Compact-Sommerfest in Gera: Feier-Exil in Thüringen
Nachdem das Sommerfest des verbotenen Magazins untersagt wurde, hat ein Neonazi dessen Gäste eingeladen. Nun gibt es Kritik am Oberbürgermeister.
Klar hatte Unterstützer:innen des verbotenen rechtsextremistischen Magazins nach Thüringen eingeladen, nachdem deren ursprüngliche Veranstaltung in Sachsen-Anhalt untersagt worden war. Laut Polizei kamen bis zu 320 Personen auf den Hofwiesenparkplatz nach Gera. Unter ihnen waren auch der frühere Compact-Chef Jürgen Elsässer, der frühere AfD-Landeschef André Poggenburg, Martin Sellner, Kopf der Identitären Bewegung, sowie Michael Brück von den „Freien Sachsen“.
Bis zu 75 Personen demonstrierten gegen Klars Veranstaltung. Zum Gegenprotest hatte das Aktionsbündnis „Gera gegen Rechts“ aufgerufen. Online kritisiere das Bündnis schon vorab, dass Klars Versammlung überhaupt stattfinden konnte. Immerhin sei offensichtlich, dass es sich um eine Ersatzveranstaltung des Compact-Sommerfests handle. Unter dem neuen Oberbürgermeister Kurt Dannenberg (CDU) sei wohl alles möglich.
Seit dem 16. Juli ist öffentlich, dass das Bundesministerium ein Verbot gegen das extrem rechte Magazin Compact verhängt hat. Danach untersagten die Behörden auch das Sommerfest des Magazins in Sachsen-Anhalt. Es war auf dem Rittergut des früheren AfD-Landesvorsitzenden Poggenburg im Burgenlandkreis geplant.
Aus Protest kein Protest mehr
Unter dem Titel „Sommerfest der Pressefreiheit“ kündigte Compact zunächst einen Ersatz am gleichen Ort an. Doch auch diese Veranstaltung verbot die zuständige Polizeiinspektion. Danach meldete sich Christian Klar via Social Media: „Ich habe alle enttäuschten Gäste und Redner mal spontan nach Gera eingeladen.“
Für die Veranstaltung von Klar gab es vorab Kooperationsgespräche mit der Ordnungsbehörde, wie Oberbürgermeister Dannenberg der taz bestätigte. Dabei habe Klar sich angeblich vom Compact-Magazin distanziert und versichert, kein Sommerfest durchführen zu wollen. Unter dem Motto „Wir für Frieden und Freiheit“ plane er lediglich, gegen den Wahlauftakt der MLPD zu demonstrieren, für den sich an diesem Samstag bis zu 450 Menschen in Gera versammelten. Weil sich der 44-jährige Neonazi bislang an Absprachen gehalten habe, verzichtete die Ordnungsbehörde nachdem Kooperationsgespräch auf Auflagen.
Seit Jahren meldet Klar Demonstrationen in Gera an. Zuletzt organisierte er eine Protestveranstaltung gegen eine geplante Asylunterkunft. Dort hing die Reichsflagge und lief Musik, die das Pogrom von Rostock-Lichtenhagen verherrlicht. Jahre zuvor war Klar beim Pegida-Ableger Thügida und lief als Jugendlicher schon beim Thüringer Heimatschutz mit, der Brutstätte des NSU-Komplexes.
Anfang Juli verurteilte das Landgericht Gera Klar zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, aber demnach müsste er wegen Hehlerei, mehrfachen Diebstahls sowie Fahrens ohne Fahrerlaubnis für ein Jahr und elf Monate ins Gefängnis.
Für Daniel Reinhardt, Landtagsabgeordneter der Linken in Thüringen, ist skandalös, dass Klar einen Vertrauensvorschuss von der Ordnungsbehörde bekommen habe. Zwar sei eine politische Versammlung nicht so leicht zu verbieten wie das öffentliche Sommerfest eines verbotenen Vereins. Aber, so Reinhardt: Es sei offensichtlich gewesen, dass es sich um eine Ersatzveranstaltung handelt.
Reinhardt, der 2019 in Gera das Direktmandat für den Landtag gewann, kann nicht nachvollziehen, weshalb Klar einen Vertrauensvorschuss bekomme. „In anderen Kommunen gibt es Auflagen für rechte Veranstaltungen.“ Warum gibt es dann keine in Gera? „Ich habe den Eindruck, der Behördenleiter ist auf dem rechten Auge blind“, sagt Reinhardt.
Als die Veranstaltung am Samstag anlief, änderte die Ordnungsbehörde allerdings ihre Meinung und beauflagte: keine Verpflegungsstände auf der Versammlung. Ansonsten entstehe der Eindruck, es handle sich um ein Sommerfest. Filmaufnahmen des MDR zeigen Polizist:innen vor einem geschlossenen Softeis-Stand.
Aus Behördenkreisen heißt es, Klar sei über diese Auflage sehr aufgebracht gewesen. Im Laufe der Veranstaltung am Samstag nahm er kein Blatt vor den Mund und solidarisierte sich unmissverständlich mit dem Compact-Magazin. Dass er damit gegen vorherige Absprachen verstoßen habe, werde zukünftig Konsequenzen haben, kündigte Oberbürgermeister Kurt Dannenberg an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag