Sommerwelle und ein Schutzkonzept für den kommenden Herbst. Denn auch wenn die sommerlichen Temperaturen eine gewisse Unbeschwertheit transportieren, die neue Omikron-Subvariante BA.5. verbreitet sich auch bei hohen Temperaturen.

Es sei jetzt „kein Alarm notwendig“, sagte Lauterbach gleich zu Beginn, sichtlich bemüht, keine Panik zu verbreiten. Es sei aber nicht so, „dass wir sorglos und ohne Gegenmaßnahmen dieser Sommerwelle begegnen können“. Man müsse mit einem Anstieg der Fälle rechnen und damit auch wieder mit einer höheren Hospitalisierungsrate.

Bis zu 130 Todesfälle pro Tag

Lauterbach betonte aber: Auch diese Omikronvariante sei harmloser als der Deltatyp, viele Menschen seien geimpft und viele bereits genesen. „Begrüßen“ möchte er diese Sommerwelle dennoch nicht. „Wir haben je nach Tag zwischen 50 und 130 Todesfälle, das ist keine Kleinigkeit“, sagte er. Mit dieser Übersterblichkeit könne man „nicht zufrieden sein.“

Obwohl unter anderem der Deutsche Städtetag schon jetzt mehr gesetzliche Schutzmaßnahmen fordert, kündigte Lauterbach schärfere Maßnahmen erst für den Herbst und Winter an. Es werde eine Verschärfung der Maskenpflicht vorbereitet.

Derzeit kann eine Maskenpflicht nur im Nahverkehr, in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen oder Hotspots verhängt werden – verantwortlich sind die Bundesländer. Lauterbach appellierte aber: Wer sich und andere schützen wolle, solle nun freiwillig Masken in Innenräumen tragen.

Zudem empfiehlt Lauterbach, die vierte Impfung „großzügiger“ zu handhaben. Während die Ständige Impfkommission diese generell erst ab 70 Jahren empfiehlt, appelliert Lauterbach individuelle Lebensumstände stärker zu berücksichtigen und sich mit dem Hausarzt zu besprechen. Auch Jüngere, die viel unterwegs seien oder Kontakt zu vulnerablen Gruppen hätten, sollten ruhig eine vierte Impfung in Betracht ziehen. Das helfe auch, „das persönliche Long-Covid-Risiko“ zu senken.

Sieben-Punkte-Plan für den Herbst

Damit das Land nicht wieder überrascht in eine schwere Herbstwelle stürzt, tüftelt Lauterbach an einem Sieben-Punkte-Plan. Sein Ziel: Es soll besser werden als die Jahre zuvor. Zunächst soll es eine großzügige Impfkampagne mit verschiedenen Impfstoffen geben, um die Impflücke zu schließen. Bis September soll es voraussichtlich auch Impfstoffe geben, die an die neuen Varianten angepasst sind. Klar ist aber: Einen neuen Anlauf für die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht wird es nicht geben. Diese war im April im Bundestag gescheitert.

Die kostenlosen Schnelltests, auch Bürgertests genannt, die zum Ende des Monats auslaufen sollten, sollen auch im Sommer weiter angeboten werden. Daneben lässt der Gesundheitsminister derzeit ein Konzept erarbeiten, mit dem der Einsatz von Medikamenten während einer Corona-Erkrankung verbessert werden soll. Medikamente wie etwa Paxlovid würden zu wenig genutzt, obwohl sie das Risiko schwerer Verläufe deutlich senken könnten.

Auch den Schutz vulnerabler Gruppen will der Gesundheitsminister verbessern. Für Pflegeeinrichtungen sollen künftig mehr Vorgaben gelten. In jeder Einrichtung werde es künftig eine verantwortliche Fachkraft geben, die zuständig sei für die Umsetzung eines Hygienekonzepts und die Schließung der Impflücken.

Besserer Überblick über freie Betten

Zudem soll allgemein die Datenlage verbessert werden, um die Pandemie besser zu steuern: Ab September sollen Daten zu freien Betten in Krankenhäusern tagesaktuell elektronisch an das Robert Koch-Institut (RKI) und die Länder übermittelt werden können. Das RKI soll die Länder zudem in Schulen und Kitas unterstützen: Mit Konzepten zu Tests und Maßnahmen, etwa dem Maskentragen. Schul- und Kitaschließungen sollten unbedingt vermieden werden, so Lauterbach.

