piwik no script img

CSU-KlausurtagungAbschieben wie England

In Kloster Seeon fordert die CSU eine Wende in der Migration. Flüchtlingen soll weiterhin Schutz gewährt werden – nur nicht in Deutschland.

Kaare Dybvad Bek (rechts), Minister für Einwanderung und Integration von Dänemark und Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef Foto: picture alliance/dpa/Peter Kneffel

Kloster Seeon taz | Ruanda ist ein kleines Land in Ostafrika, in dem so viele Einwohner leben wie in Bayern auf einer Fläche kaum größer als die Mecklenburg-Vorpommerns. Und über kaum ein Land wird an diesem Wochenende bei der CSU-Klausur in Kloster Seeon mehr gesprochen. Dabei sind es nicht Ruandas Vergangenheit als deutsche Kolonie oder die seltenen Berggorillas auf den Virunga-Vulkanen, die die CSU-Abgeordneten und ihre Gäste interessieren, auch nicht der Völkermord an den Tutsi in den neunziger Jahren.

Nein, Ruanda steht für ein neues Asylmodell, von dem sich die CSU eine zumindest teilweise Lösung der Migrationsfrage erhofft. Deutschland, so findet Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, der Gastgeber der Klausur, müsse sein Schutzversprechen für geflüchtete Menschen auch außerhalb der europäischen Grenzen einlösen können.

Die Idee stammt dabei aus Großbritannien: Flüchtlinge, die auf die Insel kommen, bekämen demnach zwar Schutz gewährt, aber eben nicht in Großbritannien, sondern in Ruanda. Die Briten würden ihre Flüchtlinge dorthin ausfliegen. Ruanda hat sich damit bereits einverstanden erklärt – gegen entsprechende Bezahlung, versteht sich. Auch andere Länder – etwa Ghana – sind für ein entsprechendes Modell im Gespräch.

Von der Ruanda-Methode erwarten sich die Befürworter vor allem eine abschreckende Wirkung auf potenzielle Flüchtlinge. Wer weiß, dass er am Ende ohnehin nicht im Vereinigten Königreich, sondern in Ruanda lande, so der Gedanke, überlege es sich zweimal, ob er einer Schleuserbande eine horrende Summe dafür zahle, ihn nach Großbritannien zu bringen.

Abschiebungen nach Syrien werden diskutiert

Ganz so einfach, wie sich die britische Regierung das vorgestellt haben mag, ist die Sache allerdings nicht. Der Plan wurde vom obersten Gericht für rechtswidrig erklärt. Ohne ein neues Gesetz lässt er sich daher erstmal nicht umsetzen. Dobrindt hindert das freilich nicht daran, sich die Idee zu eigen zu machen.

Dass die CSU-Landesgruppe das Thema Migration als einen ihrer Schwerpunkte in Kloster Seeon gewählt hat, ist kein Zufall. Es ist das zentrale Thema, mit dem die AfD erfolgreich auf Stimmenfang geht. Und so gut die Union derzeit in den Umfragen auch im Direktvergleich mit den Ampelparteien dasteht, so stark bedrängt sie die AfD von rechts. In Bayern kamen die Rechtsextremen bei den Landtagswahlen im Oktober auf 14,6 Prozent der Stimmen. Bei den diesjährigen Wahlen in Ostdeutschland werden noch weit stärkere Zugewinne erwartet. Im Freistaat kommt der Sonderfall der Freien Wähler hinzu, deren Chef Hubert Aiwanger ebenfalls nicht vor rechtspopulistischen Parolen zurückschreckt.

Kein Wunder also, dass man das Feld nicht der Konkurrenz überlassen will. Zumal auch der Druck von den CSU-Bürgermeisterinnen und -Landräten groß ist, die sich von der großen Zahl der unterzubringenden Flüchtlinge überfordert sehen und allein gelassen fühlen. So fordert Dobrindt wie auch sein Parteichef Markus Söder, der am Samstag eine Grundsatzrede vor den Parlamentariern hielt, eine Abkehr von der bisherigen Migrationspolitik.

