Chinesischer Konzern im Hamburger Hafen: Scheinheilige Empörung
Der umstrittene Containerterminal-Deal ist nur ein Symbol. Dahinter steckt eine viel größere Abhängigkeit von China – über die muss geredet werden.
B ei Spaziergängen am Hamburger Elbufer kann man sehr schön die wirtschaftliche Abhängigkeit Deutschlands von China erkennen. Ungefähr jedes zweite einlaufende große Schiff kommt mittlerweile aus China. In den Containern lagern Flachbildfernseher, Fahrräder, Kleidung, Mikrochips, Solarzellen und vieles mehr. Die Volksrepublik ist das wichtigste Importland für Deutschland und das zweitwichtigste Exportland.
Die Kritik, dass sich die chinesische Staatsreederei Cosco jetzt in ein Hamburger Containerterminal einkauft, ist vor diesem Hintergrund reichlich scheinheilig. Die Abhängigkeit von China macht sich nicht an diesem Deal fest – sondern daran, dass China im Handel mit Deutschland immer wichtiger geworden ist: Wir KonsumentInnen haben die billige Energie aus Russland gern genommen und nehmen gern die günstigen Waren aus China.
Scheinheilig ist auch, dass die öffentliche Empörung erst dann an Fahrt aufnahm, als bekannt wurde, dass sich mehrere Bundesministerien gegen den Kauf aussprachen. Offensichtlich braucht es das Fahrwasser von Robert Habeck und Annalena Baerbock, um sich über längst bekannte Kaufabsichten empören zu können.
Man hätte es auch bereits nach der Zeitenwende vom 24. Februar tun können, wenn es tatsächlich um die Grundfragen geht: Wie viel Abhängigkeit zu einer autokratischen Großmacht wollen wir? Sind gute Beziehungen zu China, Arbeitsplätze, die Gewinne von Hamburger Logistikunternehmen und unser Konsum wichtiger als eine mögliche Erpressbarkeit, wenn es im Fall Taiwan hart auf hart kommt?
Das Beispiel Solarzellen zeigt, was in der Vergangenheit schiefgelaufen ist. Diverse Bundesregierungen hatten die deutsche Solarindustrie vor die Wand fahren lassen, weil das marktradikale Prinzip galt: Solartechnik aus China ist billiger, also ist die hiesige Branche raus. Das bedeutete aber gleichzeitig, dass man die Energiewende von einem Handelspartner abhängig machte, der deutliche politische Absichten hat.
Kehrseite der Globalisierung
Es braucht eine offene, ehrliche Debatte darüber, wie wir es mit China und Handelspolitik überhaupt halten. Globalisierung heißt bislang eben auch, dass die Großen immer größer und kleine Länder vernachlässigt werden – weil es bequem und profitabel ist. Angeblich feilt die Bundesregierung an einer „China-Strategie“, von der aber bislang offiziell nichts bekannt ist.
Von der Ampel sind viele Absichtsbekundungen zu hören; man wolle Abhängigkeiten reduzieren. Die Handelszahlen mit China sprechen aber eine andere Sprache – das zeigt, dass es ungleich schwieriger ist, Farbe zu bekennen, als sich öffentlichkeitswirksam über aufgeblasene Symbolthemen wie ein Containerterminal zu empören.
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