Coronainfektionen in Berlin: Auf dem Party-Auge blind

Mehrere Berliner Bezirke wurden als Coronarisikogebiete eingestuft. Die Hauptstadt wird um Einschränkungen des Partylebens kaum herumkommen.

Polizeiwagen steht neben Brücke in Berlin-Mitte

Schluss mit Party: Die Polizei beendete öffentliches Feiern am Berliner Monbijoupark Foto: dpa

Spätestens seitdem die zweite Coronawelle durch Deutschland rollt, hat sich Berlin zu einem Hotspot des Infektionsgeschehens entwickelt. Auf dem 7-Tages-Index des Robert-Koch-Instituts sind gleich fünf Bezirke der Hauptstadt unter den Top Ten gelistet. Es ist damit nur folgerichtig, wenn Bundesländer wie Schleswig-Holstein Reisende aus den Berliner Bezirken Mitte, Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg zur Quarantäne oder einem negativen Coronatest verdonnern.

Genauso ist es nur eine Frage der Zeit, wann weitere Bezirke zu Riskogebieten erklärt werden. Nach Angaben des Berliner Senats haben mit Charlottenburg-Wilmersdorf (53,1) und Tempelhof-Schöneberg (51,3) zwei weitere Bezirke die Grenze von 50 Fällen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen überschritten. In Berlin selbst liegt die Siebentagesinzidenz bei 37,8 Fällen.

Es sind vor allem junge Leute, die das Infektionsgeschehen vorantreiben. Auch am Wochenende wurden wieder Feiern in Mitte aufgelöst. Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci hat auf die Einstufung als Risikogebiete mit dem Hinweis reagiert, bezirkliche Einschränkungen seien in einer Großstadt wie Berlin nicht praktikabel. Das ist sicher richtig, doch der Ruf nach weiteren Maßnahmen wird nicht leiser. Zumal es die Stimmung in der Stadt nicht gerade befördert, wenn ein Rentnerpaar aus Moabit auf den Urlaub auf Sylt verzichten muss, weil an der Spree ausgelassene Partys veranstaltet werden.

Wird es also auch in Berlin bald Einschränkungen etwa beim Alkoholverkauf geben wie in München? Bislang haben Grüne und Linke, zu deren Wählerinnen und Wählern die jungen Feiernden gehören, dies erfolgreich verhindert. Inzwischen aber spricht auch Mittes grüner Bürgermeister von einer „wirklich ernsten Lage“.

Steigen die Infektionen weiter an, könnten nicht nur weitere Länder Berliner Bezirke und womöglich die ganze Stadt zum Risikogebiet erklären. Auch in Berlin selbst drohen dann bayerische Verhältnisse. Überraschend kämen sie nicht. Vielleicht braucht es ja den Druck von außen, damit der Senat aufhört, auf dem Party-Auge blind zu sein.

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Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.

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