Chemikalie Bisphenol A: Die Gefahr aus der Tomatendose
Europas Bevölkerung ist zu stark mit Bisphenol A belastet. Das zeigt eine Studie der Europäischen Umweltagentur. Dabei ließe sich der Stoff verbieten.
Entsprechend hoch ist die Belastung der Bevölkerung mit dem Krankmacher. Laut der jüngsten Veröffentlichung der Europäischen Umweltagentur (EEA) aus Daten des European Human Biomonitoring Project sind von 2.756 Studienteilnehmer:innen aus elf Ländern je nach Land 71 bis 100 Prozent mit BPA-Mengen oberhalb des Grenzwertes belastet. Die gemeldeten Werte seien Mindestwerte, teilte die Behörde mit.
Das bedeute, dass in allen elf Ländern 100 Prozent der Teilnehmer über den sicheren Grenzwerten lägen. „Wir müssen die Ergebnisse dieser Forschung ernst nehmen und auf EU-Ebene mehr Maßnahmen ergreifen, damit die Europäer und Europäerinnen besser vor Chemikalien geschützt sind, die ein Risiko für ihre Gesundheit darstellen“, kommentierte Leena Ylä-Mononen, Direktorin der Umweltagentur mit Sitz in Kopenhagen, die Ergebnisse.
Der Kampf gegen die Industriechemikalie sei eine „unendliche Geschichte“, sagt Manuel Fernandez, Chemikalienexperte der Umweltorganisation BUND. „Inzwischen hat die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit (Efsa) die zulässigen Grenzwerte schon zweimal extrem abgesenkt, 2015 und im vergangenen Frühjahr“, sagt er, „die EU-Kommission muss endlich einen Vorschlag vorlegen, mit dem sie das Zeug ganz aus dem Verkehr ziehen kann.“
Notwendig sei eine Regulierung der gesamten Chemikaliengruppe der Phenole, nicht nur für einzelne Stoffe. „Nach einem jahrelangen Kampf wurde Bisphenol A in Thermopapier verboten“, sagt Fernandez, „inzwischen ersetzt die Industrie es häufig durch Bisphenol S“. Das wirke auf die Gesundheit aber ganz ähnlich.
Umweltverbände fordern Maßnahmen
Zusammen mit anderen Umweltverbänden fordert der BUND schon lange, dass die Europäische Chemikalienagentur Echa nicht mehr einzelne Stoffe beschreibt und reguliert, sondern Stoffgruppen mit gleicher Wirkung gemeinsam behandelt. Das würde Substituierung verhindern und die schnellere Einschränkung gefährlicher Stoffe ermöglichen.
Gerne würde man erfahren, wie der Lebensmitteleinzelhandel die Belastung seiner oft aufwändig verpackten Lebensmittel mit Bisphenol A senken möchte, doch die Unternehmen erweisen sich auf Nachfrage wortkarg. Edeka und Rewe antworteten bis Redaktionsschluss nicht auf Anfragen, ebenso wie die Industrievereinigung Kunststoffverpackungen.
Aldi Nord und Süd teilen mit, „Lebensmittelsicherheit hat bei ALDI Nord und ALDI SÜD höchste Priorität. Beide Häuser setzen selbstverständlich alle gesetzlichen Vorgaben um und entwickeln eigene Produkte sowie Verpackungen kontinuierlich weiter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir uns an politischen Diskussionen nicht beteiligen.“
Plastics Europe, der Lobbyverein der Kunststoffindustrie in Brüssel, verweist auf Nachfrage darauf, dass etwa die Europäische Arzeneimittelagentur die Studien der Efsa in Zweifel zieht. Wie die Hersteller die Phenolbelastung von Kunststoff senken könnten, ließ der Verband offen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen