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Chinas Druck auf Joshua WongBerlin ist nicht Hongkong

Lin Hierse
Kommentar von Lin Hierse

Der Aktivist Joshua Wong vergleicht Hongkong mit dem Berlin des Kalten Kriegs. Recht hat er damit nicht. Diesmal sind die Kräfte noch ungleicher verteilt.

Die Sache von Joshua Wong ist auch unsere Sache Foto: reuters

J oshua Wong kommt nach Berlin, um Unterstützung und Aufmerksamkeit für seine Sache zu erbitten. Wongs Sache ist nicht nur seine, sondern auch die von Millionen weiteren Hongkonger:innen. Es geht um den Kampf für Demokratie mit Chinas Führung in Peking, die immer mehr Druck auf die Sonderverwaltungszone ausübt. Journalist:innen, Politiker:innen – alle blicken auf den 22-jährigen Wong, der wie ein Lobbyist in maßgeschneidertem Anzug von Pressetermin zu Pressetermin tourt. Und Wong hat einen klugen Vergleich dabei: Hongkong sei das neue Berlin, Austragungsort des Kampfes zwischen Demokratie und Diktatur.

Auch China schaut auf Wong. Die chinesische Regierung beobachtet genau, wer sich hier mit wem trifft. Und sie stellt auch klar, was sie von der freundlichen Aufmerksamkeit für Wong hält. Am Dienstag hatte sich Außenminister Heiko Maas bei einer Feier der Bild-Zeitung mit ihm unterhalten. Die chinesische Regierung nannte das einen „Akt der Respektlosigkeit“ und warnte Deutschland davor, sich in chinesische Belange einzumischen.

Dieses Prinzip ist seit Jahrzehnten das gleiche, ob Tibet, Xinjiang oder nun Hongkong. Es lautet: „Mischt euch nicht in unsere inneren Angelegenheiten ein.“ Und Deutschland hält sich an diese Vorgabe, weil die ökonomische Abhängigkeit von China viel zu groß ist. Da scheint es genug, wenn die Kanzlerin beim China-Besuch kurz die „Lage der Menschenrechte“ oder die „Situation in Hongkong“ anspricht. Höfliche Kritik, stets folgenlos. Wer die Spiel­regeln bestimmt, ist klar. China weiß um seine Macht und um die Schwäche Europas.

Anders als Wong es beschreibt, ist Hongkong nämlich nicht das Berlin des Kalten Kriegs. Diesmal sind die Kräfte noch ungleicher verteilt. Und obwohl Sympathien für die Demokratiebewegung in Deutschland zu wachsen scheinen, wird die Bundesregierung sich für das Geld entscheiden und nicht für die Revolte. Denn diese Sache von Joshua Wong und den Hongkonger:innen – sie ist eben auch unsere Sache. Aber leider spielt Deutschland zuerst um den eigenen Sieg.

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Lin Hierse
taz-Redakteurin
Lin Hierse ist Redakteurin der wochentaz und Schriftstellerin. Nach ihrem Debüt "Wovon wir träumen" (2022) erschien im August ihr zweiter Roman "Das Verschwinden der Welt" im Piper Verlag. Foto: Amelie Kahn-Ackermann
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23 Kommentare

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  • Ordensverleihung in China

    »Große Halle des Volkes: Xi verleiht Orden und Medaillen an in- und ausländische Persönlichkeiten«

    Quelle: Beijing Rundschau, 29.09.2019



    Vgl. german.beijingrevi...929_800180161.html

    Video: Feierliche Ordensverleihung in Beijing



    german.beijingrevi...929_800180077.html

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Wieso sollte es dem tapferen Herrn Wong besser ergehen als vielen hier lebenden Ur-Einwohnern.

    Hongkong 2019 ist in der Tat nicht das Berlin des Kalten Krieges. Und was von der Demokratiefähigkeit deutscher Demokraten zu halten ist, zeigt ein kurzer Blick in jedes deutsche Geschichtsbuch (das nicht 1870 endet).

  • Am wichtigsten ist deutschen Politikern im Zweifel immer die Freiheit der Deutschen - bzw. was die dafür halten.

    Wie gerade linke Politiker nicht müde werden zu betonen, hat "Freiheit" für viele unserer Mitbürger auch immer eine ökonomische Komponente, nämlich die Handlungsfreiheit, die ein ordentliches, gesichertes Auskommen gibt. Man kann ewig darüber streiten, ob "Freiheit" im staatsrechtlichen Sinne dafür wirklich der richtige Begriff ist, aber realpolitisch kommt man an dieser Empfindung nicht vorbei.

