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CO2-Absauger in der KriseClimeworks feuert ein Fünftel der Belegschaft

Die Schweizer Firma filtert mit zwei Anlagen auf Island Treibhausgas aus der Luft. Das läuft aber viel schlechter als geplant.

Die Kohlenstoffabscheidungsanlage von Climeworks in Reykjavik, Island, im Mai 2024 Foto: John Moore/getty images

Berlin taz | Das Klimaschutz-Unternehmen Climeworks baut weltweit 106 Stellen ab, 78 davon in seinem Heimatland Schweiz. Die Ausgründung der ETH Zürich betreibt zwei Anlagen, die das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid aus der Luft saugen. Anschließend kann es unterirdisch gelagert oder auch als Rohstoff für manche industrielle Prozesse genutzt werden.

Nach einer starken Wachstumsphase wolle Climeworks jetzt „Beweglichkeit und Effizienz“ bewahren, teilte die Firma zum personellen Kahlschlag mit. In der Schweiz liefen Verhandlungen über einen Sozialplan für die Betroffenen. „Climeworks ist heute technologisch und unternehmerisch gut positioniert“, hieß es weiter.

Allerdings stocken die Pläne einer Expansion in die USA. Das liegt wohl auch an den veränderten Bedingungen unter Präsident Donald Trump, der beispielsweise die zuständigen Behörden zusammengestrichen hat.

Aktuelle Zahlen zum Betrieb der zwei Climeworks-Anlagen auf Island, die Climeworks-Gründer und -CEO Jan Wurzbacher kürzlich im sozialen Netzwerk Linkedin teilte, lassen zudem an der Effektivität der Technik zweifeln. Beide CO2-Absauger entziehen der Luft viel weniger des Treibhausgases als angekündigt.

Wenig Erfolg fürs Klima

Die neuere Anlage, Climeworks hat sie „Mammoth“ getauft, gibt es seit 2024. Sie hat in den zehn Monaten bisher netto 105 Tonnen CO2 aus der Luft gezogen. Das ist ungefähr die Menge, die zehn Menschen in Deutschland pro Jahr ausstoßen. Netto bedeutet: nach Abzug der CO2-Emissionen, die der extrem energieintensive Betrieb der Anlage sowie ihr Bau verursacht hat. Die seit 2021 laufende Anlage „Orca“ hat netto 953 Tonnen CO2 geborgen.

Als gesamtes Unternehmen stößt Climeworks sogar mehr CO2 aus als die Anlagen aufsaugen. Das heißt: wenn man nicht nur den Betrieb und die Lieferkette der zwei Anlagen einrechnet, sondern zum Beispiel auch die Geschäftstätigkeiten zum Aufbau künftiger Projekte.

Brutto hat „Mammoth“ 750 Tonnen CO2 aus der Luft gesaugt. Das bleibt weit hinter dem angekündigten Potenzial zurück: Im Vollbetrieb sollte die Anlage jährlich bis zu 36.000 Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernen können. Bei „Orca“ sind es jährliche 4.000 Tonnen.

Climeworks gilt als Branchenführer

Auch Firmenchef Wurzbacher spricht auf Linkedin von einem „Unterschied zwischen theoretischem und tatsächlichem Ergebnis“. Er begründet die Diskrepanz mit „geplanten und ungeplanten Ausfallzeiten, Wetter und Filterverlusten“.

Climeworks gilt als Branchenführer der allerdings weltweit kleinen Start-up-Szene, die daran arbeitet, CO2 mit technischen Gerätschaften aus der Luft zu ziehen. Die Fachwelt spricht von „Direct Air Capture“, auf Deutsch also „direkte Lufterfassung“. Im Gegensatz dazu arbeiten andere Unternehmen daran, CO2 nicht direkt aus der Luft, sondern aus den Prozessen von Kraftwerken und Industrieanlagen abzufangen, bevor das Gas überhaupt in die Atmosphäre gerät.

Climeworks erzielt Einnahmen, indem die Firma mit Großunternehmen wie Microsoft, Swiss Re oder Boston Consulting Group Verträge zum Entfernen von CO2 schließt. Auch Privatpersonen haben die Möglichkeit, für ihren CO₂-Ausstoß zu bezahlen.

Die netto eingesparte Tonne CO₂ hat allerdings mit rund 1.000 Euro einen sehr stolzen Preis. In der Regel dürfte es deutlich billiger sein, die eigenen Emissionen zu reduzieren, statt sich bei Climeworks eine Emissionsminderung zum Schönrechnen des eigenen CO₂-Ausstoßes zu kaufen.

Aus Klimasicht wäre das Senken der Emissionen auch dringend nötig. Der als Goldstandard der Klimaforschung geltende Weltklimarat geht in seinen Szenarien zwar davon aus, dass die Menschheit Technologien wie Direct Air Capture benötigt, um die Klimakrise wirksam zu begrenzen.

Allerdings gilt das zusätzlich zur globalen Emissionsminderung auf null. CO2 bleibt schließlich lange in der Atmosphäre. Selbst wenn irgendwann kein neues Treibhausgas mehr hinzukäme, wäre die vorhandene Menge noch zu groß – und müsste nachträglich reduziert werden. Zum Beispiel durch Direct Air Capture.