Der letzte Punkt wird politisch wohl der spannendste werden: Eine Reform des Infektionsschutzgesetzes, das am 23. September ausläuft. Die Vorstellungen, wie eine gute Pandemiebekämpfung aussieht, liegen in der Ampelregierung weit auseinander. Noch vor der Sommerpause will Lauterbach aber gemeinsam mit Justizminister Marco Buschmann (FDP) Eckpunkte für eine Reform des Infektionsschutzgesetzes vorlegen. Diese könnte dann nach der Sommerpause beschlossen werden. Details dazu wollte er noch nicht verraten.

Insgesamt bemühte Lauterbach sich, Zuversicht auszustrahlen. Seine Prognose: In diesem Herbst werde man nicht zur „Normalität zurückkommen“, aber auch „nicht so eingeschränkt sein“ wie in den letzten Jahren.

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10 Kommentare

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  • Lauterbach sollte lieber mal schauen, dass trotz Impfpflicht im Herbst genug Personal in den Krankenhäusern und Arztpraxen ist. In der letzten Omikron-Welle waren nämlich das dank Isolation ausgefallene Personal und nicht die COVID-Kranken das Problem. Aber Masketragen kostet ja nix … und bringt am Ende wenig, weil niemand, wirklich niemand die durchgängig in Gegenwart anderer Menschen trägt.

  • Das ganze Ausland lacht sich heute schon tot über die Maskenpflicht im ÖPNV in Deutschland und hier redet man über „Verschärfungen“ und und über „Killervarianten“ und geilt sich an Mini Anstiegen der Inzidenz (0 sichtbar auf den Intensivstationen) auf.



    Die einzigen die sich heute noch testen lassen sind Flugreisende weil vor Abflug in manchen Ländern gefordert. Ein riesiges Wunder dass die Inzidenzen ansteigen beim vollsten Flugpfingsten aller Zeiten.

  • RS
    Ria Sauter

    Nach Auslaufen des 9 Eurotickets ist Impfstoff überflüssig. Wir sind alle durch jedenfalls diejenigen die Bus und Bshn nutzen.

  • Maskenball

    Zitat: „Es werde eine Verschärfung der Maskenpflicht vorbereitet.“

    Dazu Prof. Klaus Stöhr, Mitglied des Corona-Sachverständigenausschusses der Bundesregierung: „Wer jetzt nach Masken ruft, der nimmt eigentlich auch den Menschen die Gelegenheit, sich langfristig mit dem Coronavirus zu arrangieren.“ (gestern in der "Berliner Zeitung")

    • @Reinhardt Gutsche:

      Aja, und das "Arrangieren" sieht dann für vulnerablen Menschen wie genau aus? ;-( Wobei die ja nicht als einzige Probleme haben. LongCovid und PostCovid trifft auch jüngere, gesunde Menschen.

  • Impflücke? Welche Impflücke?

    Zitat: „Zunächst soll es eine großzügige Impfkampagne mit verschiedenen Impfstoffen geben, um die Impflücke zu schließen.“

    Aktuell sind 90,9% der über 60-jährigen doppelt geimpft. Die vom RKI eingeräumte Fehlerquote von 5% eingerechnet, sind es in dieser Altersgruppe folglich inzwischen nahezu 96 %. (Quelle: RKI).