    Insofern fühlt es sich sicher gut an, die Fackel der Freiheit nicht nur zuhause nach Möglichkeit scheinen zu lassen, sondern sie auch in die Welt hinauszutragen. Aber am Ende darf dieses idealistische Engagement dem deutschen Wähler nicht materiell zu schwer im Magen liegen.

    Insofern ist da für die deutsche Politik eine Abwägung angezeigt, die auch den Kosten-Nutzen-Faktor einbezieht. Und in dieser Hinsicht darf man sich nicht von dem diplomatischen Tam-Tam täuschen lassen: Am Ende ist der chinesischen Parteiführung egal, ob Deutschland stillhält, aufgeregt an der Seitenlinie herumhüpft oder gar Sanktionen verhängt - sie wird ihren Klammergriff um Honkong nicht lockern und erwartet auch von Deutschland, dass es das kapiert. Deshalb hat man in Peking auch wenig Verständnis für die - aus dortiger Sicht - rein symbolische Aufmüpfigkeit eines Heiko Maas, die nichts bringt und nur beide Seiten Gesicht kostet.

    Das soll nicht heißen, dass Deutschland immer kuschen sollte. Steter Tropfen hölt den Stein. Aber die Eskalation, die der Artikel fordert, z. B. einen Handelskrieg mit China um die Freiheit der Bürger von Hongkong, könnten wir nicht gewinnen. Und was Kriege betrifft, die man nicht gewinnen kann, kommt der beste Ratschlag auch weiterhin - woher wohl? - aus China: Gar nicht erst führen.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Normalo:

      Wohl wahr, wohl wahr.

      Zum Einen, was den Stellenwert der Symbolik auf dem Markt der darstellenden Politik angeht.

      Zum Anderen die fernöstlichen Weisheiten.

      Doch: in jeder Wahrheit steckt ein Gegenteil, das genauso wahr ist. (Frei nach Hermann Hesse, kein Chinese)

  • Tja, der Artikel trifft den Nagel auf den Kopf: Menschenrechte/Freiheit/Demokratie/"westliche Werte" oder Wirtschaftsinteressen, was ist uns wohl wichtiger?

    Hoffentlich übersteht es Wong unbeschadet.

  • Es ist ja so bequem

    wenn die Menschen in Honkong für Demokratie auf die Straße gehen, dann sind wir fein raus. Wir haben immerhin geringe Chancen unsere Meinung zu vertreten, und alle 4 Jahre dürfen wir unter im wesentlichen gleichen Parteien wählen.

    Was aber, wenn es um ganz handfeste Probleme mit prekären Jobs oder fehlenden Wohnungen geht? Dann haben wir ein Problem, weil die gibt es hier in D auch zur Genüge. Deshalb wid auch lieber von einem Kampf um Demokratie geredet.

    Der Mann im Maßanzug ist ja fein raus, aber das sind halt nicht die Tausende, die demonstrieren. Hat er bei all dem Demokratiebewusstsein denn eine Wahl als Vertreter der Unzufriedenen gewonnen, oder wie ist er legitimiert seine Interprätation der Unruhen als richtig darzustellen?

    • @Martin_25:

      Man kann keine Wahlen gewinnen, wenn man vom chinesischen Machtapparat nicht einmal als Kandidat/Partei zugelassen wird..



      Die Legitimation verschafft sich dadurch, dass bei diesen Protesten teilweise Millionen von Menschen auf die Straße gehen.

  • "Der Vertrag von Nanking (chinesisch 南京條約 / 南京条约, Pinyin Nánjīng Tiáoyuē) beendete den Ersten Opiumkrieg zwischen Großbritannien und Qing-China im August 1842.... Der Vertrag regelte die Annexion von Hong Kong,"(wiki)

    Der Westen mischt sich weiter mit der Begründung moralisch überlegener Werte ein.

  • Mal abgesehen davon, dass hinsichtlich der Polizeigewalt mal wieder mit zweierlei Maß gemessen wird. Was in Frankreich und manchmal auch in Deutschland an Übergriffen passiert ist natürlich demokratisch legitimiert...



    Andersherum ist gewlttätiger Protest in Hongkong demokratisch legitimiert....

    Und noch etwas zu J. Wong:



    www.nachdenkseiten.de/?p=54741

  • "Dieses Prinzip ist seit Jahrzehnten das gleiche, ob Tibet, Xinjiang oder nun Hongkong. Es lautet: „Mischt euch nicht in unsere inneren Angelegenheiten ein.“"

    Naja, wenn man das Prinzip hier einmal logisch zuende verfolgen würde, dann müsste auch für China gelten, dass sie sich nicht in Hongkongs innere Angelegenheiten einmischen sollen. Tun sie aber ja ganz offensichtlich. Von daher darf und muss man so eine Argumentation dann auch als Quark zurückweisen.

