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Ceta-RatifizierungZeitenwende im Welthandel

Kai Schöneberg
Kommentar von Kai Schöneberg

Die Post-Ukrainekrieg-Weltordnung erfordert eine Abkehr von diktatorischen Handelspartnern. Die inzwischen veränderte Ceta könnte ein Vorbild sein.

Die Post-Ukrainekrieg-Weltordnung ist auch für den Handel eine Zeitenwende Foto: Khalana Paterson/NYT/Redux/laif

W as passiert mit BASF, VW oder Mercedes, wenn Peking eines Tages das „abtrünnige“ Taiwan angreifen sollte? Können sie ihre milliardenschweren Fabriken und Geschäfte in Fernost komplett abschreiben, wenn Sanktionen gegen Peking erlassen werden? Und: Kann Deutschland dann noch für die hiesige Industrie überlebenswichtige Rohstoffe in China kaufen?

Das ist kein irres Szenario. Laut internen Papieren rechnet das Bundeswirtschaftsministerium bis spätestens 2027 damit – und pocht auf schnellstmögliche Diversifizierung. Neue Handelspartner müssen her – und zwar blitzschnell. Am besten Demokraten.

Die Post-Ukrainekrieg-Weltordnung ist auch für den Handel eine Zeitenwende. Da machen Ampel- und Unionsfraktionäre bella figura, wenn sie nach 13 Jahren zähen Ringens endlich Ceta ratifizieren, den EU-Handelspakt mit Kanada, einem Land mit westlichen Werten.

Weil Konzerninteressen die Demokratie auszuhebeln drohten, ging halb Europa 2015 und 2016 gegen Ceta und TTIP, das Schwesterabkommen mit den USA, auf die Straße. Doch inzwischen geht es nicht mehr um Chlorhühnchen, ungekennzeichnetes Genfood, Umwelt- und Sozialstandards oder Konzerne, die Gesetze mitschreiben dürfen.

Kanada als Partner ist Gold wert

Ceta wurde inzwischen stark verbessert – und entschlackt. In den fünf Jahren, seit das Abkommen bereits teilweise in Kraft ist und die Zölle fast eliminiert hat, nahm der Handel mit Kanada um 30 Prozent zu. Zwar ist das Land mit einem Anteil von 0,6 Prozent am deutschen Handel als wirtschaftlicher Partner ein Zwerg, aber als globaler Mitstreiter für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit Gold wert.

Ceta gilt inzwischen als Vorbild für ähnliche Handelspakte mit dem Mercosur-Staat Chile und mit Mexiko. Es setzt bereits Standards für andere Handelsverträge weltweit. Und ja, es gibt weiter den Haken der Extra­rechte für Konzerne. Die Bundesregierung hofft, dass der Investitionsschutz für Unternehmen durch eine sogenannte Interpretationserklärung von Ceta gebändigt wird. Aber die Regierung in Ottawa hat diese Extraregel noch gar nicht abgenickt. Das ist ein Problem, aber im Vergleich zur Abhängigkeit von Autokraten und Kleptoregimen nicht das größte.

Trotzdem nicht zu unterschlagen: Auch der Handel mit Demokratien ist kein Honeymoon. Stichwort Protektionismus. Als „­superaggressiv“ ­kritisiert Frankreichs Präsident Emmanuel ­Macron die neuen gigantischen US-Subventionen. Zu Recht. Die winken für Windräder oder Solaranlagen aus US-Stahl oder für E-Autos „made in USA“. Tesla prüft bereits, Batterien nicht in Brandenburg, sondern in den Staaten zu bauen.

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Kai Schöneberg
Ressortleiter Wirtschaft und Umwelt
Hat in Bonn und Berlin Wirtschaftsgeschichte, Spanisch und Politik studiert. Ausbildung bei der Burda Journalistenschule. Von 2001 bis 2009 Redakteur in Bremen und Niedersachsen-Korrespondent der taz. Dann Financial Times Deutschland, unter anderem als Redakteur der Seite 1. Seit 2012 wieder bei der taz als Leiter des Ressorts Wirtschaft + Umwelt, seit August 2024 im Sabbatical.
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16 Kommentare

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  • Nur so zur Info

    Am Erfurter Kreuz entsteht gerade Europas größtes Batteriezellenwerk. Der chinesische Batteriehersteller CATL investiert nach eigenen Angaben 1,8 Milliarden Euro.