    Diese Zahlen führen das ganze Gejammer um die angebliche Impflücke ad absurdum. Nachdem sich herausgestellt hat, daß hohe Impfquoten für das Infektionsgeschehen bei Omicron ohnehin irrelevant sind, geht es also jetzt nur noch darum, das Risiko infektionsbedingter schwerer Krankheitsverläufe und von Todesfällen zu mildern. Da diese Risiken signifikant nur in der Kohorte 60+ bestehen, sind folglich auch ausschließlich deren Impfquoten von Bedeutung. Mit der Impfquote von inzwischen 96% für diese Bevölkerungskohorte wurde die RKI-Zielmarke von 90%, wie sie zur Abwehr der ungleich aggressiveren Delta-Welle ursprünglich anvisiert worden war, bereits deutlich überschritten. Bei 24,1 Mio. Personen in dieser Altersgruppe hätten mithin 950 000 noch nicht den vollständigen Impfschutz erhalten. Davon wären diejenigen abzuziehen, die aus unterschiedlichen Kontraindikationen nicht geimpft werden können sowie diejenigen, die nach überstandener Infektion eine natürlich generierte Immunität besitzen. Wie hoch der Anteil dieser beiden Untergruppen ist, war nicht zu ermitteln, dürfte aber nicht unerheblich sein. Der verblieben Rest dürfte eine quantité négligeable darstellen, die den Kohl nun auch nicht mehr fett macht.

    Was soll nun also angesichts dieser Zahlen das ganze Theater um Impflücke und Impfpflicht?

    • @Reinhardt Gutsche:

      Ich schätze, es geht wohl nicht nur um die Zweifachimpfung sondern auch um erste und zweite Auffrischimpfung. Bei letzteren sind die Impfquoten auch bei Älteren niedriger. Wobei beide Auffrischimpfungen ja von der STIKO für die Altersgruppe 60+ empfohlen werden.



      Erste Auffrischimpfung 60+: 80,2 %



      Zweite Auffrischimfung 60+: 19 %



      de.statista.com/st...nach-altersgruppe/

  • 9G
    93851 (Profil gelöscht)

    "Obwohl unter anderem der Deutsche Städtetag schon jetzt mehr gesetzliche Schutzmaßnahmen fordert, kündigte Lauterbach schärfere Maßnahmen erst für den Herbst und Winter an."

    Wie gehabt: alle sehen was auf uns zu rollt, doch die Bundesregierung, allen voran der Herr "Krankheitsminister" schläft mal wieder! Lauterbach sollte abtreten, der enttäuscht die in ihn gesetzten Erwartungen um ein Vielfaches. Angesichts steigender sich geschwind verdoppelnder Inzidenzwerten ist "Warten auf Godot", sprich bis Herbst oder sogar Winter eine, man muss daher sagen, geplante Versagenspolitik par excellence!

    Wer Maskenpflicht einfach abschafft und daher auch suggeriert, es gäbe kein Corona mehr bzw. gleichsam damit für Abschaffung der Distanzeinhaltung sorgt ( meine Erfahrung), handelt m.E. nur noch fahrlässig...



    ...und das aufkosten der Allgemeinheit und der deutschen Steuerzahler.

    "Die Frechheit liegt im System".

    Noch Fragen?

    • @93851 (Profil gelöscht):

      Dem würde ich so beipflichten. Hinzukommt, dass außer den paar Gratismaskenausgaben letztes Jahr nichts für die Ärmeren getan worden ist. Wenn ich als ältere*r Arme*r mich also schützen wollte, habe ich aufgrund Geldmangel Probleme das auch umzusetzen. Und die Situation der Ärmeren hat sich jüngst ja durch gestiegene Nahrungsmittelpreise aufgrund Krieg und Spekulation noch verschärft.

    • @93851 (Profil gelöscht):

      Ja, eine Frage:

      Leben Sie noch im Jahr 2020?

      Wir haben wirksame Impfstoffe. Über die Hälfte der Bevölkerung ist mittlerweile auch bereits nachdurchseucht, entsprechend viele der Ungeimpften sind nicht mehr ungeschützt, sondern mittlerweile auch genesen. Die deutlich ungefährlichere Omikronvariante bestimmt das Infektionsgeschehen.

      So lange keine komplett neue und deutlich gefährlichere Variante mehr auftaucht, befinden wir uns nicht mehr in einer Pandemie.

      Um nun aber wieder komplett zur alten Normalität zurückzufinden, ist es eminent wichtig, dass im Sommer keine Masken getragen werden, da wir sonst alle Rückanpassungen (Wiederherstellung des Gleichgewichts anderer Infektionskrankheiten) auf den Winter verschieben würden, was dann wiederum zu eigentlich vermeidbaren Problemen führt.

      Kein verantwortungsvoll agierender Politiker wird sich das auf die Fahne schreiben wollen.