Mit dem Ruanda-Modell, argumentiert Dobrindt, könne man das Narrativ der Schleuserbanden durchbrechen, die den Flüchtlingen eine Aufnahme in den deutschen Sozialsystemen versprächen. Bei Ruanda soll es indes nicht bleiben: So will die CSU die Leistungen für Flüchtlinge so weit wie möglich auf Sachleistungen umstellen. In Bayern plant Söder derzeit die Einführung einer entsprechenden Bezahlkarte für Flüchtlinge. In Kloster Seeon legt der Ministerpräsident eine weitere Forderung auf den Tisch: Es sei an der Zeit zu prüfen, ob inzwischen nicht auch Abschiebungen in manche Gebiete Syriens möglich seien.

Dänemark als Vorbild

Mit der CDU weiß sich die CSU bei dem Thema auf einer Linie. Während die Migrationsfrage zu Zeiten von Angela Merkel und Horst Seehofer den Frieden unter den Schwesterparteien massiv gefährdete – Stichwort Obergrenze –, fragt sich die CSU mittlerweile allenfalls, wo sie noch eigene Akzente setzen kann. Beim Blick in den jüngst vorgelegten Entwurf eines neuen CDU-Grundsatzprogramms fand man in Sachen Migration die eigenen Vorstellungen eins zu eins umgesetzt.

Wer in der EU Asyl beantragt, heißt es darin etwa, solle in einen sicheren Staat außerhalb der Europäischen Union überführt werden und dort ein Verfahren durchlaufen. Fällt es positiv aus, werde dem Antragsteller Schutz gewährt – dort.

Der Plan ist auch Thema beim Gespräch mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die am Samstagnachmittag nach Seeon kam. Beim gemeinsamen Auftritt mit Dobrindt vor der Presse, will sich von der Leyen, ihres Zeichens immerhin CDU-Politikerin, jedoch nicht zu einem Bekenntnis zum Ruanda-Modell hinreißen lassen. „Wir sind die, die entscheiden, wer nach Europa kommt und unter welchen Umständen – nicht die Schlepper“, sagt sie lediglich und betont die Wichtigkeit von Abkommen mit Transit- und Herkunftsländern.

In der Ampel wiederum gibt es in Sachen Ruanda-Modell unterschiedliche Auffassungen. Während FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung große Sympathien bekundete und meinte, rechtliche Bedenken könnten ausgeräumt werden, lehnte Saskia Esken den Plan kategorisch ab. Er verstoße gegen die Genfer Flüchtlingskonvention, sagte die SPD-Chefin der Deutschen Presse-Agentur und verwies darauf, dass die Konvention als Reaktion auf die Massenvertreibungen durch die Nazis geschaffen worden sei.

Eine gänzlich andere Auffassung zu dem Thema haben die dänischen Sozialdemokraten. Einer von ihnen, Migrationsminister Kaare Dyvbad Bek, steht denn auch am Sonntagmittag mit Dobrindt im Klosterhof im Schneetreiben. Bek ist einer der größten Verfechter des Ruanda-Modells. Gern spricht er über Pullfaktoren beim Thema Einwanderung.

Menschen, so der Minister, flöhen zwar vor etwas, aber auch zu etwas hin. Durch eine rigide Zuwanderungspolitik habe man in Dänemark diese Faktoren stark reduziert. Ein gutes Vorbild, findet Dobrindt, der in Deutschland eine besonders starke Magnetwirkung etwa durch das Staatsbürgerschaftsrecht der Ampel oder das Bürgergeld sieht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

18 Kommentare

 / 
  • "Das größte Problem ist der knallharte unregulierte Kapitalismus in Afrika der viele Menschen in Armut leben lässt und die Korruption."

    Aber die Lösung dieses Problems kann doch nicht darin bestehen, dass wir alle, die (nicht nur in Afrika) darunter leiden und es irgendwie zu uns schaffen, bei uns aufnehmen. Selbst wenn von diesen Menschen nur 5 oder 10% zu uns kommen würden, wären wir, schon allein was deren Unterbringung betrifft, relativ schnell völlig überfordert.