    • @jeggert:

      Danke für deine Beispiele.



      Solch große Investitionen zeigen ein Problem des Eigentumsrechts, weil durch sie Macht entsteht, die stärker sein kann als die Macht der ansässigen Bevölkerung (das geht schon an bei der Batteriefabrik in Brandenburg, die der Gegend das Wasser abgräbt). Solch große Gebilde nicht staatlich oder durch die Beschäftigten und die dort lebenden Menschen, sondern durch sog. Eigentümer*innen bzw. sog. Investor*innen entscheiden zu lassen, ist der Fehler unseres Systems.

  • Was China gerade so macht:

    China verdrängt die USA als Hauptinvestor in Lateinamerika



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    Chinas ausländische Direktinvestitionen (ADI) in Lateinamerika belaufen sich auf mehr als 171 Milliarden US-Dollar. Dies entspricht einem Zuwachs von 589 Prozent in den letzten zehn Jahren, d. h. fast einer Versiebenfachung.



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    Daten des Zentrums für China-Mexiko-Studien (Cechimex) der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko zeigen, dass sich Chinas Direktinvestitionen in Lateinamerika zwischen 2000 und 2021 auf 171,854 Milliarden Dollar belaufen, von denen 83 Prozent auf nur fünf Länder entfallen: Brasilien (69,958 Milliarden) , Peru (29,846) , Chile (20,465), Mexiko (16,920) und Argentinien (14,864).



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    .. auf einer Weltkarte, die die Verteilung des Welthandels vor 20 Jahren und heute zeigt, hatten im Jahr 2000 alle Länder Amerikas (mit Ausnahme von Paraguay) die USA als Haupthandelspartner. Heute gilt dies nur noch für Mexiko und Kanada, während für die großen Volkswirtschaften der Region wie Brasilien, Chile, Argentinien, Uruguay, Peru und Bolivien inzwischen das asiatische Land der wichtigste Handelspartner ist.

  • Was gerade so los ist, in China:

    On Friday, the Switzerland-headquartered robotics company ABB opened a fully automated robotics company in Shanghai after several years of construction.

    Divided into multiple sectors including a research laboratory, automated warehouses and production lines, the new plant is installed with large, neat-looking workshops, modular production cells and "robot-making robots," which is widely seen as one of the biggest highlights of the new facility, the Global Times observed on site.

    According to the company, the factory will produce 41 of the company's robotics products and 31 robot models including six-axis robots and painting robots. The products will serve a wide range of industries ranging from traditional ones such as automotives and food to emerging industries like 5G consumer electronics.



    -



    On November 25, US fiber and chemicals plant Invista also inaugurated a new adiponitrile plant in Shanghai with a total investment of over $1 billion, which is the largest capital project in the company's history, according to a press release sent by the firm to the Global Times.

  • @PHILIPPO1000

    Ich lege nichts nahe. Ich stelle nur fest, dass wir uns nicht daran halten, wenn's gerade opportun ist.

  • @PHILIPPO1000

    Ich weiss nicht, worauf Sie antworten.

    Sicher nicht auf meinen Beitrag, Denn da steht nirgends, es sei in China, in der Ukraine, in der Türkei oder im Iran besser: das wäre nicht nur falsch, sondern eine abscheuliche Verachtung der Opfer in diesen Systemen.

    Ich meine nur, wir sollten uns auf unsere Hausaufgaben konzentrieren, statt wie ein Pavian unsr rotes Hinterteil zur Schau zu tragen. Diejenigen nämlich, die am lautesten über diese Werte grölen sind die, die sie ständig mit Füssen treten (meine obige Liste ist entsetzlich unvollständig, das wissen Sie auch).

    • @tomás zerolo:

      Sie legen nahe, westliche Werte seien nicht existent.



      Ich habe darauf hingewiesen, wie es in Ländern aussieht, die auf Basics, die wir als westliche Werte beschreiben, aussieht.

  • Ja, Ceta ist stark verbessert, sicher auch mit, weil "wir" gegen Auswüchse demonstriert haben. Trotzdem macht mich das nachdenklich: jetzt sind noch größere Gefahren da, die neu sind, aber auch wieder nicht so ganz neu. Es ist ja nicht so, dass manche in strategischen Ausrichtungen das nicht auch schon vor Jahren einbezogen hatten. Ich denke es könnten auch andere Fragen, in denen sich Ansichten sehr unversöhnlich gegenüber stehen, morgen auch in einem anderen Licht erscheinen. Es ist nicht leicht abzuwägen, wo man besser fest gegen klare Feinde des eigenen Lagers zusammenstehen sollte, und wo man besser offen für andere Gedanken bleiben sollte.

  • "Die Bundesregierung hofft, dass der Investitionsschutz für Unternehmen durch eine sogenannte Interpretationserklärung von Ceta gebändigt wird."

    das ist wirklich ein Problem, wenn Politik anfängt zu hoffen, Politik soll entscheiden und wenn die dt oder europ. Seite diese Klausel nicht möchte, soll sie sie rausverhandeln und auf keinen Fall ratifizieren, aber zu hoffen, dass andere eigene Fehler korrigieren... absurd!



    Diese Klausel ist tatsächlich ein Problem., denn sie ist undemokratisch hoch 10, erlaubt sie doch ausländischen Konzernen , vorbei an nationalen Gerichten unliebige Regularien auszuhebeln obendrein noch durch Schiedsgerichte, die zum Teil durch die Kläger selbst ernannt werden ...



    Ernsthaft, undemokratischer und mehr Selbstentmachtung durch die Politik ist schwer vorstellbar.



    Die Politik hofft, da klappt mir wirklich die Kinnlade runter... Sowas darf man gar nicht unterschreiben. Hinterher zu hoffen,,, das ist schlecht verhandelt, Punkt.

    • @nutzer:

      Um es mal mit dem dummen Beispiel freie Wirtschaft zu umschreiben: Wenn nach Vertragsschluß die eigenen Verhandlungsführer die Hoffnung äußern, gewisse ausgehandelte Paragrafen kämen nie zum Einsatz oder würden von dem Verhandlungspartner nie bemerkt, dann passiert was...? Schwer vorstellbar, dass es eine Verhandlungsprovision gäbe, geschweige denn einen Folgeauftrag.

  • Ich kann das mit den "Westlichen Werten" nicht mehr hören

    - wenn wir bewusst dafür sorgen, dass Menschen im Mittelmeer ersaufen;



    - wenn wir die Situation durch perverse Konstrukte (Dublin) geradezu erzwingen;



    - wenn wir diejenigen kriminalisieren, die versuchen, sie dort herauszufischen;



    - wenn wir, nach Jahrzehnten der Klimawandelleugnung mittlerweile da angelangt sind "na meinetwegen gibt es das, aber es ist wurscht"



    - wenn nur minimale Versuche eines Lieferkettengesetzes auch noch verwässert werden.

    Die westlichen Werte sind nur das: Wertpapiere.

    • @tomás zerolo:

      Aha, und trotzdem schreiben Sie hier Ihre Meinung!?



      Sie sitzen in keinem Chinesischen Arbeitslager, wurden in der Ukraine nicht an die Front gezwungen, werden an türkischen Grenzen nicht bombardiert, oder landen in iranischen Gefängnissen.



      Sie erhalten " Rechtsbeihilfe" bei Amtsgängen, statt nur " Recht" durch Korruption, wie beispielsweise in Russland oder der Ukraine.



      Sie haben Ihre Meinung und ich meine. Das geht hier im Westen . An vielen Orten der Welt ist das nur ein frommer Wunsch.

      • @Philippo1000:

        Nur weil es woanders schlimmer ist, darf die hiesige Heuchelei nicht angeprangert werden?

        Das kenne ich noch. Hieß damals nur "Geh' doch nach drüben!"



        Das kam aber von Reaktionären. Oder ist diese Pseudo-Haltung nicht vielleicht reaktionär?

        • @J_CGN:

          "Westliche Werte" wurden in dem Kommentar als nicht existent bewertet. Ich bin froh, hier leben zu dürfen und z.B. gerade öffentlich meine Meinung äußern zu können Das und Vieles Andere ist hier selbstverständlich, in vielen anderen Ländern nicht.



          Es hilft gelegentlich, über den Tellerrand zu schauen, um zu erkennen, wie gut es uns geht.

  • Wie schön, dass hier das Prinzip Hoffnung gefeiert wird.