CO₂-Entnahme-Technologien fast durchweg kaum erprobt

Daneben kommen dafür weitere Wege infrage. Dazu gehören auch und vor allem natürliche: der (Wieder-) Aufbau und die Pflege von Wäldern und Mooren beispielsweise, in denen Kohlenstoff gebunden ist.

Auch eine Verbindung mit technischen Lösungen ist möglich, praktisch aber wenig erprobt. Dabei lässt man Bäume schnell auf Plantagen wachsen, fällt und verbrennt sie im Anschluss zur Energiegewinnung und fängt das dabei entstehende CO2 ab. Das nennt sich Bioenergie mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung oder kurz BECCS. Kommerzielle Anlagen sind aber bisher rar.

An Plänen, mehr auf BECCS zu setzen, gibt es zudem enorme Kritik. Denn: Die Nutzung im großen Stil würde gigantische Flächen für Plantagen erfordern. Diese wären dann erstens verloren für nachhaltige, gesunde Ökosysteme. Zweitens wären noch mehr Konflikte um Land und vermehrtes Landgrabbing absehbar. Das dürfte besonders indigene Gruppen im globalen Süden betreffen, die oft kein juristisch gesichertes Eigentum an ihrem Grund und Boden haben. Fälle von Vertreibungen für Aufforstungsprojekte sind auch jetzt schon bekannt.

Eine weitere Idee, um mehr CO₂ wieder aus der Luft zu holen, ist die künstliche Beschleunigung von natürlichen Prozessen wie der Gesteinsverwitterung. Auch hier gibt es bisher keine großflächige Nutzung. Die wäre auch wiederum mit Nachteilen verbunden: Es wäre beispielsweise eine Bergbauindustrie in einer Größe nötig, die der heutigen Kohlewirtschaft gleichkäme.

Im praktischen Sinne stecken also im Grunde alle der neueren Ideen zur CO2-Entnahme aus der Atmosphäre noch in den Kinder- oder höchstens Jugendschuhen. Das geht auch aus dem Sachstandsbericht zur CO₂-Entnahme hervor, den eine internationale Gruppe von Wis­sen­schaft­le­r*in­nen im vergangenen Jahr vorgestellt hat.

Demnach entzieht die Menschheit der Atmosphäre aktuell 2,2 Milliarden Tonnen CO2 im Jahr, alle naturbasierten und technischen Bemühungen zusammengenommen. Davon entfallen 99,9 Prozent auf „konventionelle Methoden“, vor allem Aufforstung. Alle neueren Lösungen zusammen teilen sich die restlichen 0,1 Prozent. In diese kleine Sparte fallen auch die kaum mehr als 1.000 Tonnen CO2, die die zwei Climeworks-Anlagen in Island bisher netto aus der Luft gefiltert haben.Und zum Vergleich: Die Menschheit führt der Atmosphäre immer noch jedes Jahr viel mehr CO₂ zu als sie entfernt. Im vergangenen Jahr führte die Nutzung fossiler Kraftstoffe zu CO₂-Emissionen von 37,4 Milliarden Tonnen. Durch veränderte Landnutzung, etwa die Rodung von Wäldern für Agrarflächen, kamen weitere 4,2 Milliarden Tonnen hinzu.

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2 Kommentare

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  • Wen wundert es, dass eine unsichere, nicht ausgereifte und nicht durchdachte Technologie von all denen forciert wird, die sie erfunden haben, umsetzen wollen und auf einen einfachen Ausweg aus der Klimakrise hoffen. Es geht um Anerkennung, Karriere und/oder Geld.

    Ähnlich verhält es sich mit Aufforstung zur Kompensation und Holz als nachhaltiger Energielieferant. Mit schnelle verwerteten Bäumen wird nur der pflanzliche CO2-Zyklus angeheizt, aber kein CO2 eingespart oder dauerhaft wieder aus der Atmosphäre entnommen. Klar ist heute schon, dass Wälder in den Tropen und Subtropen wegen des schnelleren biologischen Zerfalls weniger dazu beitragen, als Wälder, Wiesen oder Moore in den gemäßigten bis polaren Regionen. Hier ist der biologische Zerfallszeiten langsamer und das CO2 bleibt im Totholz, Humus usw. etwas länger gebunden.

    Abhilfe würde nur die Schaffung neuer unterirdischer Depots von fossilen Brennstoffen schaffen, die danach nicht mehr gefördert und verbrannt werden. Das dauert aber zwischen 2 Millionen (Braunkohle) und 400 Millionen Jahren (Erdöl). Da bleibt nur noch, sofort runter mit allen Emissionen auf das überlebensnotwendige Minimum.

  • Es ist einer dieser seltenen "Ach" - Momente bei dem lang gehegte Zweifel gleich doppelt bestätigt werden. Als vor Jahren diese Technik vorgestellt wurde, haben etliche Wissenschaftler die sehr geringe Effektivität kritisiert. Am Ende ist es eben simple Physik die man leicht errechnen kann. Nun kam man nach zwei Jahren Betrieb zum selben Ergebnis. Blöd nur, dass man an der Technik nicht viel optimieren kann, um mit einer Optimierung beispielsweise 50% Steigerung erreichen zu können.