    Für die restlichen 90 bis 95% wären wir danach ohnehin kein Ziel mehr. Nur - was hätte sich dann überhaupt verbessert?

    Für solche Probleme braucht es Lösungen vor Ort. Anders kann es langfristig nicht funktionieren.

    • @Al Dente:

      Lösungen vor Ort sind ja schön und gut. Nur Gerede allein reicht aber nicht. Faire Wirtschaftsbedingungen währe mal ein Anfang. Deutschland ist genauso an der Ausbeutung des Kontinents beteiligt wie alle anderen Industriestaaten. Menschenrechte und Demokratie haben nur dann für uns Gültigkeit wenn es uns in den Kram passt. Deutschland drückt gerne ein Auge zu wenn dafür bei uns der Rubel rollt. So ändert man rein gar nichts.

    • @Al Dente:

      Ergänzung:

      War eigentlich als Antwort an

      @Andreas J

      gedacht.

  • Und man fragt sich - wenn doch das Sozialsystem der angeblich entscheidende "Pullfaktor" ist - warum jedes Jahr zig Tausende Migranten versuchen, in die USA zu gelangen.



    Scheint, es geht wohl eher um toitsche Wähler als um Migranten.

    • 6G
      665119 (Profil gelöscht)
      @Kaboom:

      In den USA gibt es verschiedene Sozialleistungen, so etwa die Direktzahlungen an alleinerziehende Eltern TANF, Lebensmittelkarten und die Gesundheitsleistungen Medicaid.

      • @665119 (Profil gelöscht):

        Das in einem zivilisierten Land medizinische Hilfe gewährt wird, ist selbstverständlich (auch wenn Fritze Merz das offenbar anders sieht).

        Und es gibt in den USA kaum illegale Immigranten, die Sozialleistungen erhalten

        www.cnbc.com/selec...security-answered/

  • Den ganzen Tag von (nicht nachgewiesenen) Pullfaktoren schwafeln während man versucht Pushfaktoren zu steigern (durch Sachleistungen damit die bösen Menschen blos kein Geld in ihre Heimat schicken damit weningstens ein Teil fort klar kommt)

  • Und so werfen sich die Rechten und die Ganzrechten weiterhin die Bälle zu...

  • "Ruanda hat sich damit bereits einverstanden erklärt – gegen entsprechende Bezahlung"

    Beim argumentieren gegen dieses Abschiebemodell könnten durchaus auch die konkreten Zahlen helfen; Grossbritannien hat bereits 300 Millionen Pfund nach Kigali überwiesen. Bisher ist noch kein einziger 'Immigrant' abgeschoben worden.

    Eine tiefergehende Recherche wert wären auch die genauen Nutznießer dieser Zahlungen, vor allem auch mit Blick auf die gegenwärtig wieder wachsenden Spannungen im militärischen Konflikt mit der DRC.

  • Keiner kommt wegen dem Bürgergeld. Die wollen arbeiten. Ich bin gerade in Abidjan. Die Menschen hier arbeiten viel und hart. Nur reicht das Einkommen vieler gerade für das Nötigste, wenn überhaupt. Die Preise steigen schneller als das Einkommen. Die wurden nie auf die Idee kommen nach Europa zu gehen, wenn das Geld halbwegs reichen würde. Dobrindt der geistige Tiefflieger hat wie immer null Ahnung wovon er spricht.

    • @Andreas J:

      Hier in D reicht das Geld für Menschen mit niedrigem Einkommen auch nicht. Vor allem die Inflation bei Nahrung und Energie, das verknappte Wohnungsangebot in den Ballungszentrum, wo eben die meisten Jobs zu finden sind, und die in den vergangenenen Jahren stark gestiegenen Wohnungsmieten machen das Leben für Geringverdiener nicht gerade leicht.