    • @Snip Snap:

      >dann müsste auch für China gelten, dass sie sich nicht in Hongkongs innere Angelegenheiten einmischen sollen.

      Hongkong ist aber nun mal ein Teil von Rotchina. Und das es so kommen würde hat auch jeder seit der Rückgabe geahnt.

      -----------------------------------------------------------

      Ich glaube auch nicht dass sich ein Besuch in Deutschland lohnt denn die Wirtschaft und auch der Wohlstand der Menschen hier ist zu sehr von China abhängig.

      Das einzige was hier helfen würde wäre eine generelle Blockade des Westens und die ist sehr sehr unwahrscheinlich.

      • @Klappstuhl:

        "Hongkong ist aber nun mal ein Teil von Rotchina."

        Dass Hongkong Teil von China ist, wird denn von wem genau bestimmt? Wenn China jetzt gewaltsam in Taiwan oder sonstwo einmarschiert und okkupiert, zieht das Argument dann auch noch, dass China da machen darf, was sie wollen, weil Taiwan dann ja Teil von China ist? Ganz offensichtlich nicht. Aber wo wäre denn da der Unterschied wenn wir einmal annehmen, dass eine breite Mehrheit Hongkongs für die eigene Unabhängigkeit wäre (jetzt mal unabhängig davon, ob das der Fall ist)? Es gäbe schlicht keinen wirklichen.



        Wenn Sie also sagen Hongkong ist ja Teil von China, dann akzeptieren sie damit implizit auch das Argument, dass es okay ist, dass der Stärkere (Staat) die Schwächeren herumschubsen und ihnen seine Interpretation aufdrücken darf. Niemand sollte irgendjemanden in Souveränitätsfragen hereinreden dürfen, außer der Gruppe um die es gerade geht selber. Alles andere führt zwangsläufig in Argumentationsmister, die Autoritarismus legitimieren.

        • @Snip Snap:

          >Dass Hongkong Teil von China ist, wird denn von wem genau bestimmt?

          Seitdem 1997 GB die Staatshoheit an China abgegeben hat. Im übrigen war es schon immer China da es offiziell nur für 99Jahre verpachtet war.

          Taiwan ist etwas völlig anderes da die Taiwanesen es von vornherein ablehen das China irgendweche Authorität über sie hat.

          • @Klappstuhl:

            Schön, die Taiwaner haben es von vornerein abgelehnt und die HongKonger lehnen es vielleicht nur seit kürzerem ab, wo ist da der Unterschied?



            Wenn ein größerer Teil einem kleinen Teil vorschreiben möchte, wo sie hinzugehören, obwohl der kleine Teil das (in der Form) nicht will, dann ist das Okkupation, völlig unabhängig davon ob das innerhalb formal anerkannter Staatsgrenzen passiert oder nicht.

            • @Snip Snap:

              Das ist doch aber bei uns nicht anders hier in TH will zB die Stadt Sonneberg zu BY und das wird auch von einem Großteil der Bevölkerung getragen. Rechtlich ist das aber nicht möglich.

              Oder schauen sie sich die ganzen Unabhängigkeitsbewegungen in Europa an. Was da ein Großteil der Bevölkerung will juckt keinen und es wird immer auf ein Gesetz oder Verfassung geschoben warum dies nicht möglich ist.

  • Wenn auch der Vergleich mit dem geteilten Berlin des kalten Krieges verfehlt ist, so liegt doch die Perspektive, bzw. der Sinn dieses Vergleichs in der Wiedervereinigung. Honkong, die chinesische Stadt die bisher unter britischen Mandat stand, kann sich jetzt also mit der Volksrepublik wieder vereinigen, eigentlich ein freudiges Ereignis, sollte man annehmen. Wobei ein Bild zu zeichnen, wie die bisher kolonialisierten- sich mit den durch die Revolution befreiten Chinesen wieder vereinigen, wäre bestenfalls eine Karikatur, gezeichnet vom Weihnachtsmann.