      • @Nikolai Nikitin:

        Armut in Deutschland lässt sich nicht mit der Armut an der Elfenbeinküste vergleichen. Hier gibt es kein Sozialsystem das einem auffängt. Wer einen Unfall hatte bekommt medizinische Hilfe nur gegen Bares. Eine OP kann hier mehrere tausend Euro kosten



        Für viele eine unvorstellbare Summe. Da bleibt



        nur noch das Beten Wer seinen Job verliert, verliert auch schnell seine Wohnung und muss für sich und seine Familie eine Unterkunft in einem Slum suchen. Viele Kinder müssen hier arbeiten weil das Geld in der Familie nicht reicht. Wer das mit Deutschland vergleicht hat keine Ahnung.

        • @Andreas J:

          @Hedele



          Allles schön und gut, aber dies sind keine Flucht- oder Asylgründe, die in Deutschland anerkannt werden. Und von daher ist eine Rückführung solcher Personengruppen gut und richtig.

          • @Puky:

            Vielleicht kein Asylgrund laut Grundgesetz, aber ein Fluchtgund alle male. Ein Leben in Armut ist mit das schlimmste was einen Menschen passieren kann. Ich sehe es gerade täglich in Abidjan. Jeden Tag um das Minimum zu kämpfen ist Leiden auf Lebenszeit. Wir können nicht einfach wegschauen da wir davon profitieren und die Armut mit verursacht haben.

      • @Nikolai Nikitin:

        Ich war auch in Abidjan. Glauben Sie mir, das kann man schlicht nicht vergleichen. Allein die Möglichkeiten, die man hier hat, auch hinsichtlich Weiterbildung und Berufsdiversifizierung, sind für einen Ivorer schlicht atemberaubend. Und dabei zählt die Elfenbeinküste noch zu den Boomregionen, die fast alles richtig gemacht haben in den letzten Jahren. Es wird massiv in die Solarbranche, die moderne Chemie und Kosmetikindustrie unter Verwendung lokaler Rohstoffe investiert. Export von Kaffee und Schokolade aus der Kolonialzeit laufen derweil weiter. Viele öffentliche Dienstleistungen, wie z.B. das Handelsregister, sind online mit dem Handy und MobileMoney, der Komkurrenz der Mobilfunkunternehmen zu Paypal, zu erledigen, Die Westafrikanische Union hat dabei viele große und auch kleine Dinge geleistet, neben einer stabilen, an den EURO gekoppelt gemeinsamen Währung CFA z.B. sogar einen gemeinsamen Standard für die Unternehmensbuchführung mit durchgängig einheitlichen Konten aufgelegt, wovon die EU nur träumen kann.. Trotzdem fühlt es sich wegen des großen Bevölkerungswachstum so an, als käme man nicht vom Fleck.

        • @hedele:

          Hier sind Sozialreformen dringend nötig. Zur Zeit brodelt die Unzufriedenheit bei den Einkommensschwachen. Das Leben ist zu teuer geworden. Immer mehr Menschen kommen nach Abidjan und die Stadt wächst unaufhörlich. Die Stimmung wird angespannter. Viele begrüßen die Putschisten in den anderen ehemaligen Kolonien der Franzosen. Die nächsten Präsidentschaftswahlen werden eine unruhige Zeit. Wirtschaftlich wurde viel erreicht, nur die Einkommensschwachen wurden vergessen.

        • @hedele:

          Der Populismus ist auch in Afrika erfolgreich, mindestens auf dem Gebiet der Religion. So heißt es seit Jahrzehnten, die Pfingstkirchen seien die einzigen mit großem missionarischen Erfolg, vor allem in Afrika. Nur gehören die eben auch zu den fundamentalistischen Kirchen aus USA. Und die stehen ja eher gegen Verhütung geschweige denn Abtreibung. Folge: Mehr Bevölkerungswachstum, als der Kontinent sozial verkraften kann.

          • @Uwe Kulick:

            Das größte Problem ist der knallharte unregulierte Kapitalismus in Afrika der viele Menschen in Armut leben lässt und die Korruption. Mit steigender Bildung verliert Religion an Bedeutung und weniger Kinder werden gezeugt. Die Macht der Religion speist sich vor allem aus dem sozialen Missständen.