    Dennoch halte ich eine "Signapurisierung" Hongkongs in keiner Weise für erstrebenswert. So berechtigt mir die Proteste gegen das Auslieferungsgesetz erscheinen, separatistischen Bestrebungen sollten von allen Seiten eine Absage erteilt werden. Ihr sagt, die Rücknahme dieses Gesetzes ist keinesfalls ausreichend, mir ist die einfache Einforderung einer Demokratie nach westlichen Muster keinesfalls ausreichend. Besonders in der letzten Zeit bekommt das demokratische Systems des Westens immer mehr Risse, verliert zunehmend an Glaubwürdigkeit und wird nahezu widerstandslos Populisten und Nazis in die Hände gespielt. Martialischer und brutaler als z. B. während des G 20 Gipfels in (dem sozialdemokratisch regierten) Hamburg kann auch in keiner Diktatur der Polizeistaat aufmaschieren und grundlos Demonstrationen angreifen.



    Ich habe kein Verständnis dafür, dass mit Amerikaflaggen vor die amerikanische Botschaft gezogen wird, um das unter der Trump Regierung stehende Amerika um Hilfe für einen demokratischen Aufbau zu bitten. Das wirkt angesichts des Handelskrieges den Trump China aufzwingt, nicht nur besonders provokativ, sondern wie Verrat. Sicherlich ist es überzogen, wenn in Berlin der chinesische Botschafter einbestellt wird, nur weil Joshua Wang ein Gespräch mit dem deutschen Außenminister führt, aber wenn Neoliberalismusgegner nach Peking reisen würden, um dort öffentlich um logistische Hilfe bitten würden ...

    • @Eckart Schirrmacher:

      Anderen Menschen die Privilegien absprechen zu wollen die man selber genießt geht immer am besten in dem man so tut als hätte man keine.

    • @Eckart Schirrmacher:

      Dennoch halte ich eine "Signapurisierung" Hongkongs in keiner Weise für erstrebenswert. So berechtigt mir die Proteste gegen das Auslieferungsgesetz erscheinen, separatistischen Bestrebungen sollten von allen Seiten eine Absage erteilt werden"

      Was Sie für erstrebenswert oder nicht halten kann und sollte die Leute in Hongkong allerdings herzlich wenig interessieren. Was mit ihrer Stadt passiert sollten sie und nur sie selber entscheiden. Den Leuten möglichst vollumfängliche Selbstbestimmung abzuraten nur weil Ihnen persönlich die daraus resultierende Gesellschaft nicht zu 100% gefällt ist einfach nur grunddaneben.

      • @Snip Snap:

        We ist denn dann als nächstes dran. Entscheiden die Hamburger demnächst auch über Bundesgesetze am Hamburger Senat vorbei? Was ist mit den Münchenern, wenn die mit der Bayrischen Landesregierung nicht übereinstimmen?

        Als Kronkolonie hatten die Menschen in Honkong einen GB Gouverneur, und nichts zu sagen. Da hat sich jetzt nicht viel verbessert, allerdings auch nicht viel verschlechtert. Ich begreife auch nicht, wieso es die Massen bewegen sollte, ob jetzt Mörder an China ausgeliefert werden dürfen. Darf man einfach so die Rechtssprechung in anderen Ländern runtermachen?

        • @Martin_25:

          Wenn die Hamburger oder Bayern irgendwann entscheiden, dass sie sich von der Bundesregierung nichts mehr sagen lassen und ihren eigenen Staat machen wollen, dann sollte und muss man das gewähren lassen. Wenn die Bundespolizei dann mit Knüppeln einreiten würde, wäre das genauso falsch wie das, was China gerade macht.

          "Ich begreife auch nicht, wieso es die Massen bewegen sollte, ob jetzt Mörder an China ausgeliefert werden dürfen. "

          Das ist jetzt nur noch ein schlechter Witz, den Sie hier veranstalten. Das Gesetz gibt der Volksrepublik die Möglichkeit unliebsame Hongkonger ans Festland ausliefern zu lassen um sie dort die volle Härte des chinesischen Kontrollstaates spüren zu lassen. So wie es derzeit in vereinzelten Fällen per Verschleppung FAKTISCH schon passiert.

  • Es ist klüger, diese "Revolte" nicht zu unterstützen:



    www.neues-deutschl...-konzernbosse.html

  • Hongkong als Leuchtfeuer zu erhalten ist wünschenswert, schade nur um all die anderen Menschen im restigen China, für der Drops längst gelutscht ist.

    Habe in letzer Zeit häufiger gelesen, die "Festland-Chinesen" ständen hinter der Regierung und gegen die Proteste in Hongkong.



    Andere Stimmen wagen sich dort allerdings kaum noch zu erheben...

  • 9G
    97627 (Profil gelöscht)

    Nicht nur in Sachen China sondern egal in welchem Kontext.